Braunschweig. Die Leichtathleten möchten die Corona-DM im Eintracht-Stadion durchziehen und haben das Konzept vorgelegt. Doch will Braunschweig das Notprogramm?

Ohne Corona hätte jetzt ein tolles Leichtathletik-Fest in Braunschweig begonnen: Am Donnerstag Stabhochsprung vor einer eigens aufgebauten Tribüne mit 3500 Zuschauerplätzen auf dem Schlossplatz, dann am Freitag der Nachtlauf durch die Innenstadt und am Wochenende der Rest der deutschen Meisterschaften mit Olympia-Qualifikation vor vollen Rängen im Eintracht-Stadion. Doch das alles fällt bekanntlich aus, und nun wird hinter den Kulissen darum gerungen, ob Anfang August an gleicher Stelle Geister-Titelkämpfe stattfinden sollen.

„Uns geht es wie dem Fußball“

„Wir würden das gerne durchführen“, betont DLV-Eventdirektor Marco Buxmann. Der Deutsche Leichtathletik Verband möchte seinen Spitzenathleten auf deren Wunsch hin unbedingt noch eine so genannte „Late Season“ mit Wettkämpfen bieten, damit auch seine Sponsoren und TV-Partner zufriedenstellen und die Sportart im Gespräch halten. „Da geht es uns wie dem Fußball und anderen auch“, sagt Buxmann.

ARD und ZDF wollen übertragen

Die Meisterschaften in Braunschweig, auch wenn sie ohne Publikum stattfinden müssten, sollen den Höhepunkt einer späten Saison bilden und könnten zumindest für ARD und ZDF halbwegs attraktiv sein. Die öffentlich-rechtlichen Sender suchen händeringend Livesport-Bilder, da ihnen in diesem Sommer schon die Fußball-EM und die Olympischen Spiele mit hunderten von Stunden Übertragungszeit weggebrochen sind. Beide Sender hätten signalisiert, dass sie am 8. und 9. August, dem vom internationalen Verband für nationale Meisterschaften vorgesehenen Zeitfenster, aus dem Eintracht-Stadion übertragen könnten, berichtet der DLV-Veranstaltungsleiter. „Und das wäre ja sehr gut für uns.“

Braunschweig allerdings hätte wohl nicht so viel davon, wenn täglich zweieinhalb Stunden aus dem leeren Stadion gesendet würde. Die tollen Bilder von Top-Leistungen vor einer bunten, emotionalen Kulisse ausverkaufter Ränge, die aufs Konto des Stadtmarketings einzahlen würden, wird es nicht geben. Ebenso wenig wie positive Eindrücke tausender anreisender Gäste aus der deutschen Leichtathletik-Szene.

Zuschlag auch für 2021 gefordert

Stadtsportbund-Präsident Otto Schlieckmann hat sich deshalb bereits klar positioniert: Wenn Braunschweig nun in den sauren Apfel beißt und mit hohem finanziellen und ehrenamtlichen Aufwand solche Geister-Meisterschaften stemmt, dann müsse die Stadt auch im nächsten Jahr nochmal die „richtigen“ Titelkämpfe, die echte „Road to Tokio“ austragen dürfen, fordert Schlieckmann, der auch Mitglied des DM-Organisationskomitees ist.

Als sich Manfred Mamontow (DLV), Christian Geiger (Stadt Braunschweig), Martin Wierig (Diskuswerfer), Marco Buxmann (DLV-Eventdirektor) und Andreas Ull (NLV, von links) im Oktober zur DM-Werbung im Eintracht-Stadion aufstellten, ahnten sie noch nicht, dass die Ränge auch während der Titelkämpfe leer bleiben.
Als sich Manfred Mamontow (DLV), Christian Geiger (Stadt Braunschweig), Martin Wierig (Diskuswerfer), Marco Buxmann (DLV-Eventdirektor) und Andreas Ull (NLV, von links) im Oktober zur DM-Werbung im Eintracht-Stadion aufstellten, ahnten sie noch nicht, dass die Ränge auch während der Titelkämpfe leer bleiben. © Florian Kleinschmidt/BestPixels.de

Ob darüber konkret debattiert wird, denn die Meisterschaften 2021 sind eigentlich bereits nach Kassel vergeben, ist unklar. Die Beteiligten geben sich wortkarg. Von der Stadt gab es nur eine allgemeine Stellungnahme, man wolle sich derzeit nicht äußern. Man verhandle intensiv mit dem DLV, aber es seien „noch eine Vielzahl von organisatorischen und rechtlichen Fragen zu den im Raum stehenden unterschiedlichen Optionen zu klären.“

Aber auch wenn das niemand öffentlich sagen will: Die Lust der Braunschweiger Organisatoren, lediglich das diesjährige Notprogramm zu stemmen, ist nicht sehr ausgeprägt.

Corona: Trainingsbedingungen ganz unterschiedlich

Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Titelkämpfe sicherlich nicht das gewohnte sportliche Niveau entwickeln werden. Deutsche Meisterschaften gewinnen einen Teil ihres Reizes normalerweise dadurch, dass sich dort viele hochmotivierte Nicht-Kaderathleten mit der Elite messen können. Aber während die „Profis“ im Training größtenteils nur einen kurze Corona-Pause machen mussten, ehe sie wieder an ihre Stützpunkte durften, konnten viele eine Leistungsstufe darunter angesiedelte ambitionierte Athleten ihr Programm über Monate nicht durchziehen. Die Leistungsschere dürfte also ganz schön weit auseinandergehen.

Außerdem müsste das Programm der Titelkämpfe eingedampft werden. Für Werfer und Springer, die ihre Versuche ja jeweils einzeln durchziehen, dürfte es relativ leicht möglich sein, Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Sie haben in den vergangenen Wochen auch schon vereinzelt kleine Wettbewerbe ohne Zuschauer durchgeführt.

Corona: Mittelstrecken fallen weg

Doch die Mittelstrecken, also 1500 Meter, 3000 Meter Hindernis und die 5000-Meter-Strecke, bei der sich Braunschweigs Ass Sebastian Hendel Chancen ausgerechnet hatte, müssten wegen des Starts im Pulk und des Körperkontakts im Positionskampf gestrichen werden, wie Buxmann einräumt. Die 800-Meter-Läufer sollen mit einer größeren Kurvenvorgabe in ihren Bahnen bleiben können, die Sprinter normal starten.

Blaue Bahn ist saniert

Ein entsprechendes Durchführungskonzept unter Berücksichtigung der Corona-Hygieneregeln hat der Verband beim Land Niedersachsen und der Stadt Braunschweig vorgelegt. „Das wird aktuell geprüft, und wir warten auf die Rückmeldungen“, sagt Buxmann und hofft auf einen Zuschlag. „Das keine Zuschauer dabei sein können, ist schade für alle Beteiligten“, sagt er. „Aber in diesen Meisterschaften steckt jetzt ein Jahr Arbeit drin, da wäre es doch bedauerlich, wenn sie ausfallen müssten.“

An den Bedingungen im Eintracht-Stadion wird es nicht scheitern. Die blaue Bahn ist fertig saniert, nur die Linien fehlen noch. „Alles ist, wie es sein muss“, betont Stadion-Chef Stephan Lemke.

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