Braunschweig. Mario Krause, Chef einer Cybercrime-Einheit Braunschweig, spricht über seine Arbeit.

Im Darknet surft man weitgehend anonym. Die Freiheiten, die sich daraus ergeben, nutzen auch Kriminelle für sich. Mario Krause ist Leiter der „Task-Force Cybercrime/Digitale Spuren“, einer Sondereinheit der Braunschweiger Polizei. Im Interview mit Andreas Eberhard erklärt der 37-Jährige, welche Bedeutung des Darknet für seine Arbeit hat.

Erst vor zwei Wochen wurde ein mutmaßlicher Drogendealer in Gifhorn gefasst, der seine Ware im Darknet kaufte. Wie wichtig ist das Darknet mittlerweile für Bereiche der Kriminalität?

Für Kinderpornografie spielt es eine große Rolle, davon bin ich überzeugt. Für den Betäubungsmittelhandel auch. Wie groß diese Bedeutung ist, kann aber niemand abschließend sagen, weil dort keine Überwachung stattfindet. Das ist technisch auch nicht möglich. Aber dass das Darknet eine Bedeutung hat, sehen wir immer dann, wenn wir Täter dingfest machen und deren Rechner auswerten.

Wie hoch ist der Anteil krimineller Inhalte im Darknet?

Auch hierzu gibt es natürlich keine verlässlichen Zahlen. Aber die Schätzungen sowohl des Bundeskriminalamts als auch der Landeskriminalämter liegt bei etwa 50 Prozent kriminellen Inhalten.

Wie leicht ist es denn, sich im Dark-net zum Beispiel eine Waffe zu bestellen?

Das ist kinderleicht. Hierzu braucht es kein besonderes Know-How. Wer eine Waffe bestellt und in Vorkasse geht, kann allerdings nicht sicher sein, dass die Bestellung auch bei ihm ankommt. Wer auf diese Art betrogen wird, wendet sich damit kaum an uns. Deswegen wissen wir auch nicht, welche Shops – in Anführungszeichen – „verlässlich“ sind.

Steckt hinter solchen Angeboten auch die Polizei als Lockvogel?

Nein, wir bieten keine strafrechtlich relevanten Dinge an. Wir setzen auch keine Seite mit Kinderpornografie auf, um pädophile Täter abzufangen. Das ist rechtlich auch nicht zulässig.

Sehen Sie es kritisch, wenn wir unseren Lesern erklären, wie man ins Darknet gelangt?

Nein, überhaupt nicht. Erstens kann jeder mit Hilfe einer einfachen Google-Suche dafür Anleitungen finden. Und zweitens: Die Vorstellung, die dahinter steckt – eine freie Welt mit freier Meinungsäußerung – die unterstütze ich ja auch. Das ist ja die eigentliche Intention beim Darknet.

Und wenn durch die Freiheit rechtsfreie Räume entstehen?

Damit müssen wir als Sicherheitsbehörden aber auch als Gesellschaft umgehen: Einerseits steht uns Freiheit zur Verfügung. Andererseits gibt es Leute, die dieses Gut illegal für sich ausnutzen. Aber das macht das Darknet nicht zum rechtsfreien Raum.

Trotzdem gilt das Darknet weltweit als einer der am stärksten staatlich überwachten Bereiche im Internet. Macht sich nicht schon verdächtig, wer sich dort aufhält?

In Ländern ohne Pressefreiheit ist das so, aber nicht bei uns in Deutschland. Unter Beobachtung steht man gegebenenfalls dann, wenn man Webseiten mit strafbarem Inhalt besucht – zum Beispiel Seiten mit Kinderpornografie. Aber das gilt unabhängig davon, ob jemand im Darknet oder im normalen Internet unterwegs ist.

Wie ist es überhaupt technisch möglich, im anonymen Darknet zu ermitteln?

Alle Details unserer Arbeit werde ich Ihnen logischerweise nicht preisgeben. Aber natürlich bewegen wir als Polizei uns auch im Darknet. Wer sich in ein Forum für Kinderpornografie begibt, muss damit rechnen, dass einer der 200 anderen Nutzer dort kein Pädophiler ist, sondern einer meiner Kollegen.

Welche Rolle spielt das Darknet für Ihre Arbeit?

Eine untergeordnete – sowohl für meine Einheit als auch deutschlandweit. Im Darknet findet Kriminalität statt, aber massenhafte Ermittlungen gibt es hier nicht. Wir sind mit der normalen Internetkriminalität so ausgelastet, dass wir hier weniger aktiv sind. Ermittlungen im Darknet sind zwar nicht unmöglich, aber sehr zeit-, hardware- und arbeitsaufwendig. Aus diesen pragmatischen Gründen stellen wir Ermittlungen im Darknet eher hintan.

Ihre Sondereinheit trägt das Wort „Cybercrime“ im Namen. Was genau bedeutet dies?

Wir unterscheiden zwischen Cybercrime im weiteren Sinne – ganz allgemein, wenn das Internet eine Rolle bei der Tat spielt – und im engeren Sinne: wenn das Internet elementarer Teil der Tat ist, etwa bei einem Trojaner-Angriff. Eine verbindliche rechtliche Definition gibt es hier aber noch nicht. Die Gesetzgebung rennt der digitalen Welt hinterher.

So funktioniert’s

Das Darknet ist ein Bereich des Internets, der nicht mit herkömmlichen Browsern wie Firefox, Chrome oder dem Internet-Explorer eingesehen werden kann. Auf einen großen Teil des Darknets kann man über das Netzwerk „Tor“ zugreifen.

Die Zwiebel: Im Tor-Netzwerk werden Daten mehrfach verschlüsselt. Da die Verbindung zur Webseite nicht direkt, sondern über mehrere Verbindungs-Stationen hergestellt wird, kann der Nutzer weitgehend anonym surfen. Wie Schichten einer Zwiebel schützen die Stationen die Nutzerdaten.