Salzgitter. Die einen fuhren nach Braunschweig, die anderen „entschleunigen den Verkehr“. Wo es stockt und wo es läuft auf Salzgitters Straßen.

Im ganzen Stadtgebiet sind die Landwirte Salzgitters seit dem frühen Montagmorgen unterwegs, um immer wieder an entscheidenden Stellen den Verkehr „zu entschleunigen“. Viele haben sich dem bundesweiten Protestaufruf angeschlossen. „So viele wie nie zuvor“, sagte Salzgitters Kreislandwirt Andreas Schrader am Montagmorgen. Während unseres Gespräches war er mit seinem Trecker zwischen Salzgitter-Bad und der Immendorfer Kreuzung unterwegs. „Wir pendeln hier in einer kleineren Gruppe hin und her und entschleunigen den Verkehr unter den wachsamen Augen der Polizei.“

Salzgitters Landwirte sind am Montag in kleinen Gruppen überall im Stadtgebiet unterwegs

In ganz Salzgitter seien seine Berufskollegen unterwegs, berichtete Schrader zufrieden. Einige seien auch zu den großen Kundgebungen der Region zum Beispiel nach Braunschweig oder Hildesheim gefahren. Die Masse aber sei wohl in kleinen Gruppen auf den Straßen Salzgitters unterwegs. Das Ziel der Landwirte: „Wir wollen Beachtung und Wertschätzung. Die letzten geplanten Kürzungen der Regierung haben das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Es sind so viele Dinge, die uns das Leben und Arbeiten schwer machen: das Düngemittelrecht, die Bestimmungen zum Pflanzenschutz, die Vorgaben zu Flächenstilllegungen und der ganze Bürokratiewahnsinn“, sagte Schrader. All das, was von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen verlangt werde, „können wir gar nicht mehr erbringen“.

Begonnen hatten die „Entschleunigungs-Maßnahmen“ der Landwirte am frühen Morgen. So waren sie zum Beispiel auf der Nord-Süd-Straße, der B 248 und B 6 sowie der Industriestraße Nord unterwegs. Hier sorgten sie für erhebliche Behinderungen in Richtung des Volkswagen-Werkes. Aber auch an vielen anderen Punkten im ganzen Stadtgebiet stockte es. Frei blieben hingegen die Auf- und Abfahrten zur A 39 im gesamten Stadtgebiet. Die Proteste sorgten an einigen Stellen im Berufsverkehr für Staus und Verzögerungen, insgesamt aber blieb es relativ ruhig in Salzgitter. Das bestätigte auf Nachfrage am späten Vormittag auch Polizei-Sprecher Malte Jansen: „In Salzgitter war es insgesamt bisher friedlich und ruhig. Bei uns in der Polizeiinspektion lagen die Schwerpunkte der Proteste in Peine und Wolfenbüttel an den Autobahnen.“

Von Lutter aus fuhren die Landwirte auf die B 248, um dort für Behinderungen und Staus zu sorgen.
Von Lutter aus fuhren die Landwirte auf die B 248, um dort für Behinderungen und Staus zu sorgen. © FMN | Andrea Leifeld

Doch zurück zu Salzgitters Landwirten. Warum ist Schrader konkret unterwegs? „Ich fahre hier für meinen Sohn, der Landwirtschaft lernt und den Betrieb eines Tages übernehmen soll. Und: Wir finden hier insgesamt in Salzgitter noch viel zu wenig Beachtung.“ Wenn es zum Beispiel um Neubaugebiete gehe, sei der Acker weg. Wenn es um grünen Stahl und ein neues Umspannwerk gehe, sei der Acker weg. „Das nimmt uns unsere Grundlage und sorgt unter anderem auch dafür, dass immer mehr Druck auf den Pachtmärkten für Ackerland entsteht“, erklärte Schrader.

Ein weiteres Problem, das den Landwirten das Leben schwer mache, seien die sogenannten roten Gebiete in Salzgitter. In diesen Bereichen sind laut Landwirtschaftsministerium an Messstellen erhöhte Nitratwerte im Grundwasser festgestellt worden. Die Folge: Der Einsatz von Dünger ist deutlich reglementiert. „Salzgitter besteht zu 60 Prozent aus roten Gebieten. Das bedeutet für meinen Betrieb zum Beispiel, dass ich zum Teil Weizen produziert habe, der nur als Futter zu verwerten ist“, erklärt Schrader.

Salzgitters Kreislandwirt: Übergriffe auf die Privatsphäre von Politikern sind nicht zu tolerieren

Eine klare Haltung hat Schrader zu den Ereignissen am Fähranleger Schlüttsiel, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Verlassen der Fähre gehindert wurde, oder als im Dezember vor dem Privathaus der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) protestiert wurde: „Übergriffe auf die Privatsphäre von Politikern sind nicht zu tolerieren. Das geht gar nicht.“ Und wie sieht es mit den Vorwürfen aus, die Proteste der Landwirte seien von rechtsextremen Kräften unterwandert? „Wir haben in den Gruppen, in denen wir uns organisiert haben, sehr genau aufgepasst. Hier und da flackerten auch rechte Parolen auf. Die Leute sind aber sofort aus den Gruppen geflogen“, betonte Schrader. „Davon distanzieren wir uns sehr klar.“

Es sind so viele Dinge, die uns das Leben und Arbeiten schwer machen: das Düngemittelrecht, die Bestimmungen zum Pflanzenschutz, die Vorgaben zu Flächenstilllegungen und der ganze Bürokratiewahnsinn.
Andreas Schrader - Salzgitters Kreislandwirt

An der Immendorfer Kreuzung erwischen wir dann Steffen Hohnschopp, ebenfalls Landwirt aus Salzgitter und im Bündnis „Land schafft Verbindung“ organisiert. Was die Ereignisse in Schlüttsiel oder vor dem Privathaus von Miriam Staudte angehe, habe er eine andere Meinung als Schrader: „Das wird doch alles nur von den Medien aufgebauscht. Ich habe Videos vom Fähranleger gesehen. Das war doch alles friedlich.“ Und auch die Aufregung um den Protest vor Staudtes Haus könne er nicht verstehen: „Das war gar kein Problem, hat auf öffentlicher Straße stattgefunden. Ich würde niemanden in seiner Privatsphäre stören. Aber das war alles übertrieben.“

Die Reaktionen auf die Proteste in Salzgitter seien am Montag bisher positiv gewesen, vermeldete Hohnschopp. „Auch die Polizei hat ganz in Ordnung reagiert“, ergänzte er. Erreichten wollte er mit seinem Protest eine „Politikänderung“. „Die Steuerbelastungen sind für alle viel zu hoch. Nicht nur für uns Landwirte. Es haben sich uns auch etliche andere Branchen angeschlossen. Spediteure zum Beispiel. Aber auch Privatleute. Insgesamt aber könnten sich hier mehr unserem Protest anschließen. Er ist noch verhalten.“