Berlin. Der CSU-Unterhändler und bayerische Innenminister spricht im Interview über die Sondierungen mit den Sozialdemokraten – und eine Verschärfung der Zuwanderungspolitik.

In der CSU wächst die Ungeduld. Ein neues Bündnis mit der SPD soll jetzt schnell geschmiedet werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann – er war Spitzenkandidat seiner Partei bei der Bundestagswahl und wird einflussreicher CSU-Unterhändler in den Sondierungen sein – zeigt sich in Zuwanderungsfragen allerdings kompromisslos. Mit ihm sprachen Jochen Gaugele und Christian Unger.

Herr Minister, seit zehn Wochenist Deutschland ohne echte Regierung. Woran merkt man das eigentlich?

Das ist für die Bürger auf der Straße nicht sofort und unmittelbar mit Händen zu greifen. Aber man darf die langfristigen Auswirkungen einer Regierung, die nur geschäftsführend im Amt ist, nicht unterschätzen. Wir haben dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf, etwa bei den versprochenen Steuererleichterungen. Dazu kommt die eingeschränkte Handlungsfähigkeit auf der europäischen Ebene. Das zeigt auch, dass uns dieses Gerede über Minderheitsregierungen überhaupt nicht weiterbringt. Eine Kanzlerin, die nach Brüssel fährt, muss wissen, wie groß ihr Verhandlungsspielraum ist. Wir brauchen dringend klare Mehrheiten im Parlament, wir brauchen verlässliche Koalitionen.

Kommt die nächste Große Koalition denn zustande?

Ich sehe eine starke demokratische Verantwortung, daran konstruktiv mitzuwirken. Die CSU ist dazu bereit. Ich hoffe, dass die Sozialdemokraten diese Verantwortung genauso spüren. Stimmen die inhaltlichen Schnittmengen, müssen wir die Große Koalition stemmen. Die Wählerinnen und Wähler fordern zu Recht, dass Deutschland so bald wie möglich eine neue, stabile Regierung hat.

Woran können die Sondierungen scheitern?

Wir sollten in die Gespräche gehen, ohne schon zu Beginn mit ihrem Abbruch zu drohen. Natürlich gibt es Dinge wie die Bürgerversicherung, wo wir vonseiten der Union überhaupt keinen Spielraum sehen. Von entscheidender Bedeutung ist für uns außerdem eine dauerhafte Begrenzung der Flüchtlingszahlen.

Erklären Sie das „Regelwerk“, auf das sich die Union bei der Zuwanderung verständigt hat, für unverhandelbar?

Es ist absurd, dass Teile der SPD noch mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen als bisher. Dafür haben auch viele sozialdemokratische Wähler wenig Verständnis. Wir haben die gemeinsame Verantwortung, konkrete Beschlüsse zu fassen. Dazu zählt, die Fluchtursachen besser zu bekämpfen – mit Entwicklungshilfe, einer modernen Afrikapolitik und auch mit dem Einsatz der Bundeswehr. Dazu zählen aber auch Kontrollen an den deutschen Grenzen – und eine schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Dadurch können falsche Anreize vermieden werden. Ein Flüchtling darf nicht glauben, dass er auch nach Ablehnung seines Asylantrags bleiben kann, wenn er es einmal nach Deutschland geschafft hat. Mit diesem Irrglauben muss endlich Schluss sein.

Sollen auch minderjährige Flüchtlinge abgeschoben werden, die allein nach Deutschland gekommen sind – etwa, wenn sie Straftaten begehen?

Für mich ist klar, dass kriminelle jugendliche Flüchtlinge häufiger und konsequenter abgeschoben werden müssen. Wir erreichen damit mehr Sicherheit für die hier lebende Bevölkerung und senden gleichzeitig ein wichtiges Signal: Der deutsche Rechtsstaat weiß sich zu wehren, kriminelles Verhalten dulden wir hier nicht.

Ist das vereinbar mit

europäischem Recht?

Die EU-rechtlichen Hürden für die Abschiebung jugendlicher Straftäter sind hoch. Wenn es keine Verwandten vor Ort gibt, muss sichergestellt sein, dass sich im Herkunftsstaat die Behörden um den Jugendlichen kümmern. Wir schöpfen in Bayern den rechtlichen Rahmen bereits voll aus. Abschiebungen scheitern aber trotzdem häufig, weil einige Herkunftsstaaten schlecht kooperieren. Der Bund muss deshalb bei der Verhandlung von Rückführungsabkommen eine bessere Kooperation bei Abschiebungen durchsetzen. Das gilt natürlich auch, wenn es um jugendliche Kriminelle geht.

Wie lange wollen Sie den Familiennachzug von Flüchtlingen, die eingeschränkten Schutz genießen, noch aussetzen?

CDU und CSU haben vereinbart, dass der Familiennachzug bei subsidiär geschützten Flüchtlingen weiter ausgesetzt bleiben muss. Das entspricht europäischem Recht, und davon werden wir auch nicht abgehen. Bleibt der Familiennachzug weiter ausgesetzt, kann es für einzelne Härtefälle aus humanitären Gründen Ausnahmen geben …

… die wie aussehen?

In einer wirklich besonderen Belastungssituation kann man dann den Nachzug von Familienmitgliedern im Einzelfall ermöglichen. Das kann einige Dutzend, aber sicher nicht Tausende oder gar Zehntausende Flüchtlinge im Jahr betreffen.