Hamburg. Bei der Demonstration einer islamistischen Bewegung forderten rund Tausend Teilnehmer ein Kalifat in Deutschland. Darf man das?

Es war der politische Aufreger am Wochenende: In Hamburg demonstrierten am Samstag Anhänger einer islamistischen Bewegung. Auf den Straßen waren „Allahu Akbar“-Rufe zu hören, was übersetzt „Gott ist groß“ bedeutet. Viele Teilnehmer forderten die Errichtung eines Kalifats. Sätze wie „Kalifat ist die Lösung“ waren auf mehreren Schildern deutlich zu lesen. Die Demonstration kritisierte dazu eine muslimfeindliche Berichterstattung und die Pressefreiheit.

Über 1000 Teilnehmer schlossen sich der Demo an, die offiziell von der Gruppe „Muslim Interaktiv“ angemeldet wurde. Das klingt erst einmal harmlos, doch damit ist es anscheinend nicht getan. Laut Hamburger Verfassungsschutz steht diese Gruppe der „Hizb ut-Tahrir“ nahe, einer islamistischen Bewegung, die verboten ist.

Nach der islamistischen Demo in Hamburg stellen sich viele Fragen. Ein Kalifat in Deutschland – Was würde das für die Bundesrepublik bedeuten? Und: Darf man das einfach so fordern?

Islamistische Demo in Deutschland – Darf man ein Kalifat fordern?

Unter einem Kalifat versteht man eine islamische Regierungsform, die ihren Ursprung im 7. Jahrhundert hat. Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung bedeutet Kalifat wortwörtlich „Stellvertretung“. Im Kalifat ist der Kalif der Herrscher, er gilt als weltlicher und geistlicher Führer. Der Kalif geht auf den Propheten Mohammed zurück, den Religionsstifter des Islam. Er war Herrscher über Medina. Als Rechtssprechung wird die Scharia herangezogen, sie ist die von Gott gesetzte Ordnung im Islam.

Wie das Kalifat genau umgesetzt wird, hängt erheblich von den religiösen und weltlichen Anschauungen des Herrschers ab. High Kennedy, Professor für Arabistik in London und Historiker, argumentiert in seinem Buch „Das Kalifat. Von Mohammeds Tod bis zum ,Islamischen Staat‘“, dass es kein einheitliches Bild des Kalifats in der Geschichte gegeben habe. So habe es Kalifen gegeben, die die muslimische Bevölkerung strikt kontrollierten. Andere dagegen seien „großzügig und offen für Ideen und Sitten“ gewesen, schreibt Kennedy.

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Kritiker befürchten, dass sich diejenigen, die ein Kalifat in Deutschland fordern, eine rückwärtsgewandte Regierungsform wünschen. Einen Staat, in dem es keinen Platz gibt für Andersdenkende. In denen die Ausübung anderer Religionen eingeschränkt wird, genauso wie die Pressefreiheit. Ohne Rechte für Frauen oder LGBTIQA+.

Experten: Meinungsfreiheit durch Grundgesetz garantiert

Darf man so eine Regierungsform überhaupt in Deutschland fordern? Aus juristischer Sicht ist das möglich, so Mia Sperling-Karstens. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg sagte der „Bild“-Zeitung: „Das Grundgesetz garantiert da eine relativ weite Meinungsfreiheit. Strafbar wären Delikte des Hochverrats (§§ 81 ff. StGB), die jedoch ein ,Unternehmen’, also eine aktive Handlung, voraussetzen und ggf. die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB).“

Das Grundgesetz garantiert damit, dass sich die Teilnehmer der islamistischen Demonstration juristisch nicht angreifbar machen. Die Forderung nach einem Kalifat fällt unter die Meinungsfreiheit – solange damit nicht zu Straftaten aufgerufen wird.

Vielleicht droht trotzdem ein juristisches Nachspiel. Einzelne Transparente und Parolen bei der Demo in Hamburg würden auf strafrechtliche Relevanz überprüft, sagte Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel im ZDF-Morgenmagazin. „Fakt ist aber auch, dass unser Grundgesetz nun mal mit dem Blick auf die Versammlungs- und auch Meinungsfreiheit auch extremistische Meinungskundgebungen zulässt“, erklärte der Beamte.

Das Versammlungsrecht sei in erster Linie dafür da, dass eine Versammlung friedlich ablaufe. Es gehe nicht darum, bestimmte Meinungen zuzulassen oder zu verbieten. „Da sind wir von der Polizei, da ist unser Gesetz neutral“, so Schnabel.