Berlin. Gabriel weist Blockadevorwurf zurück und fordert eine Perspektive für Kohleregionen.

Der Streit in der Bundesregierung um den Klimaschutzplan Deutschlands und damit die langfristige Kohlepolitik steht vor dem Ende: Bis zum Wochenende solle eine endgültige Abstimmung erreicht sein, so dass Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Montag mit einem fertigen Klimaschutzplan zur Weltklimakonferenz in Marokko anreisen könne, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der von Hendricks vorgelegte, schon mehrfach überarbeitete Klimaschutzplan mit ambitionierten Einsparzielen bei Treibhausgasen bis 2050 sollte ursprünglich schon an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Überraschend scheiterte aber am Dienstagabend beim Koalitionsgipfel im Kanzleramt die Verständigung auf einen Kompromiss. Gabriel wies mit Nachdruck Darstellungen zurück, er habe durch die Ablehnung eines Kompromisses die Verabschiedung des Plans im Kabinett verhindert.

Es habe sich vielmehr um eine gemeinsame Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel und ihm gehandelt, den Entwurf noch einmal bis zum Wochenende zu beraten und dem Plan mehr Flexibilität zu geben. Er habe der Kanzlerin aber angeboten, wenn sie die Verantwortung für das Konzept übernehme, könne der Klimaschutzplan bereits beschlossen werden. Dazu sei es jedoch nicht gekommen. Merkel und Gabriel befürchten ebenso wie die Fraktionen von Union und SPD, dass die Industrie durch zu große Einsparziele für den Kohlendioxid-Ausstoß unter Druck gerät und damit Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Solche Warnungen kommen auch aus den Braunkohle-Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Heftigen Widerspruch hatten auch die Chemie- und die Stahlindustrie angemeldet. Gabriel machte sich solche Bedenken zu eigen: Bevor es zu einer schrittweisen Verringerung der Kohleverstromung komme, müssten den Regionen, die bislang von der Braunkohleverstromung lebten, realistische Perspektiven für Ersatzarbeitsplätze gegeben werden, sagte er.

„Ich halte nichts von Kohleausstiegskommissionen, bei denen am Ende nur der Wettlauf entsteht, wer den frühesten Zeitpunkt zum Kohleausstieg durchsetzt – und ansonsten den Menschen und Regionen, die heute noch davon leben, nur wolkige Gutachten angeboten werden.“ Gabriel stellte klar: „Mit mir wird es eine solche Kohleausstiegskommission nicht geben. Erst müssen realistische Ideen und auch das Geld auf den Tisch, wie wir vor Ort Arbeit, Einkommen und Wohlstand sichern. Danach reden wir über die schrittweise Abnahme der Bedeutung der Kohleverstromung. Nicht umgekehrt.“ Umweltministerin Hendricks hatte sich für eine solche Kohleausstiegskommission starkgemacht.

Gabriels Sorge richtet sich auf zu hohe Belastungen der deutschen Industrie insgesamt: „Verkehr und Landwirtschaft schonen, dafür aber die Belastungen immer mehr auf die Energieerzeugung und die Industrie zu verlagern, führt am Ende zu hohen Stromkosten und dem Verlust an industriellen Arbeitsplätzen.“ Er wolle keinen Beitrag dafür leisten, dass die „Dreckschleudern in anderen Teilen der Welt mehr produzieren und unsere vergleichsweise saubere Industrie wegen steigender Kosten weniger Aufträge bekommt“.