Essen. Das Oberverwaltungsgericht in Bremen nimmt Veranstalter in die Pflicht.

Bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt hatten sie das Unheil schon geahnt. Nicht ein Präsidiumsmitglied war anwesend, nicht einmal Ligapräsident Reinhard Rauball, als das Oberverwaltungsgericht in Bremen den deutschen Klubfußball gestern in seinen Grundfesten erschütterte. Stoisch nahm Rechtsanwalt Bernd Hoefer, ein Verwaltungsexperte aus Kiel, das Urteil stellvertretend zur Kenntnis: Die DFL soll Polizei-Einsätze bei Risikospielen doch bezahlen.

Die knappe Führung aus dem Hinspiel in erster Instanz wurde damit im Rückspiel ausgeglichen. Der Rechtsstreit geht ins Entscheidungsspiel: Die Liga lässt das Urteil in der nächsten Instanz vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig prüfen. Es steht weit mehr auf dem Spiel als der ursprüngliche Gebührenbescheid über 425 718,11 Euro, den die Bremer Innenbehörde nach einem HSV-Gastspiel am 19. April 2015 an die DFL geschickt hatte. Amateurfußball, Karneval und sogar Schützenfeste: Ab wann müssen Veranstalter für ihre Sicherheit selbst bezahlen?

Wer ist für die Sicherheit zuständig?

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagt: „Es bleibt die Aufgabe des Staates, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten“, so Präsident Reinhard Grindel. Der Innensenator in Bremen hält dagegen: „Wenn man sehr viel Geld mit der Durchführung der Liga verdient, ist es angemessen, nicht alle Kosten der Allgemeinheit in Rechnung zu stellen“, sagte Ulrich Mäurer. Die DFL meldete erst vergangene Wochen einen Rekordumsatz von vier Milliarden Euro.

Das Gesetz, auf das sich das Oberverwaltungsgericht bezogen hat, verlangt Kostenbeteiligungen bei „kommerzorientierten Großveranstaltungen mit über 5000 Besuchern“, bei denen „erfahrungsgemäß vermehrt Gewalthandlungen“ drohen.

Bisher übernahm der Staat wie selbstverständlich die Mehrkosten. „Ob sich aus dem Bremer Urteil auch für andere Bundesländer eine neue Bewertung ergibt, muss man sehen“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in einer Stellungnahme vorsichtig. Er will Zeit gewinnen: Die Berufung in Leipzig wird, so vermutet man bei der DFL, weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Amateure in Existenz bedroht .

Die Bundesliga kann sich die Mehrkosten problemlos leisten. Schon kursieren Pläne, wonach die Eintrittskarten um den Sicherheitszuschlag von einem Euro und mehr verteuert werden könnten. Anders in der Dritten Liga oder in der Regionalliga, wo regelmäßig Risikospiele mit gewaltbereiten Zuschauern stattfinden. Viele unterklassige Vereine haben kaum Sponsoren und müssen um jeden Euro kämpfen. „Die wären in ihrer Existenz bedroht“, weiß man beim DFB.

„Der Fußball ist nicht Störer - Störer sind Gewalttäter, die die Plattform des Fußballs ausnutzen“, sagt deshalb Präsident Grindel und weist jede Verantwortung von sich: „Der Kampf gegen Gewalt darf nicht privatisiert und kommerzialisiert werden, sondern ist Aufgabe der Polizei.“ Bei Risikospielen sind fast tausend Beamte im Einsatz; viermal mehr als üblich. Kosten: knapp über 400 000 Euro. Macht bei fünf Risikospielen pro Saison zwei Millionen Euro pro Klub.

Polizeigewerkschaft begrüßt das Urteil

Die Deutsche Polizeigewerkschaft beziffert die Kosten für den Schutz von Fußballstadien auf rund 100 Millionen Euro Steuergeld pro Saison, wie der Vorsitzende Rainer Wendt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vorrechnete. Er berüßt das Bremer Urteil: „Beim Fußball laufen 20-jährige Millionäre in kurzen Hosen über den Rasen, und für die Einsatzkräfte ist kein Geld da – das kann nicht sein.“ Die Rechnung ginge jedesmal an die DFL, und die leitet sie an den Verein weiter oder zieht den Betrag vom TV-Geld ab.

Boris Pistorius will am Status Quo festhalten

Das Land Niedersachsen will seine Fußball-Clubs auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen nicht an den Kosten von Polizei-Einsätzen bei Hochrisikospielen beteiligen. „Die Position der Landesregierung - die auch durch den Koalitionsvertrag bekräftigt wurde - bleibt durch das heutige Urteil unberührt. Sicherheit im öffentlichen Raum ist Sache des Staates“, teilte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius am Mittwochabend mit.
Eine Kostenbeteiligung der DFL strebe Niedersachsen deshalb auch zukünftig nicht an. „Niedersachsen vertritt die klare Position, dass die Herstellung öffentlicher Sicherheit und Ordnung nicht davon abhängig sein darf, wer dafür zahlt oder gar wer es sich leisten kann dafür zu zahlen“, erklärte Pistorius.