Berlin. Corona war gestern – heute kämpft der Gesundheitsminister für das wichtigste Gesetz seines politischen Lebens. Notfalls im Alleingang.

Der kleine Kronkorken hat keine Chance gegen den Minister. Karl Lauterbach nimmt ihn zwischen Zeigefinger und Daumen, kneift die Augen zusammen, spannt die Handmuskeln an und biegt ihn zu einer Blechwurst zusammen. Widerstand gebrochen. Lauterbach steht unter Spannung, er ist im Kampfmodus. Mal wieder.

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Corona war gestern – jetzt geht es um das nächste große Ding: die Krankenhausreform. Scheitert sie, wäre auch Lauterbach gescheitert. Es ist das wichtigste Projekt des Gesundheitsministers. Das Endspiel um die Reform hat gerade erst begonnen.

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Krankenhausreform: Entmachtet Lauterbach die Länder?

Der Widerstand gegen Lauterbachs Pläne ist massiv – in den Ländern, in der Opposition, in vielen Verbänden. Nichts davon lässt sich einfach so wegbiegen wie das kleine Stück Weißblech. Noch ist deswegen offen, ob es am Ende gelingt, die rund 1700 deutschen Krankenhäuser in einem gewaltigen Gesetzes-Wumms finanziell und qualitativ neu auszurichten. Lauterbach spricht wie sein Kanzler von einer Zeitenwende im Gesundheitswesen – seine Kritiker dagegen werfen ihm eine gezielte Entmachtung der Länder vor.

Lauterbach ist gerade 61 Jahre alt geworden. Der Morgen nach seinem Geburtstag, an dem der unglückliche Kronkorken bei einem Pressetermin zwischen die Ministerfinger gerät, ist der Tag nach einem Etappensieg: Nach monatelangem Ringen hat der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag am Vorabend den Weg frei gemacht für Lauterbachs Transparenzregister. Vom 1. Mai an sollen die Bundesbürger auf einen Blick sehen können, wie gut eine Klinik arbeitet: Wie viel Erfahrung haben die Ärztinnen und Ärzte? Wie oft kommt es zu Komplikationen? Gibt es genug Pflegekräfte?

Lauterbach: Der erste Minister der quasi per Volksentscheid ins Amt kam

Für den SPD-Mann ist die Einigung ein „Sprung nach vorne für das Krankenhausgesetz“. Ohne zu wissen, wie gut ein Krankenhaus arbeitet, funktioniert die ganze Reform nicht. In den Kommunen, die oft Träger der Kliniken sind, wundern sich dagegen viele über die Einigung: „Das Krankenhaustransparenzgesetz beschneidet die Länder in ihrer Planungshoheit“, sagt Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags, unserer Redaktion. „Wir hätten nicht gedacht, dass die Länder für ein Vorhaben die Hand reichen, mit dem ihre Kompetenzen so deutlich beschnitten werden.“

Lauterbach ist der erste Minister, der 2021 quasi per Volksentscheid ins Amt kam – Olaf Scholz konnte in der Spätphase der Corona-Pandemie kaum anders, als den beliebtesten Gesundheitspolitiker des Landes ins Kabinett zu berufen. Das ist lange her. Lauterbach macht heute keine Schlagzeilen mehr mit Impf-Appellen und Maskenpflicht, sondern weil er als Arzt für die Cannabis-Legalisierung ist, weil es Probleme mit Fiebersäften für Kinder gibt – oder auch weil er nach langem Suchen eine neue Frau an seiner Seite hat.

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    Und die Klinikreform? Sie betrifft jeden Krankenhauspatienten im Land, ist aber wegen der vielen Akteure nicht ganz unkompliziert: Mehr Qualität bei Behandlungen und Eingriffen und gleichzeitig stabilere Budgets für die notorisch unterfinanzierten Kliniken – dagegen hat niemand etwas. Der Weg dahin ist allerdings umstritten: In westdeutschen Großstädten mit vielen Krankenhäusern in unmittelbarer Nähe zueinander wird es nach Lauterbachs Vorschlag mit großer Sicherheit zu Krankenhausschließungen kommen – einfach deshalb, weil Kliniken künftig nur noch das machen sollen, was sie gut machen. Und nichts, das nur gemacht wird, weil es Geld dafür gibt.

    Krankenhäuser: Wenn nichts passiert, kommt es zu unkontrolliertem Kliniksterben

    Die nächsten Wochen werden entscheidend sein. Am 22. März muss der Bundesrat final über das Transparenzregister abstimmen. Die eigentliche Klinikreform soll am 24. April durchs Kabinett gehen. Lauterbach hat sein wichtigstes Gesetz so geschrieben, dass es im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Wie das Ringen um das Transparenzregister gezeigt hat, haben die Länder aber viel Spielraum, um das Gesetz maximal zu verzögern. „Wenn aber die Kliniken eines nicht haben, ist es Zeit“, sagt Landkreistagspräsident Sager. Wenn nichts passiert, da sind sich ausnahmslos alle einig, kommt es zu einem unkontrollierten Kliniksterben.

    Der Gesetzentwurf für die Klinikreform soll Ende April ins Kabinett kommen.
    Der Gesetzentwurf für die Klinikreform soll Ende April ins Kabinett kommen. © epd | Paul-Philipp Braun

    Um die Länder bei der Umsetzung zu unterstützen, hat der SPD-Politiker jetzt einen 50 Milliarden Euro schweren Transformationsfonds angekündigt – Laufzeit: zehn Jahre. Eine Hälfte sollen die Länder zahlen, eine Hälfte soll aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen kommen – die ja, so Lauterbachs Plan, durch die Klinikreform Geld einsparen würden. Für Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) ist das jedoch ein „weiterer Bruch bisheriger Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern“. Bisher hätten Bund und Länder die Summe gemeinsam finanzieren wollen. Nun wolle Lauterbach, dass Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und die Länder für die Kosten aufkommen sollten.

    Von der Decken ist seit Januar Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz. Die CDU-Politikerin will, dass Lauterbach seinen Alleingang beendet: Es sei „unverständlich“, dass sich der Minister von der gemeinsam vereinbarten Zustimmungspflichtigkeit im Bundesrat verabschiedet habe, sagte sie unserer Redaktion. „Eine Krankenhausreform kann nur gemeinsam gelingen.“ Lauterbach müsse „zurück zu einem gemeinsamen Austausch“ mit allen Ländern kommen. Ob der Appell ankommt? Fraglich. Lauterbach will keinen Frieden mit den Ländern. Er will seine Reform umsetzen. Siehe Kronkorken.