Braunschweig. Grund dafür sei auch das Abitur – das haben 54 Prozent der Schulabgänger im Land.

Niedersachsens Wirtschaft beklagt, dass sich der Fachkräftemangel zementiert und zum Konjunkturrisiko Nummer Eins gerade für kleinere und unbekanntere Unternehmen in Niedersachsen wird. Das geht aus einer Anfrage unserer Zeitung an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Niedersachsen hervor. Auch die Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN) spricht von einem „akuten Fachkräftemangel“. Der Markt sei leer gefegt, lukrative Aufträge müssten ausgeschlagen werden – wegen fehlender Mitarbeiter.

Den demografischen Wandel und den Trend zum Abitur macht die IHK Niedersachsen dabei als größte Faktoren aus. Tatsächlich steigt die Zahl der Abiturienten seit Jahren an. So haben 2015 in Niedersachsen rund 48 300 Schüler eine Fach- oder Hochschulreife erreicht – das sind 54 Prozent. 2006 waren es 13 Prozent weniger. Auch in unserer Region zeigt sich dieser Trend: Legten 2007 noch 3912 Schüler das Abitur ab, waren es vergangenes Jahr rund 16 Prozent mehr, 4549.

Nach Angaben der IHK Braunschweig fehlen qualifizierte Nachwuchskräfte vor allem im Gastgewerbe, im Transportwesen sowie in der Kunststoffbranche und naturwissenschaftlich orientierten Berufen. Den höchsten Stand an Auszubildenden im Bezirk der IHK Braunschweig habe es im Jahr 2008 mit rund 8800 Auszubildenden gegeben, verteilt auf alle Lehrjahre. Bis Ende 2016 sei dieser Wert auf etwa 7500 gesunken – das ist ein Rückgang von knapp 15 Prozent. Auch die IG Bau Braunschweig-Goslar beklagt für den Bereich Braunschweig-Lüneburg-Stade einen Rückgang an Gesellenprüfungen um 22 Prozent im Zehn-Jahres-Vergleich. „Immer mehr Schulabgänger gehen lieber an die Uni statt in einen Handwerksbetrieb“, sagt Bezirkschef Karl-Heinz Ehrenberg.

Das Ausbildungsjahr 2017 startet für einen Großteil der Auszubildenden am 1. August. Laut Stefan Freydank von der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar ist derzeit die „heiße Phase“ auf dem Ausbildungsmarkt in vollem Gange. „Die freien Stellen schmelzen von Tag zu Tag“, sagt er. In unserer Region gibt es nach dem aktuellsten Stand von Mitte Juni noch knapp 3300 unbesetzte Lehrstellen. Unter anderem werden noch Verkäufer, Altenpfleger und Köche händeringend gesucht. Rund 2800 Menschen aus unserer Region suchen noch nach einem Ausbildungsplatz. Für sie stehen die Chancen laut Freydank gut. „Der Markt hat sich von einem Angebots- zu einem Bewerbermarkt entwickelt“, sagt er. Es sei noch nie so einfach gewesen wie jetzt, eine Ausbildungsstelle zu finden.

Um Ausbildungen wieder populärer zu machen, fordern sowohl die IHK wie auch die Handwerkskammer Niedersachsen, Angebote zur Berufsorientierung in den Schulen zu verbessern.