Berlin/Leipzig. Bunte Wiesen voller Schmetterlinge – in Deutschland dieses Jahr eher offenbar selten. Experten erklären, was dahinterstecken könnte.

Von der Raupe bis zum bunten Schmetterling – Schmetterlinge selbst „züchten“ ist in vielen Familien beliebt und wird auch mit den Schülerinnen und Schülern gerne in der Grundschule gemacht. Gerade für Kinder ist das nicht nur faszinierend, die Insekten und deren Entwicklung zu beobachten, sondern auch lehrreich.

Sie machen sich mit dem Lebenszyklus und den Bedürfnissen der Schmetterlinge vertraut, lernen etwa was diese fressen. Und wenn die bunten Falter dann in die Freiheit entlassen werden können, ist das ein toller Erfolg und zudem hübsch anzuschauen.

Dieses Schauspiel bekommt man gerade in diesem Jahr eher selten mit – so scheint es. Schmetterlinge, die durch den Garten oder den Park fliegen, gab es im Sommer weniger als zuvor. Zumindest wurden in Deutschland offenbar weniger der bunten Falter gesichtet.

Schmetterlings-Rückgang: Erste Indizien und Beobachtungen

„Wir haben Indizien und hören von Beobachtungen, dass es weniger Schmetterlinge gibt in diesem Jahr“, sagt Martin Musche vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Er warnt jedoch vor frühzeitigen Schlüssen. Wirklich belegt sei ein bundesweiter Schmetterlingsrückgang in diesem Jahr bisher nicht.

Musche analysiert die Daten des Projektes Tagfalter-Monitoring Deutschland, für das Freiwillige seit mehr als 15 Jahren rund 500 fest eingerichtete Strecken bundesweit begehen. Dabei zählen sie tagaktive Schmetterlinge, um Bestandsdaten zur Entwicklung von 70 bis 80 Arten zu erheben.

Schmetterlinge, wie ewa dieser Weißklee-Gelbling, sind in Deutschland im Sommer eigentlich recht häufig anzutreffen.
Schmetterlinge, wie ewa dieser Weißklee-Gelbling, sind in Deutschland im Sommer eigentlich recht häufig anzutreffen. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Musche bittet noch um Geduld: „Für 2023 bekommen wir die Zahlen erst im nächsten Jahr.“ Allerdings deuten Ergebnisse aus Aktionen des Naturschutzbundes (Nabu) schon jetzt auf schlechte Schmetterlings-Zeiten hin. „Abflug vieler Falter“, berichtete der Nabu im Juni über das Projekt „Insektensommer“, für das jeder Sechsbeiner-Sichtungen melden kann.

Unterschiede je nach Schmetterlingsart

Da dieses Vorgehen im Gegensatz zum Tagfalter-Monitoring nicht standardisiert ist, müssen die Ergebnisse aus Sicht von Wissenschaftlern achtsam interpretiert werden. „Man kann sie als Indizien werten: Welche Arten sind gut vertreten, welche nicht? Aber es ist relativ schwierig, auf dieser Datenbasis Vergleiche zwischen den Jahren zu ziehen“, sagt Musche.

Karl-Heinz Jelinek ist Schmetterlingsexperte beim Nabu in Nordrhein-Westfalen und liefert auch ehrenamtlich Daten für das Tagfalter-Monitoring des UFZ. Auf seinen Strecken sei die Lage Mitte August „gar nicht mal so schlecht“ gewesen, berichtet er.

Ein großer Nutzen, den Fachleute in der Nabu-Zählaktion sehen, ist die Sensibilisierung für das Thema Insekten. So hatte etwa in eine Studie von 2017 für Aufsehen gesorgt. Ehrenamtliche Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld, beobachtet damals, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten in Teilen Deutschlands von 1989 bis 2016 um mehr als 75 Prozent abgenommen habe.

Die Falterart Kaisermantel ist von Mitteleuropa über Asien bis nach Japan verbreitet. Die Population der Schmetterlinge ändert sich jährlich. Dabei spielen Faktoren wie das Klima oder Parasiten eine Rolle.
Die Falterart Kaisermantel ist von Mitteleuropa über Asien bis nach Japan verbreitet. Die Population der Schmetterlinge ändert sich jährlich. Dabei spielen Faktoren wie das Klima oder Parasiten eine Rolle. © Peter Hanke

Auch wenn das Tagfalter-Monitoring noch nicht so lange läuft, sieht man laut Musche über alle berücksichtigten Arten hinweg seit Mitte der 2000er-Jahre aber ebenfalls einen leichten Rückgang der Individuenzahl. Dieser betrage etwa zehn Prozent, so der Experte.

Die Trends entwickelten sich auch nicht bei allen Arten gleich. „Wir haben Gewinner und Verlierer“, sagt Musche. Wärmeliebende Arten profitierten von der Klimaerwärmung. „Der Karstweißling, ein Einwanderer aus dem Mittelmeergebiet, hat sich in den vergangenen Jahren über ganz Deutschland ausgebreitet.“ Und der Brombeer-Perlmutterfalter tauche entlang des Rheins immer weiter nördlich auf. Entscheidend sei in solchen Fällen nicht allein das Klima, sondern es brauche auch die passenden Biotope.

Populationen schwanken: So können Sie den Faltern etwas Gutes tun

Als Verlierer gilt etwa die Schmetterlingsart Schornsteinfeger. Diese zählte einst zu den häufigsten Tagfaltern in Deutschland. „Von einem Einbruch im Dürrejahr 2018 hat sich die Art bisher nicht wieder erholt. Insbesondere in vielen Gebieten des Tieflandes sucht man sie vergeblich“, sagt Musche.

Den möglichen Schmetterlingsrückgang in diesem Jahr wollen Fachleute nicht überbewerten. „Singuläre Ereignisse können dafür sorgen, dass es in einem Jahr besonders viele oder besonders wenige Schmetterlinge gibt“, erklärt der Experte. Aussagekräftiger sei die längerfristige Entwicklung.

Jelinek betont, dass Populationen von Jahr zu Jahr stark schwanken: „Wenn es in einem Jahr extrem schlecht ist, kann es im nächsten Jahr trotzdem wieder super sein.“ Eindeutige Gründe für Zu- und Abnahmen lassen sich dabei nicht immer benennen. Wettereinflüsse wie starker Frost im Winter oder ein kühles Frühjahr können eine Rolle spielen, aber etwa auch Parasiten.

Wie groß eine Population ausfällt, hängt auch von der Entwicklung der Larven im Vorjahr ab. 2022 sei es in vielen Regionen hierzulande extrem trocken gewesen – mit der möglichen Folge, dass Larven verhungerten, weil ihre Wirtspflanzen litten, wie Jelinek sagt. „Auch Landschaftsveränderungen, Biotopzerstörung, Überdüngung und Pestizideinsatz spielen eine Rolle.“

Kann man Tagfaltern durch Anpflanzungen etwas Gutes tun? Ja, sagt Experte Jelinek – wenn man auf einheimische Arten setze, die viel Nektar bieten. Vom beliebten Schmetterlingsflieder, der nach Nabu-Angaben ursprünglich aus China stammt, rät er ab, da er andere Pflanzen verdrängen könne. (fmg/dpa)

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