Wolfsburg. Selbsthilfegruppen sind für viele Menschen unverzichtbar geworden – das Gespräch und der Austausch stehen auch bei der KISS in Wolfsburg im Fokus.

Einmal, da hat sie ihr Mann im Schlaf aus dem Bett getreten. „Plötzlich lag ich auf dem Boden“, erinnert sich Xiangyang Hernier. Die 51-Jährige leitet die Selbsthilfegruppe Morbus Parkinson, die bei der Wolfsburger Selbsthilfekontaktstelle KISS angesiedelt ist. Heute weiß sie, dass es sich dabei um eine REM-Schlafverhaltensstörung handelt. Diese führt zu vermehrten Bewegungen im Traumschlaf und dadurch zu Verletzungen des Bettpartners. „Dabei werden meistens auch Lautäußerungen hörbar, oft Schreien oder Sprechen“, berichtet Xiangyang Hernier. Wäre sie nicht in die Gruppe gegangen, das Verhalten ihres Mannes würde ihr noch heute Rätsel aufgeben.

Austausch ist ein zentrales Element

Selbsthilfegruppen bieten die Basis, um aus eigner Kraft Lösungen für ganz bestimmte Probleme zu suchen – da ist sich Axel Pieper sicher. „Das Gespräch, der Austausch, ist dabei das zentrale Element“, betont der Diplom-Sozialpädagoge. Der 50-Jährige leitet seit 2020 die Selbsthilfekontaktstelle KISS, die in dem runden Gebäude des Paritätischen Wolfsburg in der Saarstraße 10a beheimatet ist. Gerad erst hat die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. 1992 ging KISS-Gründerin Marina Nowotschyn aus einem sechs Quadratmeter großen Büro heraus mit einer Handvoll Selbsthilfegruppen an den Start – heute betreuen Pieper, Melanie Reuschel und Anette Klarmann an die 100 Gruppen.

Auch bei der Gründung von Gruppen unterstützt die KISS

50 davon treffen sich derzeit regelmäßig im gelben Haus des Paritätischen, welches neben einem großen Saal – in dem bis zu 40 Personen Platz haben – noch zwei weitere kleinere Gruppenräume für maximal zwölf Teilnehmer bietet. Hauptaufgabe von Pieper und seinen Mitarbeiterinnen ist es, Betroffene zu unterstützen, zu vernetzen und ihnen bei der Gründung von Gruppen unter die Arme zu greifen: „Im Idealfall erklärt sich ein Gründungswilliger bereit, die Verantwortung für eine Gruppe zu übernehmen und versichert, dass er zuverlässig für das kommende Halbjahr regelmäßig zu den Treffen kommt. Die restliche Organisation übernehmen dann wir.“

Auch junge Leute suchen Hilfe in der Selbsthilfe

„Wir unterstützen die Gruppen bei der Suche nach Referenten und in Konfliktsituationen. Wir bieten Fortbildungen an und sind mit anderen Sozialeinrichtungen und dem Gesundheitsamt vernetzt“, erläutert der KISS-Leiter. Zudem werden verschiedene mediale Hilfsmittel zur Verfügung gestellt: Kopierer, Konferenzsystem, Fernseher, Stereoanlage, mobiler CD-Spieler, Beamer und Projektionswand, Flipchart. Gerade erst haben sich junge Erwachsene mit Angst und Depressionen zum ersten Mal getroffen, seit dem Sommer kommen in der Gruppe „leftover“ junge Einsame von 18 bis 35 Jahren zusammen. Axel Pieper: „Ich schätze, dass sich spätestens Anfang des neuen Jahres eine Gruppe für von Long-Covid-Betroffenen gründen wird, erste Anfragen gibt es schon.“

Wohlfühl-Oase im Garten soll geschaffen werden

„Wer bei der Selbsthilfe mitmacht, kann sein Schicksal sofort und aktiv selbst in die Hand nehmen. Selbsthilfe ist kein Therapieersatz, aber eine gute Möglichkeit, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Selbsthilfe ist dabei aber keine Ansammlung trauriger Gestalten, die auf Stühlen im Kreis sitzen: Es gibt zwar viel Raum für ernste Themen, aber die Gruppenmitglieder teilen auch viel Schönes – wie beispielsweise Fahrten und Ausflüge – miteinander“, erklärt Axel Pieper.

In den nächsten Wochen wird die Neuauflage des Selbsthilfewegweisers in 8000er-Auflage gedruckt – alleine das kostet bis zu 10.000 Euro. Mit dem Geld aus dem Goldenen Herz soll im Garten eine „Wohlfühl-Oase“ geschaffen werden.

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