Berlin. Nur 64 Prozent der Züge sind pünktlich. Um das zu ändern, geht die Bahn nun neue Wege – und setzt stärker auf eine Zukunftstechnologie.

Künstliche Intelligenz (KI) verhilft der Deutschen Bahn zu mehr Pünktlichkeit. Das haben die bisherigen Pilotprojekte gezeigt. 2017 hat das Unternehmen mit der Entwicklung angefangen. Jetzt werden die ersten Systeme flächendeckend ausgerollt. „Mit KI schaffen wir es, Kapazitäten ohne bauliche Maßnahmen zu schaffen“, sagt Digitalisierungs-Vorständin Daniela Gerd tom Markotten.

Das ermöglicht unter anderem ein Baustellenplaner. Sieben von zehn ICE müssen auf ihrer Fahrt mindestens eine Baustelle passieren. Das sorgt für Verspätungen. Da Baustellen lange vorgeplant werden, kann die KI schon Monate vor einer Fahrt Umleitungen empfehlen. Ein weiteres System wurde im Nahverkehr getestet. Die KI unterstützt dabei die Fahrzeugdisposition der S-Bahnen in München, Stuttgart und Frankfurt. Die IT rät dann beispielsweise dazu, eine andere Bahn vorzulassen, wenn es bei einem Zug zu einer Verzögerung am Bahnhof kommt. Dort konnten laut Bahn insgesamt 58.000 Verspätungsminuten vermieden werden.

In Hamburg und Berlin wird das System bald ebenfalls übernommen. Die Bahn verspricht sich, deutschlandweit in diesem Jahr etwa 90.000 Verspätungsminuten durch die Software zu vermeiden.

Züge müssen seltener ihre Geschwindigkeit reduzieren

Die Funktionsweise des KI-Tools beruht auf einem sogenannten Digitalen Zwilling, also einer virtuellen Abbildung des jeweiligen Netzes. „Mit diesem digitalen Abbild kann das System den Bahnbetrieb in circa 100-facher Echtzeit simulieren und verschiedene Varianten der Verkehrslage durchspielen“, erklärt die Bahn. Die Technik liefere den zuständigen Mitarbeitern Maßnahmenvorschläge für einen optimierten Betriebsablauf, sodass diese frühzeitig eingreifen können, bevor ein Engpass eintritt.

Die Deutsche Bahn setzt vermehrt auf Künstliche Intelligenz (KI). Damit sollen Züge pünktlicher werden.
Die Deutsche Bahn setzt vermehrt auf Künstliche Intelligenz (KI). Damit sollen Züge pünktlicher werden. © imago/Jürgen Heinrich | Jürgen Heinrich via www.imago-images.de

Als Beispiel nennt die Bahn eine Situation, in der ein Zug aufgrund einer Verspätung gleichzeitig mit einer anderen Bahn einen eingleisigen Abschnitt erreicht. Das KI-System berechnet dann, welcher Zug zuerst fahren sollte, um die weiteren Verzögerungen gering zu halten, und soll dabei auch Auswirkungen auf das gesamte Netz einbeziehen. Im Ergebnis müssten Züge durch den Einsatz des Programms seltener ihre Geschwindigkeit reduzieren oder warten, wenn ein anderer Zug einen Streckenabschnitt blockiert, heißt es.

Dadurch soll die Pünktlichkeit verbessert und die vorhandene Kapazität auf der Schiene besser ausgenutzt werden. Und der nächste Schritt wurde auch schon eingeleitet. „Wir setzen das System auch im Mischverkehr ein“, sagt Markotten. Auf der Rheintalbahn und der Marschbahn ist dies der Fall. Im Mischverkehr, wo sich der Nahverkehr mit dem Güterverkehr und dem Fernverkehr die Gleise teilen, ist die KI besonders gefordert.

Bahn: KI-Einsatz wird nicht zu Jobabbau führen

Der große Vorteil besteht im Blick auf die Folgen einer Störung auf den gesamten Bahnverkehr. Denn eine Verspätung hier kann Hunderte Kilometer weiter später zu einem Stau führen. Das können die Disponenten nicht erkennen. Auch dieses System soll nach und nach flächendeckend eingeführt werden. Der Erfolg lässt sich an den Pünktlichkeitswerten bereits ablesen. Markotten zufolge liegen die durch die IT-Hilfe um 2,6 Prozentpunkte höher. Dürftig sind sie aber nach wie vor. Im Juli erreichten gerade einmal 64 Prozent der Fernzüge fahrplangemäß ihr Ziel.

Auch bei anderen Aufgaben bedient sich die Bahn der KI. Seit 2017 befasst sich der Konzern mit dem Thema. Zu Jahresbeginn wurde dafür eigens eine „AI Factory“, zu deutsche „KI Fabrik“ gegründet. 100 IT-Experten tüfteln dort die Systeme der Zukunft aus. Damit gehört die Bahn nach eigenen Angaben zu den größten Arbeitgebern der Sparte in Deutschland. Nachwuchssorgen kennt die Vorständin nicht. „Wir bekommen wirklich tolle Profile von qualifizierten Mitarbeitern“, sagt Markotten.

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Erleichtert wird neben der Zugplanung auch die Instandhaltung der Züge. So erkennen kameragestützte Systeme schon vor der Einfahrt in ein Werk, ob es Schäden am Oberbau gibt. Kein Monteur muss auf das Dach klettern und selbst nachschauen. So können fällige Arbeiten schon vorbereitet werden, bevor der Zug in der Halle eintrifft. Auch das spart Zeit und bringt das rollende Material schneller wieder auf die Gleise zurück. Zu einem Jobabbau werde die KI bei der Bahn nicht führen, versichert Markotten. Eher ist das Gegenteil der Fall. Allein in diesem Jahr stellt das Unternehmen 25.000 neue Leute ein, darunter sind allen 1200 IT-Spezialisten.