Washington. Präsident Obama spricht von gesundem Menschenverstand: In Amerika sterben viel mehr Menschen durch Schusswaffen als sonstwo in der entwickelten Welt.

Wenn US-Präsident Barack Obama seine Worte besonders wichtig sind, unterstreicht er sie gern mit Mimik. Er presst dann die Lippen fest aufeinander und zieht die Mundwinkel nach unten. Fast wütend wirkt er in solchen Momenten. Als er am Dienstag im Weißen Haus über neue Maßnahmen gegen Waffenmissbrauch sprach, sah man dieses Obama-Gesicht sehr oft.

Noch mehr: Der mächtigste Mann der Welt und Vater zweier Töchter konnte es nicht verhindern, dass ihm Träne über das Gesicht liefen, als er das Schicksal von Kindern beschrieb, die Opfer von Schusswaffengewalt geworden waren. Das Publikum erhebt sich applaudierend von den Sitzen - es sind vorrangig Hinterbliebene von Schusswaffenopfern.

Es ist eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Entschlossenheit, die Obama im letzten seiner acht Amtsjahre beim Thema Schusswaffen treibt. Wiederholt stieß er mit seinem Anliegen, den Zugang zu tödlichen Waffen zumindest für Kriminelle zu erschweren, auf taube Ohren bei der Waffenlobby und bei den Republikanern im Kongress. Den zweiten Verfassungszusatz anzutasten, der das Recht der Amerikaner auf Selbstverteidigung regelt, hat er sich längst aus dem Kopf geschlagen.

Dass er aber gegen die republikanische Mauer in Senat und Repräsentantenhaus nicht einmal einfache Gesetzesänderungen durchbringt, die von hochrangigen Republikanern wie George W. Bush oder dem früheren Präsidentschaftsbewerber John McCain mitgetragen wurden - das wurmt den Präsidenten. „Es gibt kein anderes Thema, bei dem die Zerstrittenheit in der Politik Präsident Obama so sehr frustriert hat, wie die Gewalt mit Schusswaffen in unserer Nation“, sagte Valerie Jarrett, eine Beraterin Obamas.

Mehrmals benutzt der Präsident den Terminus „gesunder Menschenverstand“, wenn er über seine Vorstöße spricht. „Wenn ein Kind kein Glas Aspirin aufschrauben kann - dann sollten wir auch sicherstellen, dass es keinen Abzug einer Waffe betätigen kann“, sagt Obama. Warum könne es in den USA 30 000 Tote pro Jahr durch Schusswaffen geben, wenn andere Ländern diese Zahlen nicht einmal annähernd erreichten? Es könne doch nicht sein, dass verurteilte Straftäter frei im Internet Waffen mit tödlicher Wirkung kaufen könnten.

Doch die US-Politik lässt ihn nicht zum Zuge kommen, er muss sich auf die strengere Auslegung und Anwendung bestehender Gesetze beschränken, statt neue, strengere Regelungen treffen zu können. Der Wunsch, zumindest Menschen, die als zu gefährlich eingestuft werden, in einem Flugzeug mitfliegen zu dürfen, automatisch auch den Kauf von Waffen zu verwehren, blieb unerfüllt. Immerhin will er es ermöglichen, dass Käufer und Verkäufer von Schusswaffen behördlich strenger durchleuchtet werden, dass die Checks auch bei Internet-Käufen obligatorisch werden, dass die Überprüfung auch die mentale Fitness von Waffenkäufern umfasst.

Das ist kein großer Wurf, wird aber trotzdem von der mächtigen Waffenlobby um den Waffenverband NRA, ohne die kein Republikaner eine Wahl gewinnt, torpediert. Die Lobbyisten wollen keinen Millimeter Boden preisgeben, weil sie wissen, dass dies einen schleichenden Machtverlust bedeuten könnte. Nicht einmal, als 2012 in der Grundschule Sandy Hook in Newtown bei New York 20 Kinder und sieben weitere Unschuldige im Kugelhagel eines Täters starben, ließ sich der politische Graben überbrücken.

Und so waren die Reaktionen auf Obamas Pläne erwartbar heftig und komplett konträr. Prominente Republikaner aus dem Kongress lehnten sie wütend ab, Unterstützer von Waffenkontrollen waren begeistert.

Republikanische Bewerber im Präsidentschaftswahlkampf kündigten an, Obamas Erlasse rückgängig zu machen, sowie sie im Amt seien. Das twitterte zum Beispiel Jeb Bush. Der texanische Senator Ted Cruz schrieb bei dem Kurznachrichtendienst, er werde die Verfassung gegen diese Pläne verteidigen.

„Vom ersten Tag seiner Amtszeit an hat der Präsident das Recht auf sicheren und gesetzestreuen Waffenbesitz, das unsere Nation seit ihrer Gründung wertschätzt, nie respektiert“, sagt der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan. „Seine Worte und seine Taten sind zu einer Form der Nötigung geworden, die die Freiheit aushöhlt.“ Im Wahljahr sind die Fronten beim Thema Waffen verhärteter denn je. dpa