Berlin. Ab 2027 wird Nike statt Adidas die Fußball-Nationalelf ausstatten. Der Konzern ist überrumpelt, die Fans enttäuscht. Wie es dazu kam.

Streifen oder Haken – an dieser Frage scheiden sich zum Ende der Woche die deutschen Fußballgeister. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ersetzt das deutsche Drei-Streifen-Unternehmen Adidas durch das US-amerikanische Häkchen Nike. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht den meisten Deutschen wohl aus der Seele, wenn er sagt: „Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität.“ Stimmt das? Wie viel Deutschland steckt tatsächlich noch in Adidas?

Adidas ist nach Nike der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller. Der Umsatz ist mit 21,43 Milliarden Euro jedoch nur halb so hoch wie der des US-Konkurrenten (47,78 Milliarden Euro). Der Konzern verkauft Sportartikel, Bekleidung, Schuhe und Accessoires. Allerdings hat der Konzern mit Sitz im bayerischen Herzogenaurach eine wechselvolle Vergangenheit.

Vom NSDAP-Mitglied zum deutschen Held: der Adidas-Gründer Adi Dassler

Die Brüder Adolf „Adi“ und Rudolf Dassler fertigten seit den 1920er Jahren Sportschuhe, die an den Fuß der jeweiligen Profi-Sportler angepasst wurden. Sie verpassten Fußballschuhen erstmals Stollen, stellten aber auch Laufschuhe für Leichtathleten her. Beide Brüder traten 1933 der NSDAP bei, belieferten die Wehrmacht mit Sport- und Spezialschuhen, auch Zwangsarbeiter wurden beschäftigt.

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Die zerstrittenen Brüder gingen nach dem Krieg getrennte geschäftliche Wege. Rudolf gründete 1948 Puma, Adolf 1949 Adidas. Aus den Brüdern und Marken wurden scharfe Konkurrenten. Aber 1954 ging erstmals „Adi“ als Sieger vom Platz – im wahrsten Sinne des Wortes.

Adidas rüstete 1954 die deutsche Nationalmannschaft aus. „Adi“ war selbst als Zeugwart beim sogenannten Wunder von Bern dabei. Seine Stollen an den Fußballschuhen von Fritz Walter und Co., die er übrigens dort selbst anschraubte, galten als Teil des Erfolgs der deutschen Mannschaft, die nicht mal zehn Jahre nach Kriegsende Weltmeister wurde. Adidas versinnbildlichte den deutschen Aufstieg aus Ruinen, aus einer tiefbraunen Vergangenheit. Gemeinsam erklamm man seitdem immer neue sportliche Höhen. Bis jetzt.

Nike schlägt Adidas: Der größere Geldbeutel entscheidet

Nike hat jetzt das Spiel um die Gunst des DFB wohl mit einem größeren Geldbeutel gewonnen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sollen sich die Amerikaner die Ausrüstung der deutschen Damen- und Herrennationalmannschaften ab 2027 mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kosten lassen. Adidas soll hingegen rund 50 Millionen Euro jährlich an den DFB überweisen haben.

Das Bürogebäude „Arena“ am Hauptsitz des Sportartikelherstellers Adidas in Herzogenaurach in Bayern. Mehr als 70 Jahre wurden die deutschen Nationalmannschaften von Adidas ausgerüstet. Das Ende der Partnerschaft kommt überraschend.
Das Bürogebäude „Arena“ am Hauptsitz des Sportartikelherstellers Adidas in Herzogenaurach in Bayern. Mehr als 70 Jahre wurden die deutschen Nationalmannschaften von Adidas ausgerüstet. Das Ende der Partnerschaft kommt überraschend. © DPA Images | Daniel Karmann

„Bei Adidas ärgert man sich wahrscheinlich gerade so richtig“, ist sich Florian Riedmüller, Professor für Sport-Marketing an der Technischen Hochschule Nürnberg, sicher. Er hat in der Vergangenheit bereits für beide Unternehmen gearbeitet. Er sagt: „Was der DFB gemacht hat, ist ein sportliches Foul.“ Völlig überraschend hätte der Fußball-Bund Adidas mit der Ankündigung, künftig mit Nike kooperieren zu wollen, vor den Kopf gestoßen. „Adidas wurde da ganz kalt erwischt.“

Weniger überraschend für den Experten ist hingegen der langsame – wenn auch im Fall der beendeten DFB-Kooperation wohl unfreiwillige – Rückzug vom deutschen Markt. „Adidas verabschiedet sich von der Breite des deutschen Marktes“, erklärt Riedmüller. Das multinationale Unternehmen stattet beispielsweise nur noch zwei Bundesliga-Teams aus – Dauerkonkurrent Nike hingegen vier. „2021 hatte Nike das erste Mal bei einer Europameisterschaft mehr Teams ausgestattet als Adidas“, sagt Riedmüller. „Nike ist also deutlich auf dem Vormarsch. Mit dem DFB haben sie sich jetzt einen Global Player geschnappt.“

Adidas verabschiedet sich langsam vom deutschen Markt

Zuletzt machte Adidas vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem US-Skandalrapper Ye (Kanye West) Schlagzeilen. Nach rassistischen und sexistischen Äußerungen kündigte Adidas Ende 2022 die Partnerschaft, trennte sich von dem gemeinsamen „Yeezy“-Sortiment. Die Abverkäufe waren jedoch besser als erhofft, sodass Adidas entgegen eigener Verlustprognosen sogar einen Betriebsgewinn für 2023 von 268 Millionen einfahren konnte. Nach einem Rückgang 2023 will Adidas seinen Umsatz in diesem Jahr um sieben bis neun Prozent steigern.

Die Börse reagierte bisher kaum auf das Ende der DFB-Adidas-Partnerschaft. Auch der reale Umsatzverlust nach dem Ende der DFB-Kooperation dürfte sich für Adidas wohl in Grenzen halten, schätzt Riedmüller. „Der Umsatz, der jetzt wegfällt, ist niedriger als die Gesamtkosten der Kooperation.“ Der Verlust für Adidas bestehe vor allem im Image-Bereich. „Das sieht man auch an der Reaktion der Fans“, beobachtet Riedmüller. „Da bricht gerade emotional etwas zusammen. Viele sagen: ‚Ich liebe mein Trikot, ich liebe meine drei Streifen.‘“

Was das Ende des Deals für die Mannschaft bedeutet

Und auch für die Spieler der deutschen Nationalmannschaft dürfte das Ende der jahrzehntelangen Kooperation eine Zäsur bedeuten. Das Hauptquartier dieses Jahr während der Europameisterschaft ist auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach. „Adidas hat da eine Wohlfühloase für die Mannschaft aufgebaut“, erklärt Riedmüller. Die Spieler sollen hier in Ruhe am EM-Titel arbeiten. Diese Nähe zwischen Adidas und den Spielern sei wichtig, sagt Riedmüller. „Die wird es mit Nike in den USA, in Oregon, so sicherlich nie geben. Das ist aus meiner Sicht ein kultureller Verlust, diese physische Nähe.“

Ob in Zukunft der DFB und Adidas nochmal zusammenfinden, schließt Riedmüller zwar nicht aus. „Aber das, was jetzt passiert ist, wird Narben in einer zukünftigen Zusammenarbeit hinterlassen. Um in Zukunft nochmal zusammen zu kommen, muss es einen personellen Wechsel geben – diese Verantwortlichen von heute kommen so jedenfalls nicht mehr zusammen. Da wurde auch kulturell ganz viel zerstört.“