Braunschweig. Sie wollen ein Zeichen gegen Topspiel-Zuschläge setzen. Die gibt‘s in Braunschweig erstmals. Für die Fans ist eine kritische Marke übertroffen.

Wenn der FC St. Pauli bei Eintracht Braunschweig gastiert, platzt der Gästeblock traditionell aus allen Nähten. Und auch im Heimbereich steigt bei diesen Partien das Stimmungsbarometer noch etwas höher als ohnehin schon. Wenn dann noch das Flutlicht brennt, ist die Bühne perfekt bereitet. So wie an diesem Freitag (18.30 Uhr), wenn das Zweitliga-Duell zwischen den beiden Traditions-Klubs ansteht. Allerdings wird es im Eintracht-Stadion trotzdem still bleiben. Zumindest in den ersten fünf Spielminuten.

Warum? Eintracht hat für die laufende Saison erstmals seine Heimspiele in die Kategorien A und B eingeteilt. Auf Tagestickets für die Kategorie-A-Partien wird ein Aufschlag von bis zu vier Euro erhoben. Das gilt auch für die Begegnung mit dem Kiez-Klub. Durch den Zuschlag wird eine für die Fans kritische Grenze gesprengt: die 20-Euro-Marke für Stehplätze.

Eintracht-Fans üben scharfe Kritik an Top-Zuschlägen

Aus der Braunschweiger Anhängerschaft gab es bereits reichlich Kritik an den Sonderzuschlägen. „Dass dieser Preis nun erstmals durchbrochen wurde, hat daher auch eine symbolische Wirkung“, sagte etwa Robin Koppelmann vom Awo-Fanprojekt vor einem Monat im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Fanabteilung der Eintracht werde das Durchbrechen der 20-Euro-Schallmauer beziehungsweise die Topzuschläge „zum Anlass nehmen, uns konstruktive Gedanken für zielführende Lösungen für die Saison 2024/2025 zu machen“, erklärte Mario Goldmann, Leiter der Fanabteilung. Außerdem wurde unter den Fans diskutiert, wie diese Thematik im Laufe der Saison aufgegriffen werden könnte – etwa durch Proteste.

Beim Spiel gegen St. Pauli – dem ersten Kategorie-A-Spiel der Saison – ist es nun so weit. Wie die Braunschweiger Ultras auf ihrer Website bekanntgaben, werden sie in den ersten fünf Spielminuten „auf die optische und akustische Unterstützung verzichten“. Zudem haben die Fans eine geplante Choreo abgesagt, „da wir nicht bereit sind, das ,Topspiel‘ durch eine große Kurvenshow aufzuwerten“.

Die Mannschaft sei über dieses Vorhaben informiert. „Wir betonen dabei, dass wir niemandem aufdiktieren wollen, wie man sich in dem Thema zu verhalten hat, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wirkung des Protestes umso größer ist, wenn das gesamte Eintracht-Stadion in den ersten fünf Minuten an einem Strang zieht“, heißt es in dem Cattiva-Statement weiter.

Ultras Sankt Pauli rufen zum Boykott auf

Auch die Ultras Sankt Pauli haben zum Boykott aufgerufen. „Beim Spiel in Braunschweig werden wir die ersten 5 Minuten des Spiels vor dem Block verbringen, um dann gemeinsam, geschlossen und lautstark den Block zu betreten“, heißt es in einer Mittelung der Fans. Die Pauli-Anhänger wollen damit Protest üben – gegen die steigenden Ticket-Preise.

Mehr zu Eintracht Braunschweig:

20-Euro-Marke geknackt

Die St.-Pauli-Fans befürchten, es könne irgendwann „englische Verhältnisse“ in deutschen Stadien geben. Dort kostet bei Premier-League-Spielen das günstigste Ticket gerne einmal mehr als 40 Euro. Fabian Hürzeler zeigte Verständnis für den Fan-Boykott: „Ich akzeptiere und respektiere die Entscheidung unserer Fans. Ich liebe unsere Fan-Gemeinschaft hier. Ich werde meinen Jungs aber nicht sagen, dass sie in den Anfangsminuten nicht treffen sollen“, sagte der St.-Pauli-Trainer.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Keine Pauli-Fankleidung auf der Gegengerade des Eintracht-Stadions erlaubt

Eintracht ist sich der Unpopularität dieser Maßnahme bewusst, führt aber finanzielle Zwänge als Begründung dafür an. Höhere Miet- und Pachtzahlungen, gestiegene Energie- und Verbrauchskosten, Erhöhung der Mindestlöhne – das seien einige der Gründe, weshalb Eintracht sich für die Kategorisierungs-Variante entschieden habe, heißt es vom Klub.

Die Fans stören sich nicht nur an dem Zuschlag an sich, sondern auch am internen Vorgehen des Klubs. „Kritisiert wurde vielmehr die interne Kommunikation, hier fühlten sich insbesondere die aktiven Fans vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagte Koppelmann. Vor der Veröffentlichung der Kategorisierung habe der Klub verschiedene Fan-Institutionen zum Gespräch geladen – sie dann aber vor vollendete Tatsachen gestellt, lautet die Kritik.

Ultras wünschen sich Dialog auf Augenhöhe – Eintracht sah nur eine Alternative zu Zuschlägen

Von den Braunschweiger Ultras heißt es dazu: „Uns zu einem Gespräch einzuladen, bei dem das Ergebnis schon im Vorhinein feststeht, hat mit Dialog auf Augenhöhe nichts zu tun. Wer sich einen transparenten Dialog mit der aktiven Fanszene auf die Fahne schreibt, sollte bei einem so sensiblen Thema, nicht erst einen Tag vor der Veröffentlichung in die Kommunikation gehen, sodass kein Spielraum mehr für Alternativ-Vorschläge vorhanden ist.“

Eintracht ist sich über das Unverständnis der Anhängerschaft im Klaren. Die Fan-Organisationen hätten sich „einhellig gegen Modelle mit Topzuschlägen ausgesprochen“, hieß es in einer Mitteilung. Alternativ aber hätten die Preise für Dauer- und Tageskarten noch weiter angehoben werden müssen.

Zudem hat Eintracht Braunschweig die Anhänger des Gästeklubs darauf hingewiesen, dass in „den Blöcken 5 bis einschließlich 16 ist das Tragen von gasterkenntlicher Fankleidung verboten“ ist. Der Klub will mit dieser Maßnahme deeskalierend einwirken. Schon beim Zweitliga-Spiel gegen Schalke 04 (1:0) hatte es diese Vorgabe gegeben. Verschiedene Fans kritisierten dieses Vorgehen. Selbst Kinder durften das Stadion nur betreten, nachdem sie ihre Schalke-Trikots falsch herum angezogen hatten. Allerdings gibt es auch Eintracht-Fans, die diese Maßnahmen begrüßen. Ein Leser unserer Zeitung sagte nach dem Schalke-Spiel: „Ich halte es für richtig, was der Verein gemacht hat. Keine Gästefans auf der Gegengrade.“