Köln. Auch bei der US-Wahlberichterstattung im deutschen Fernsehen sorgte Trump für Fassungslosigkeit.

Um kurz vor zwei gab es beim ZDF ein Mainzelmännchen zu gewinnen, man spielte das Quiz „Wer hat’s gesagt“. Bei der ARD meldete kurz zuvor Korrespondent Stefan Niemann von der Wahl-Party der Demokraten in New York, ein Feuerwerk werde es doch nicht geben, aber er habe Konfetti-Kanonen entdeckt. Es herrschte zu diesem Zeitpunkt eine recht gelöste Stimmung in der langen Fernsehnacht zur US-Wahl. Man rechnete auf allen Kanälen mit Hillary Clinton als Siegerin.

Niemanns ARD-Kollege Markus Schmidt allerdings war ganz in der Nähe bei den Republikanern unterwegs und tat etwas Bemerkenswertes: Die Art, wie er über Donald Trump sprach, klang irgendwie positiv. Trump werde 45 Prozent der Wählerstimmen holen, „und das als Newcomer - Respekt“, sagte Schmidt.

Sonst war der Tenor - aus guten Gründen, bedenkt man Trumps Wahlkampf - ein etwas anderer. Was der republikanische Kandidat für ein zwielichtiger Typ ist, das hatten alle noch einmal ausführlich berichtet. Und auch wenn es an kritischen Beiträgen zu Hillary Clinton ebenfalls nicht mangelte, schienen Moderatorinnen und Moderatoren sowie die allermeisten Studio-Gäste mit den Umfragewerten ganz einverstanden zu sein. Als sich das Blatt gegen 4.25 Uhr mit dem Sieg Trumps im Swing-State Ohio wendete, machte sich mehr und mehr Fassungslosigkeit breit - über das rätselhafte Wahlverhalten der Amerikaner und vor allem über das Desaster der Wahlforscher.

Das war besonders für Statistik-Guru Jörg Schönenborn („Delaware ist so etwas wie das Liechtenstein der USA“) ein harter Schlag. Auf 268 Stimmen hatte die ARD die „blaue Wand“ aus vermeintlich sicheren Wahlmänner-Stimmen für Clinton geschätzt. Eine besonders optimistische Annahme, die dann mit jeder Stunde immer weiter bröckelte. Bis Schönenborn sich gegen 5.35 Uhr genötigt sah zu erläutern, was da mit den Vorhersagen schiefgelaufen sein könnte: Die Wahlbeteiligung in bestimmten Wählergruppen sei anders gewesen als zuvor geschätzt, sagte er.

Dennoch hatte das Erste, das seine Wahl-Kulisse in einem in blaues und rotes Licht getauchtes Studio in Köln eingerichtet hatte, in dieser Nacht die Nase vorn. Das ZDF, bei dem Christian Sievers kurioserweise mit einer Glocke auf sich aufmerksam machen musste, und die privaten Nachrichtenkanäle N24 und n-tv hinkten bei der Verkündung der Zwischenergebnisse fast immer hinterher.

RTL meldete sich zwischen 1.00 und 4.00 Uhr sogar komplett ab von der US-Berichterstattung. Zuvor sah Reporter Peter Kleim in New York noch eine „kleine Sensation“ kommen, weil die Ergebnisse der Auszählungen in Georgia und South Carolina noch nicht vorlagen. Dabei sollten die Staaten eigentlich klar an Trump gehen, sagte Kleim - was sie dann auch taten. Aber da sendete RTL gerade „Bones - Die Knochenjägerin“.

Sonst war es aber keine so schlechte Idee, mal eine Sendepause einzulegen: Denn bis 4.00 Uhr tat sich wenig, und die sich wiederholenden Gesprächsrunden und die Schalten zu Reportern, die die gleichen Fragen noch einmal an Wähler in Amerika stellten, waren mitten in der Nacht eher Zumutung als Zugewinn. Der Marathon endete erst am Vormittag, da standen manche mehr als zehn Stunden vor der Kamera.

Sandra Maischberger war allerdings von Beginn an heiser. Als sie ihre Stimme am frühen Morgen endlich schonen konnte, erhob der immer noch muntere Matthias Opdenhövel, der Wahlsendungen genauso geschmeidig wegmoderiert wie Skispringen oder die „Sportschau“, den Ausdruck „Schockstarre“ zum Wort des Tages. Womit aber nicht die eigene Müdigkeit gemeint war.

Das Wahlergebnis hinterließ Eindruck. Denn es gibt Anlass zur Selbstkritik, weil das Fernsehen - und die Medien allgemein - die USA, die Probleme im Land und die Wucht von Trumps Kampagne offenkundig falsch eingeschätzt haben. dpa