Berlin. Mit Wissen des US-Präsidenten ist Angela Merkel abgehört worden. Ein NSA-Untersuchungsausschuss soll Gewissheit bringen.

Die Grünen verlangen eine Sondersitzung des Bundestages, die SPD unterstützt die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss: Der Ruf nach Konsequenzen aus der US-Spähaktion gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird immer lauter. Alle Fragen zu „Handygate“.

Welche Erkenntnisse brachte das Wochenende?

Merkels Handy wurde seit 2002 abgehört. Das geht aus Unterlagen hervor, die der „Spiegel“ vom früheren NSA-Mann Edward Snowden bekam. Experten vermuten, dass die USA in ihrer Botschaft einen Horchposten haben. Die Vertretung liegt mitten im Regierungsviertel, die NSA-Spione saßen wie die Made im Speck.

Waren sie nur auf Merkel neugierig?

Laut „Bild am Sonntag“ wurde 2002 auch ihr SPD-Vorgänger Gerhard Schröder abgehört. 2002 war ein traumatisches Jahr im Verhältnis zu den USA. Schröder lehnte eine Teilnahme am Irak-Krieg ab. Der engste Verbündete gab dem US-Präsidenten Rätsel auf. Es ist völlig normal, dass ein Regierungschef beim Geheimdienst eine Analyse in Auftrag gibt, auch über Freunde.

Soll das heißen, der US-Präsident steckt persönlich dahinter?

„Bild am Sonntag“ schreibt, dass Barack Obama seit drei Jahren informiert war. Das ist pikant. Gegenüber Merkel hat er jede Kenntnis von der Aktion bestritten. Zu den offenen Fragen gehört auch, ob die NSA jedes Gespräch belauscht oder „nur“ die Verbindungsdaten registriert hat, also mit wem Merkel wie oft und wie lange telefoniert hat.

War Merkel zu leichtsinnig?

Sie hätte sich besser schützen können. Sie hat viele Gespräche mit einem normalen Handy geführt.

Welchen Folgen deuten sich für die deutsche Spionageabwehr an?

Zuständig ist der Verfassungsschutz. Bislang agierte er gegenüber den USA blauäugig. Seitdem orientiert sich der Dienst um.

Welche Konsequenzen zeichnen sich ab?

Im Affekt wird viel gefordert, etwa ein Stopp der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Darüber wird auf EU-Ebene beraten. Bilateral wird die Bundesregierung darauf pochen, mit den USA ein „No-Spy-Abkommen“ abzuschließen.

Natürlich wird Merkel in Washington auf Aufklärung dringen. Das hat die US-Regierung mehrfach zugesagt. In Wahrheit hat sie den Partner hingehalten.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fordert im Übrigen eine offizielle Entschuldigung.

Was kann der Generalbundesanwalt tun?

Abhören ist eine Straftat. Natürlich tritt Generalbundesanwalt Harald Range auf den Plan. Bloß: Er kann gegen die USA nicht viel ausrichten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Aber er könnte sich um Edward Snowden als Zeugen bemühen. In der Politik setzt ein Umdenken ein. „Snowdens Angaben scheinen glaubhaft zu sein, während die US-Regierung uns in dieser Angelegenheit offenkundig belogen hat“, sagt SPD-Fraktionsmanager Thomas Oppermann.

Ist ein Untersuchungsausschuss unvermeidlich?

Ja, sagt Oppermann. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens, Grüne und Linke können es aus eigener Kraft nicht durchsetzen. Zweitens will die SPD in einer Großen Koalition offenbar nicht locker lassen.

Bei der Union lautete monatelang die Devise „tiefer hängen“. Da wusste sie noch nicht, dass auch eine CDU-Kanzlerin ein Opfer der NSA war.