Hannover. Die Koalition von SPD und CDU will mit 100 Millionen Euro starten, der Schuldenberg liegt aber bei mehr als 61 Milliarden.

Ob es nun eine historische Wende war oder nur „eine reine Showveranstaltung“, darüber stritten Niedersachsens SPD-CDU-Koalition und Opposition am Mittwoch gewaltig. Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) kündigte im Finanzausschuss des Landtags an, dass aus Überschüssen des Jahres 2017 mit 100 Millionen Euro in die Schuldentilgung eingestiegen werden soll.

Es waren aus Sicht des Finanzministeriums erfreuliche Zahlen, die Hilbers den Landtagspolitikern zum „Jahresabschluss 2017“ vorstellte. Danach schloss Niedersachsen das Haushaltsjahr 2017 mit einem Überschuss von fast 1,2 Milliarden Euro ab. Die „Haushaltsverbesserungen“, die zu dieser Bilanz führten, waren schriftlich ausgewiesen und zusammengerechnet. Der Löwenanteil: 645 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen als erwartet und 255 Millionen „Zinsminderausgaben“. Außerdem gab es aufgrund niedrigerer Flüchtlingszahlen 138 Milllionen Euro weniger Ausgaben bei der Landesaufnahmebehörde als angesetzt. Dazu kommen diverse kleinere Posten. Die finanziellen Spielräume nutze das Land konsequent, um den Weg einer soliden und nachhaltigen Finanzpolitik weiter zu beschreiten und gleichzeitig wichtige Zukunftsthemen anzupacken, so Hilbers in einer schriftlichen Erklärung.

So gehen 500 Millionen Euro wie geplant in ein Sondervermögen für Digitalisierung. 300 Millionen steckt das Land in ein weiteres Sondervermögen zur Sanierung der Hochschulkliniken in Hannover und Göttingen. Damit fließt Geld für die Hochschulmedizin schneller als geplant.

Anders als für den Haushalt 2017 geplant, verzichtet die Koalition auf 276 Millionen Euro aus sogenannten Rücklagen – und steigt mit 100 Millionen Euro in die Tilgung von Schulden ein. Der Gesamtschuldenstand soll so von 61,45 auf 61,35 Milliarden Euro sinken. Der Bund der Steuerzahler begrüßt die Ankündigung, erstmals seit Jahrzehnten Landesschulden zurückzuführen, als einen „längst überfälligen Schritt“. Er falle jedoch zu klein aus. „Eine Milliarde Euro wäre möglich gewesen, die CDU lässt sich aber mit einer Alibi-Tilgung von 100 Millionen von der SPD abspeisen“, erklärte auch der FDP-Abgeordnete Christian Grascha. Dass die Frage der Investitionen für die SPD entscheidend sei, betonte denn auch deren Finanzpolitikerin Frauke Heiligenstadt. „Man kann sich auch mal freuen“, sagte die Ex-Kultusministerin unter Verweis auf die geplanten Ausgaben für Digitalisierung und Uni-Kliniken.

Auch auf die Rücklage musste das Land zum Ausgleich des Haushalts 2017 nicht wie eingeplant zurückgreifen. Unter „Verschonung Rücklagen“ führt das Land für 2017 stolze 276 Millionen Euro an. „In der Rücklage ist echtes Geld“, betonte Hilbers. Es stammt allerdings aus der Inanspruchnahme früherer Kreditermächtigungen. Der Grünen-Abgeordnete Stefan Wenzel sprach mit Blick auf die Rücklage von einem „Reptilienfonds“, der CDU-Abgeordnete Ulf Thiele von „Vorsorge für die Zukunft“. Denn bei Bedarf wieder in die Neuverschuldung zu gehen, hatte Minister Hilbers am Mittwoch erneut ausgeschlossen. Von 2020 an ist das den Ländern durch die „Schuldenbremse“ im Grundgesetz zwar ohnehin untersagt. An einer spezifischen Umsetzung auf Landesebene arbeitet die Koalition aber noch. Weniger glatt als bei der Bilanz 2017 könnte es für Niedersachsen mit EU-Fördermitteln laufen. Niedersachsens Europaministerin Birgit Honé (SPD) sprach am Mittwoch von drohenden Kürzungen bei der Agrarförderung. Dagegen seien geplante zusätzliche Investitionen in Bildung und Forschung ein Erfolg. Die heiße Phase der Verhandlungen steht aber noch bevor.