Braunschweig. Vor 30 Jahren startet in Deutschland der Mobilfunk: Unsere Volontärinnen und Volontäre erinnern sich, was Handys für sie damals bedeutet haben.

Handys sind heutzutage mehr als nur Telefone. Sie sind Werkzeuge für unseren Alltag. Mit den modernen Smartphones bedienen wir unzählige Social Media-Accounts, fotografieren das Mittagessen oder wickeln unsere Bankgeschäfte ab.

Der Anfang aber war bescheiden. 1992 ging das D-Netz an den Start. Kaum 100.000 Handys waren am Anfang angeschlossen. Doch es dauerte kaum sieben Jahre und die mobilen Telefone waren überall. Bis zum Jahr 2000 stieg die Zahl der Mobilfunkanschlüsse auf über 48 Millionen. Heute sind es in Deutschland über 100 Millionen.

Lieber Protzy als Handy?

Die Entwicklung war rasant. Auf das D-Netz folgte 1994 das E-Netz, folgten iPhones und Telefonieren über das Internet. Ab 2007 ändert das iPhone von Apple das Design von Telefonen generell. Die Ära des smarten Handys, dem tragbaren Minicomputer, war angebrochen.

Joel Fischer vom Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main.
Joel Fischer vom Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main. © Museum für Kommunikation | Stefanie Koesling

Dabei gab es bis 1992 nicht mal wirklich ein Wort für die mobilen Telefone. Über die Entstehung des Begriffes „Handy“ halten sich viele Mythen. Joel Fischer vom Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main bringt etwas Licht ins Dunkel: „Handy ist eine deutsche Wortschöpfung. Im Englischen bedeutet es ‘handlich’ oder ‘nützlich’ und soll im Deutschen eine bestimmte Griffigkeit anzeigen.“ Und er ergänzt: „Es war vermutlich einfach eine Modellbezeichnung eines frühen Herstellers, die sich fortgesetzt hat.“

Fakt ist, dass 1996 der Begriff „Handy“ die Gesellschaft für Deutsche Sprache auf den Plan ruft. Auf der Suche nach einem schöneren Wort für den verhassten Anglizismus gehen über 1000 Vorschläge ein: Calli, Rufli, Tragtel oder Protzy sind darunter. Nichts, was die Gesellschaft wirklich begeistert. Am Ende nimmt sie das „Handy“ resigniert als neues Wort in den Duden auf. Seitdem ist das Handy auch schwarz auf weiß ein Bestandteil der deutschen Sprache.

Das Smartphone als Gamechanger

Mit dem Smartphone änderte sich die Nutzung des Handys erneut grundlegend. Aber mitnichten war das iPhone aus Kalifornien das erste Smartphone. Denn tatsächlich wird das Smartphone dieses Jahr schon 25 Jahre alt. Eine Mischung aus digitalem Terminkalender (Personal Digital Assistant; kurz: PDA) und Handy ist ab 1996 der Nokia 9000 Communicator. Mit seinem Mix von Nutzungsformen gilt er heute als das erste Smartphone.

Und auch hier ist der Begriff Alltag geworden. Das liegt aber tatsächlich an Apples iPhone, das ab 2007 mit schlankem Design und gut zu bedienendem Touchscreen den ganzen Markt neu aufrollte. „Apple hat gezeigt, dass eine Design- und Nutzungsrevolution möglich ist“, sagt Joel Fischer, mit Blick auf die Zukunft. „Ich kann mir gut vorstellen, dass auch das Handy irgendwann durch eine Alternative abgelöst werden wird“, fügt er an.

Was das sein könnte, stünde freilich in den Sternen. Möglicherweise Geräte, über die man in die virtuelle Realität eintaucht, wie Mark Zuckerbergs „Metaverse“. Vielleicht wird das Handy dann von Virtual-Reality-Brillen oder ähnlichem abgelöst. Die Zeit wird es zeigen.

Samsung GT-S5230: Ungeduld eines Zwölfjährigen

Zum 30-jährigen Mobilfunkjublläum hat Redaktionspraktikant Fabian Fleige sein altes Handy Samsung GT-S5230 herausgekramt.
Zum 30-jährigen Mobilfunkjublläum hat Redaktionspraktikant Fabian Fleige sein altes Handy Samsung GT-S5230 herausgekramt. © Börge Herkenhoff

Sehnsüchtig habe ich darauf gewartet: Nachdem ich zu Grundschulzeiten mit einem kleinen Handy von Nokia herumgelaufen bin, das mir meine Mutter „für Notfälle“ mitgegeben hat, konnte ich endlich 2012 meine Eltern überreden, mir mein erstes Handy mit Touchscreen zu kaufen. Touchscreen war damals das bahnbrechende „Must-have“. Kurz vor meinem zwölften Geburtstag fuhren wir zusammen zum Elektrofachhändler, wo ich mir zielstrebig ein Handy aussuchte.

Ohne jegliche Beratung in Anspruch genommen zu haben – was ich hätte tun sollen – entdeckte ich zuhause, dass das Handy nicht das Betriebssystem Android besaß. Im Grunde war es das einfache Nokia-Handy wie vorher, nur mit Touchscreen. Somit konnte ich nicht die Vielzahl an Spiele-Apps nutzen, mit denen sich meine Freunde und Freundinnen vergnügten. Da meine Eltern sowieso gegen den Kauf eines neuen Handys waren, bekam ich nun das Verbot für ein neues Handy oder gar einen Umtausch. Zwei zermürbende Jahre vergingen, bis ich mir endlich ein neues Handy zum Geburtstag wünschen konnte… diesmal musste es aber auf jeden Fall mit dem Android-Betriebssystem ausgestattet sein.

Nokia hat das 3310 neu aufgelegt.
Nokia hat das 3310 neu aufgelegt. © dpa | Andrea Warnecke

Nokia 3310: Allzweckwaffe im Teenager-Alltag

Es wog kaum 100 Gramm, hatte 260 Stunden Akkulaufzeit und war praktisch unzerstörbar. Das Mobiltelefon von Nokia aus dem Jahr 2000 hat bis heute einen Platz im kollektiven Bewusstsein der Generation, die in den 2000ern unter den Schulschreibtischen blind SMS tippen musste. Praktisch jeder hat eine Geschichte zu dem finnischen Handy parat. Ich selbst erinnere mich an verschiedene Stufen der Nutzung – sie spiegeln die Stufen meiner Pubertät.

Zunächst war da das Betteln und Flehen – wenn ich schon kein eigenes Telefon haben durfte, dann wenigstens Snake spielen auf Papas Handy? Es war das ideale Spiel, wenn der Gameboy nicht in Reichweite war. Eine Gameplay-Sensation. Später konnte ich mithilfe der patentierten T9-Technologie noch schneller SMS an meine erste große Liebe schreiben. Inklusive Anschiss der Eltern, wenn am Monatsende die Rechnung ins Haus flatterte. Kurz vor dem Abi – das alte Nokia war längst kalter Kaffee – waren viele trotzdem noch neidisch. Denn niemand konnte mit seinem Handy ein Bier öffnen. Für die nordische Allzweckwaffe ein Leichtes.

Das LG Cookie Plus kam 2012 heraus und war eines der ersten erschwinglichen Touch-Handys.
Das LG Cookie Plus kam 2012 heraus und war eines der ersten erschwinglichen Touch-Handys. © LG

LG Cookie: Mitschülern auf den Keks gehen

Ich habe als Schüler noch die alten Nokia-Handybananen mit T9-Bedienung mitbekommen. Doch mir als Digital Native war das Schreiben über das Ziffernblatt einfach zu kompliziert. Deshalb bin ich bei meinem ersten eigenen Handy direkt auf den Touch-Zug aufgesprungen. Das LG Cookie war 2012 eines der ersten erschwinglichen Touchhandys und dementsprechend unausgereift war die Technik. Der Marketing-Clou war ein Stift, mit dem die Nutzerin oder der Nutzer den Screen bedienen konnte. Das funktionierte nur so semi-gut, vor allem beim Zeichnen von Bildern mit einer entsprechenden App.

Meine Zeichen-Fähigkeiten, ohnehin im Entwicklungsstadium eines Grundschülers stehen geblieben, kamen auf dem Minibildschirm so noch schlechter zur Geltung. Doch das hinderte mich als Klassenclown nicht daran, Karikaturen meiner Mitschüler – es waren nur Jungs – zu zeichnen. Haben Sie schon mal ein krakeliges Bild von ihrem Kleinkind an den Kühlschrank geheftet? So sahen die Menschen darauf aus. Wobei, vielleicht ist das in ein paar Jahren ja auch abstrakte, digitale Kunst.

Nokia 7373: Ein Hingucker in Bronze

Vor 16 Jahren, genauer am 4. September 2006, erblickte eine neue Spielerei aus dem Hause Nokia das Licht der Welt. Das Modell 7373 aus der „L’Amour Collection“ war das erste Handy zum Schwenken – und auch das letzte. Verantwortlich für das Design zeigte sich kein anderer als der italienische Haute Couture-Schöpfer Giambattista Valli, den die Idee, das Mobiltelefon als Modeaccessoire zu begreifen, faszinierte.

Das Designer-Handy Nokia 7373 in Bronze.
Das Designer-Handy Nokia 7373 in Bronze. © wikimedia | lukasz_rostek

Für etwa 350 Euro erhielt man neben dem aufschwenkbaren Telefon auch Kopfhörer, eine Handytasche und einen Schmuckanhänger. In Bronze und Rosa erhältlich, war das Gerät mit 2-Megapixel-Kamera, 128 Megabyte Speicher und Akkulaufzeit für zweieinhalb Stunden Gespräche ausgestattet – aus heutiger Sicht also eine Katastrophe.

Die damaligen Besitzer bewerteten das selbstverständlich anders: „Ich habe jeden Tag Spaß an diesem Hingucker mit dem Aha-Effekt“, schrieb 2007 eine Nutzerin auf Amazon. „Es gibt Funktionen und Extras ohne Ende.“ Hach, wie einfach man damals noch zufriedenzustellen war. Speicherplatz für 20 Songs – und die Welt war in Ordnung.