Berlin. Die Ampel-Regierung will den deutschen Landwirten die Subventionen streichen. Doch die Bauern rebellieren: „Die Pläne sind nicht fair.“

Die Landwirte in Deutschland sind in Aufruhr. „Wir sind stinksauer nach Berlin gefahren und komplett wütend wieder zurück“, sagt Tino Wachtel. Der 30-Jährige ist seit 14 Jahren Landwirt und bewirtschaftet im Landkreis Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern einen Ackerbaubetrieb mit 2000 Hektar Fläche. Am Montag war er zur Demonstration in Berlin, um gegen die Kürzungspläne der Ampel bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer zu protestieren. „An den öffentlichen Sammelplätzen vor Berlin haben 1000 Traktoren gewartet, die sie nicht hereingelassen haben“, sagt Wachtel. Manche Landwirte seien 14 Stunden unterwegs gewesen, um dabei zu sein. „Sie wurden vor Berlin abgefangen und mundtot gemacht.“

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Die Polizei Berlin bestätigt dieser Redaktion, dass mehr Traktoren zur Kundgebung am Brandenburger Tor unterwegs waren als zunächst zugelassen. Letztendlich konnten 1700 Traktoren statt der ursprünglich angedachten 1000 Maschinen durchgelassen werden. Dies seien alle Teilnehmer gewesen, die sich nach Kenntnis der Polizei auf dem Weg nach Berlin befunden hätten.

Tino Wachtel ist seit 14 Jahren Landwirt, er betreibt einen 2000 HA großen Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern.
Tino Wachtel ist seit 14 Jahren Landwirt, er betreibt einen 2000 HA großen Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern. © privat | Privat

Landwirt: „Die Pläne sind nicht fair“

Auch Eckhard Reinecke war bei der Demonstration in Berlin. Seit 35 Jahren führt der Landwirt in Edesbüttel im Kreis Gifhorn bei Wolfsburg seinen Betrieb in Kooperation mit zwei weiteren Ackerbaubetrieben. Auf ihren Flächen bauen sie vor allem Zuckerrüben, Getreide, Mais und Raps an. „Landwirtschaft ist mehr Leidenschaft als Erfolg“, sagt er. In Viehbetrieben arbeiteten die Landwirte 365 Tage im Jahr für 50 bis 60 Stunden pro Woche. Laut Statistik beläuft sich das Einkommen einer Familienarbeitskraft auf etwa 40.000 Euro brutto pro Jahr. „Da sind die Pläne der Regierung nicht fair“, sagt er.

Nach Ampel-Plänen würden durch eine Streichung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel 440 Millionen Euro eingespart werden. Weitere 485 Millionen Euro würden frei, wenn die Befreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer entfallen würde. „Wir können auf die Subventionen verzichten, wenn wir Preise hätten, die das möglich machen würden“, so Eckhard Reinecke.

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Für eine Tonne Getreide erhielten Landwirte je nach Marktpreis aktuell zwischen 180 und 220 Euro. Am meisten haben Bauern im Mai 2022 für ihr Getreide erhalten. Damals sind wegen des Krieges in der Ukraine die Erzeugerpreise für Getreide gestiegen – auch befeuert durch die Diskussion um Versorgungsengpässe. Zu diesem Zeitpunkt hätten Landwirte bis zu 350 Euro pro Tonne Getreide bekommen. Dieses Hoch hielt etwa vier Monate an, bevor es auf den aktuellen Erzeugerpreis gefallen sei. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die der Bauernverband Anfang Dezember veröffentlicht hat. Demnach haben deutsche Landwirte im Wirtschaftsjahr 2022/23 ihren Gewinn trotz externer Krisen wie Inflation und höheren Energiekosten um 45 Prozent steigern können.

Gesunkene Erzeugerpreise und gestiegene Kosten sorgen für Probleme

Tino Wachtel aus Mecklenburg-Vorpommern komme die Zahl von 45 Prozent sehr viel vor. „Letztes Jahr waren die Erzeugerpreise hoch“, sagt er. Und weiter: „Dieses Jahr sind die Preise schlechter als vor dem Krieg in der Ukraine.“ Er rechne mit 30 bis 40 Euro pro Tonne weniger als vor dem Krieg. „Die Preise macht der Markt, aber für einen Betrieb unserer Größe sind das mal eben 30.000 Euro weniger im Jahr.“ Ähnliches gelte beim Agrardiesel. Pro Tank würde eine Abschaffung der Subventionen ihn 30 Euro mehr kosten. Auf das ganze Jahr gerechnet kämen 15.000 bis 20.000 Euro zusammen. Eckhard Reinecke aus Edesbüttel sagt dazu: „Wenn wir noch 350 Euro pro Tonne bekommen würden, dann wäre das kein Problem.“

Eckhard Reinecke ist Landwirt in Edesbüttel bei Wolfsburg.
Eckhard Reinecke ist Landwirt in Edesbüttel bei Wolfsburg. © privat | Privat

Zusätzlich dazu belastet die Bauern, dass die Ausgaben weiter steigen, wie in vielen anderen Bereichen auch. Dazu zählen die Kosten für Düngemittel, Maschinen oder Ersatzteile. Der erwirtschaftete Vorsprung wiege sich schnell aus, so Tino Wachtel. „Wir sind nicht nur wegen der Kürzungen auf die Straße gegangen“, erklärt er. Es gehe auch um immer neue Dünger-Verordnungen und wachsende Ansprüche an die Landwirtschaft, beispielsweise, dass kein Stickstoff mehr eingesetzt werden darf. Gleichzeitig erhielten sie aber nicht mehr Geld für ihre Arbeit. Eckhard Reinecke sagt dazu: „Wenn Pflanzenschutzmittel wegfallen, dann führt das auch nicht zu höheren Erträgen.“ Gleichzeitig müsse der Boden für die Beackerung stärker mechanisch bearbeitet werden. Das koste mehr Diesel.

Wunsch nach Diskussion und nachhaltigen Erzeugerpreisen

Wachtel wünscht sich das Gespräch mit „denen, die die Sachen streichen wollen“, das heißt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Im Endeffekt haben wir es nicht verbockt, aber wir werden zu Kasse gebeten“, so der Landwirt. An einem runden Tisch solle jeder die Chance bekommen, seine Interessen darzulegen und den Fahrplan zu erklären. „Vor vier Jahren wurde uns bereits sehr viel versprochen und nichts davon wurde eingehalten.“

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Landwirt Eckhard Reinecke aus Edesbüttel hat den Wunsch nach auskömmlichen und nachhaltigen Erzeugerpreisen. Mindesterzeugerpreise ähnlich einem Mindestlohnniveau seien zwar wünschenswert, jedoch kaum umsetzbar. „Es muss eine verlässliche und nachhaltige Perspektive für Landwirte geben“, so Reinecke. Das könne bereits durch einheitliche Bedingungen – somit auch den Preis für Diesel – für die Landwirte innerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.

Bereits jetzt ist klar, dass die Proteste im kommenden Jahr ausgeweitet werden sollen, sollte sich an den Sparplänen nichts ändern. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied droht andernfalls mit „sehr heißen Januar“.