Berlin. Die Atomkraftwerke in Europa haben Sicherheitsmängel – auch die in Deutschland. Das deckt ein EU-Stresstest auf, der an die Öffentlichkeit gelangt ist. Die Betreiber sollen nachrüsten.

Die deutschen Atomkraftwerke haben nach Erkenntnissen der EU Sicherheitslücken, etwa bei der Warnung vor Erdbeben. Das ist ein Ergebnis des nach der Katastrophe von Fukushima eingeleiteten EU-weiten Stresstests. Alle neun noch laufenden AKW in Deutschland müssten die auf den Anlagen installierten Warnsysteme nachbessern oder installieren, fordert der Entwurf zum Bericht der EU-Kommission. (Hier geht's zum Kommentar "Papiertiger")

Zudem hätten die Betreiber die internationalen Leitlinien für schwere Unfälle nicht umgesetzt. Offizielle Ergebnisse will die EU-Kommission erst Mitte Oktober veröffentlichen. Während sich Umweltschützer in ihrer Forderung nach einem europaweiten Atomausstieg bestätigt sehen, gab sich das Bundesumweltministerium gelassen.

Ein Sprecher von Minister Peter Altmaier (CDU) sagte in Berlin: „Die Erdbebensicherheit ist bisher nicht beanstandet worden bei Kernkraftwerken in Deutschland.“ Auch in zentralen Sicherheitsfragen wie Kühlwasser, Stromversorgung und Notfallmaßnahmen habe es keine Beanstandungen gegeben.

Die Betreiber sollen nachrüsten

Als Reaktion auf das Unglück im japanischen Fukushima hatte die EU europaweit alle 145 Nuklearreaktoren (aktive und stillgelegte) auf ihre Sicherheit hin geprüft. In Deutschland waren es zwölf Anlagen mit 17 Reaktoren: Biblis A und B, Brokdorf, Brunsbüttel, Emsland, Grafenrheinfeld, Grohnde, Gundremmingen B und C, Isar I und II, Krümmel, Neckarwestheim I und II, Philippsburg I und II, Unterweser.

Bei allen werden die zwei genannten Punkte in punkto Erdbeben bemängelt. 2011 hatte die Bundesregierung die Stilllegung von acht der 17 AKW verfügt. Über einen ersten Entwurf des EU-Berichts hatte zuvor auch die Zeitung „Die Welt“ berichtet.

Wenn ein Werk durchfällt, müsste es nachgerüstet oder abgeschaltet werden. Um die Mängel zu beheben, müssten die Betreiber EU-weit nach Rechnung der EU-Kommission für alle 134 noch laufenden Reaktoren in den kommenden Jahren zwischen 10 und 25 Milliarden Euro investieren. Innerhalb der EU setzen derzeit 14 von 27 Staaten auf Kernenergie.

Europaweit schneiden laut EU-Report französische AKWs besonders schlecht ab. Kritikpunkte sind vor allem fehlende oder ungenügende Erdbeben-Messgeräte, die sichere Lagerung von Unfallausrüstung und Mängel bei der Prüfung von Erdbeben- und Flutgefahren.

Bericht noch nicht abgeschlossen

Besonders schwerwiegende Mängel belegt der EU-Report für zwei Werke - Olkiluoto in Finnland und Forsmark in Schweden -, wo die Betreiber weniger als eine Stunde Zeit haben, um nach einem kompletten Stromausfall und/oder einem Ausfall der Kühlsysteme die Sicherheitssysteme wieder hochzufahren.

Die EU-Kommission wollte sich zu den Ergebnissen des Tests nicht äußern. Resultate würden in den kommenden Wochen bekanntgegeben und dem nächsten EU-Gipfel am 18./19. Oktober vorgelegt, sagte die Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Der Bericht sei noch nicht abgeschlossen. Der Report werde den Staaten Empfehlungen geben, um die Sicherheit von Kernkraftwerken zu verbessern.

EU-Energiekommissar Oettinger sagte: „Unser Stresstest war streng, ernst zu nehmen und transparent: Er deckt geradeheraus und objektiv auf, wo wir gut sind und wo es noch einen Nachbesserungsbedarf gibt.“ Bei den Tests sei „die Sicherheit und Robustheit“ der Atomkraftwerke geprüft worden.

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) betonte: „Der Stresstest hat schon nach einer oberflächlichen und wenig kritischen Analyse deutliche Sicherheitsdefizite in Europas Atomkraftwerken sichtbar gemacht“. Die Nachrüstungssumme von bis zu 25 Milliarden Euro zeige, dass es auch ökonomisch unsinnig sei, Atomkraftwerke am Netz zu lassen. dpa