Bei einem Wahlkampfauftritt muss sich Altkanzler Gerhard Schröder für sein geplantes Rosneft-Engagement rechtfertigen.

Rotenburg. Chuzpe hat Gerhard Schröder. „Das ist ein so teurer Stift, kann ich den behalten“, sagte der Altkanzler, der gerade wegen eines lukrativen Engagements in einem russischen Ölkonzern in die Kritik geraten ist, gestern Abend in Rotenburg (Wümme), als er sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug.

Der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil hatte den 73-jährigen Altkanzler zu einem Wahlkampfgespräch eingeladen. Klingbeil eröffnete das gut zweistündige Gespräch dann auch mit dem Thema, das derzeit viele bewegt: das Angebot an Schröder, Mitglied oder gar Aufsichtsratsvorsitzender des russischen Ölkonzerns Rosneft zu werden. Gelegentlich müsse man Dinge tun, die nicht gleich alle verstünden. Dann verteidigte der 73-Jährige unter Beifall des Publikums sein Engagement bei Rosneft. „Ich habe kein Problem damit.“ Es sei vernünftig, in einem internationalen Konzern mitzuarbeiten, der für eine sichere Öl-Versorgung arbeite.

Schröder wies zudem die Sorge zurück, Russlands Präsident Wladimir Putin könnte ihn für politische Ziele einspannen, wenn er Aufsichtsratschef von Rosneft sei. „Ich bin schwer zu benutzen und habe nicht den Eindruck, dass man mich benutzen will“, sagte der Altkanzler. Im Übrigen sei Rosneft „keineswegs der verlängerte Arm der russischen Regierung“, sagte Schröder.

Der Altkanzler warnte Deutschland, sich zu sehr von Russland abzuwenden. „Mir gefällt nicht alles in Russland, aber eine Dämonisierung Russlands hilft keinem.“ Viel wichtiger sei die Einbindung des Landes in die internationalen Beziehungen. Schröder ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich bei Rosneft engagieren werde. „Es geht um mein Leben – und darüber bestimme ich. Nicht die deutsche Presse.“ Zudem glaube er, sein Engagement diene den Interessen Deutschlands. Die USA mögen ein Interesse an einem instabilen Russland haben, sagte Schröder. Für die Europäer und besonders die Deutschen gelte vor allem eines: gute Beziehungen zu einem stabilen Russland seien gut. „Verglichen mit Herrn Trump ist Herr Putin ein hochrationaler Mann.“

Für die in den Umfragen schlecht dastehende SPD kommt die Debatte über das Engagement von Schröder zur Unzeit. Linke und Grüne schlachten das Thema genüsslich aus. Der Chef der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, forderte Schröder auf, auf seine Altkanzler-Privilegien – Sekretärin, Dienstwagen, Sicherheitsdienst – zu verzichten: „Entweder Altkanzler oder Ölbaron!“ Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir meinte: „Die SPD muss sich entscheiden: Steht sie für verantwortungsvolle Außenpolitik in Europa oder für Putin-Lobbyismus?“ SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz fährt einen Zickzack-Kurs. Anfangs sprach er von einer Privatsache Schröders. Als die Kritik nicht abriss, distanzierte er sich deutlicher und sagte: „Ich würde das nicht tun.“

Bereits seit dem Ende seiner aktiven Politikerkarriere ist Schröder Vorsitzender des Aktionärsausschusses für die Ostsee-Pipeline Nord Stream. Der russische Staatskonzern Gazprom hält die Mehrheit an dem Konsortium. Schröder weiß also, worauf er sich mit einem neuen Spitzenposten in Kreml­nähe einlässt. Er glaube nicht, dass er mit seinem Sitz im Aufsichtsrat seiner Partei schade. „Ich werde mich zur Wahl stellen, trotz aller Kritik, die ich für falsch halte.“