Gerhard Flachowsky hält Fortschritte in der Pflanzenzüchtung im Kampf gegen den Hunger für unverzichtbar

Wasser, fossile Energien, Mineralstoffe – viele Ressourcen der Erde sind endlich und werden knapp. Wie kann man dennoch alle Menschen ernähren?

Mit Gentechnik in der Pflanzenzüchtung, antwortet uns Professor Gerhard Flachowsky, ehemals Leiter des Instituts für Tierernährung am Braunschweiger Friedrich-Loeffler-Institut.

Maike Neupert und Eva Pfeiffer sprachen mit ihm über Ernährungssicherung in der Zukunft.

Gibt es im Jahr 2050 genug zu essen für alle Menschen?

Im Prinzip ja. Aber bei der Verteilung gibt es ein großes Problem. Die Vereinten Nationen haben sich in ihren Milleniumszielen darauf verständigt, bis zum Jahr 2015 die Zahl der Hungernden weltweit von 850 Millionen auf 400 Millionen Menschen zu halbieren. Doch laut der UN-Ernährungsorganisation haben wir derzeit eine Milliarde Hungernde. Wenn wir nichts tun, wird sich diese Zahl weiter erhöhen.

Was kann man dagegen tun?

Wir müssen in einigen Regionen der Erde mehr Lebensmittel und mehr Eiweiß tierischer Herkunft produzieren oder verfügbar machen – in Form von Milch, Fleisch, Eiern und Fisch.

Warum ist gerade Eiweiß so wichtig?

Ein normal schwerer und durchschnittlich großer Mensch sollte am Tag rund 60 Gramm Eiweiß aufnehmen. Ein Drittel davon, also etwa 20 Gramm, sollte aus verschiedenen Gründen tierischer Herkunft sein.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO schätzt, dass den Menschen gegenwärtig durchschnittlich täglich rund 23 Gramm tierisches Eiweiß zur Verfügung stehen. Dieses ist weltweit aber extrem ungleich verteilt. Die Menge schwankt je nach Land zwischen weniger als 2 bis hin zu mehr als 60 Gramm.

Wo sind die Menschen stark unterversorgt?

Vor allem in Entwicklungsländern. Ein Beispiel ist Burundi. Zum Vergleich: Ein Hühnerei enthält 6 bis 7 Gramm Eiweiß. Das heißt, wenn die Menschen dort weniger als 2 Gramm Eiweiß täglich zu sich nehmen, entspricht das nicht viel mehr als einem Ei pro Woche.

Deshalb soll dort die Tierproduktion nach oben gefahren werden. Global ist nach Einschätzung der FAO bis 2050 etwa eine Verdoppelung der Produktion von tierischem Eiweiß nötig.

Wie soll man das umsetzen?

Um mehr tierisches Eiweiß zu produzieren, brauchen wir mehr Futtermittel und eine effektivere Futterumwandlung. Dazu müssen wir in der Pflanzenzüchtung ansetzen. Denn die Pflanze ist Grundlage für vieles. Viele Ressourcen sind endlich und werden bereits knapp. Beispiele sind Anbaufläche, Wasser, fossile Energien oder Mineralstoffe wie Phosphor.

Mit einer effizienteren Pflanzenzüchtung können wir auf die Knappheit reagieren. Man kann zum Beispiel Mais anbauen, der weniger Wasser benötigt. Außerdem sollte man unbegrenzt vorhandenes Potenzial wie Sonnenlicht, Stickstoff und besser nutzen.

Wie soll das funktionieren?

Wir müssen den genetischen Pool effektiver nutzen.

Also ein Plädoyer für die Gentechnik?

Wir in Europa wehren uns heldenhaft gegen Gentechnik. Und werden das in Zukunft vermutlich weiter tun. Hier gibt es ja auch keinen Druck, etwas zu unternehmen. Wir haben zurzeit noch alles – meist sogar im Überfluss. Aber viele Menschen in Afrika zum Beispiel hungern.

Wenn man die globalen Probleme ernst nimmt und nach Lösungsstrategien sucht, dann sind Fortschritte in der Pflanzenzüchtung unumgänglich. Und da schließe ich die Nutzung der grünen Gentechnik, also gentechnische Verfahren in der Pflanzenzüchtung, mit ein.

Gentechnik ist ein sensibles Thema. Was ist mit Risiken und Unwägbarkeiten?

Ich bin Mitglied eines Panels bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz: EFSA. Diese Behörde analysiert mögliche Risiken in der Lebensmittelkette auf wissenschaftlicher Basis. Um diesen Auftrag zu erfüllen, muss man Entwicklungen wie jener der Gentechnik unvoreingenommen begegnen und sich intensiv damit auseinandersetzen.

Am Braunschweiger Institut für Tierernährung haben wir schon 1997 begonnen, uns mit dem Einsatz von Futtermitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen in der Tierernährung zu beschäftigen.

Wie arbeitet die EFSA?

Zunächst erfolgt eine Risikobewertung der vorhandenen Erbsubstanz, der DNA. Dann werden die genetisch veränderten Proteine bewertet. Wir bewerten, was diese Proteine beim Tier und beim Menschen bewirken können. Also etwa, ob sie Allergien hervorrufen könnten. Das geschieht auf Grundlage von Laboruntersuchungen oder durch Tierversuche.

Es gibt vor allem in Europa großen Widerstand gegen die Gentechnik. Wie gehen Sie damit um?

Ich nehme alle Hinweise und Ängste zur grünen Gentechnik sehr ernst und versuche, sie auf wissenschaftliche Belastbarkeit hin zu bewerten. Es ist zu bemerken, dass in den Anfängen der Gentechnik viele Fehler gemacht wurden. Große Konzerne haben nicht umfassend informiert und so Verunsicherung bei den Verbrauchern erzeugt. Ohnehin sehe ich die Rolle der Konzerne in der Pflanzenzüchtung als großes Problem.

Warum?

Etwa 95 Prozent der Patente in der Pflanzenzüchtung sollen sich derzeit in der Hand von Konzernen befinden. Und denen geht es ausschließlich um Profit, nicht darum, was notwendig und wichtig für die Welt wäre. Die Forschung auf diesem Gebiet sollte sich jedoch am Allgemeinwohl orientieren. Deshalb sollte sie Aufgabe des Staates sein. Sie gehört in die öffentliche Hand. Zurzeit ist der Zugang zur Forschung auf diesem Gebiet extrem erschwert.

Insgesamt lässt sich die Ernährung der Welt also nur mit Gentechnik sichern?

Nein. Man sollte das gesamte Potenzial für eine effektive Nutzung der Ressourcen ausschöpfen und dabei unsere globale Verantwortung im Auge haben. Wir brauchen Methoden zur Pflanzenzüchtung, mit denen wir der großen Herausforderung der globalen Ernährungssicherung langfristig begegnen können.