Berlin. Nach der Geburt will die Ampel Vätern und Co-Müttern zwei Wochen bezahlte Freistellung ermöglichen. Doch eine Partei blockiert.

Die Idee hat viele Namen: Von einer „Familienstartzeit“ spricht das Familienministerium, umgangssprachlich heißt das Schlagwort „Vaterschaftsurlaub“. Offiziell ist auch von einer bezahlten, zweiwöchigen Freistellung die Rede. Gemeint ist stets dasselbe: Kommt ein Kind zur Welt, soll der Partner oder die Partnerin der Mutter für zwei Wochen bezahlten Sonderurlaub bekommen, um Mutter und Baby unterstützen zu können.

Festgehalten hatte das Ampel-Bündnis diesen Plan schon 2021 im Koalitionsvertrag, ein Jahr später trug Familienministerin Lisa Paus (Grüne) das Projekt per öffentlicher Ankündigung in den Kalender ein: 2024, sagte sie Ende 2022, solle die Freistellung kommen.

Im Frühjahr 2023 legte Paus dann einen Gesetzentwurf vor, mit dem die zwei Wochen zum Rechtsanspruch für Partnerinnen und Partner werden sollen. Damit einhergehen soll ein „Partnerschaftslohn“, also eine Bezahlung für die Freistellung, die sich am Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate bemisst. Alleinerziehende sollen eine Person benennen können, die zwei Wochen freigestellt werden kann, um sie zu unterstützen. Der Entwurf ging in die Ressortabstimmung zwischen den Ministerien – und hängt dort seitdem fest.

Zwei Wochen frei für Väter und Co-Mütter nach der Geburt

Die „konkrete Ausgestaltung der Familienstartzeit sowie das Inkrafttreten des Gesetzes“ würden derzeit zwischen den Ressorts beraten würden, teilt das Familienministerium auf Anfrage mit. Was übersetzt bedeutet, dass die Regierung uneins ist. Der Konflikt dreht sich ums Geld, genauer: um die Frage, wer die Kosten für die zehn Tage Freistellung bezahlen soll.

Zeit mit der Familie in den ersten zwei Wochen nach der Geburt? Sollen Väter mit dem „Vaterschaftsurlaub“ bekommen, wenn es nach der Ampelregierung geht. Doch der Plan steckt fest.
Zeit mit der Familie in den ersten zwei Wochen nach der Geburt? Sollen Väter mit dem „Vaterschaftsurlaub“ bekommen, wenn es nach der Ampelregierung geht. Doch der Plan steckt fest. © Getty Images | pabst_ell

Der Entwurf des Familienministeriums sieht vor, dass die zwei Wochen finanziert werden über ein bereits existierendes System. Schon jetzt zahlen alle Arbeitgeber einen Beitrag zur U2-Umlage, aus der die Kosten bezahlt werden, die Arbeitgebern von werdenden Müttern durch den Mutterschutz entstehen. Aus diesem Topf, so der Vorschlag des Familienministeriums, sollte auch die freie Zeit für Väter bezahlt werden.

Laut Berechnungen des Ministeriums würde das insgesamt Mehrkosten von rund 556 Millionen Euro im Jahr verursachen, verteilt auf alle Arbeitgeber des Landes. Das Haus von Lisa Paus verweist auf Modellrechnungen des Fraunhofer-Instituts im Auftrag des Ministeriums, nach denen es für ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden bei einem Durchschnittslohn von 3.700 Euro brutto um eine Mehrbelastung von 208 Euro monatlich ginge. Bei zehn Mitarbeitenden seien es 10,40 Euro.

Die FDP will das nicht mittragen. „Das Kabinett hat ein Belastungsmoratorium für Unternehmen beschlossen“, sagt Gyde Jensen, FDP-Familienpolitikerin und stellvertretende Fraktionschefin, und bezieht sich damit auf einen Beschluss aus dem Herbst. Der Vorschlag aus dem Familienministerium aber wäre „weitere Belastung für Unternehmen“ und passe deshalb nicht zu diesem Moratorium. „Die Alternative wäre, die Familienstartzeit über Steuergeld, also aus dem Haushalt zu finanzieren“, sagt Jensen dieser Redaktion. „Dafür konnte die Familienministerin aber noch keinen Vorschlag vorlegen, der Einigkeit im Kabinett erhält.“

Die FDP will keine weitere Belastung für Arbeitgeber

Die Grünen äußern sich auf Anfrage nicht zu der Verzögerung des Projekts, bei der SPD ist man genervt. „Es gibt Gegenwind derer, die eher die Arbeitgeberinteressen im Fokus haben“, sagt Sarah Lahrkamp, Familienpolitikerin in der SPD-Fraktion. Die Koalition sei deswegen in „intensiven Diskussionen“.

Sie unterstreicht, dass die zwei Wochen es nicht nur Müttern leichter machen sollen, sich von einer Geburt zu erholen. Der andere Elternteil bekomme auch die Gelegenheit, eine tiefere Bindung zum Kind aufzubauen. Und die Freistellung mache es möglich, sagt Lahrkamp, dass beide Eltern von Anfang an die Fürsorge gleichberechtigt aufteilen. „Dies führt häufig auch langfristig dazu, dass sich die Partner an der Erziehung und Sorge um die Kinder stärker beteiligen.“

Aber wann Familien mit dieser Unterstützung rechnen können, ist völlig offen. Zivilgesellschaftliche Verbände zeigen sich von der Verzögerung enttäuscht. „Nach knapp zwei Jahren Ampelkoalition ist die Zwischenbilanz zur fairen Verteilung von Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern ernüchternd“, sagt eine Sprecherin des Bündnisses „Sorgearbeit fair teilen“ dieser Redaktion. Dem Bündnis gehören unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Bundesforum Männer, der Deutsche Frauenrat und mehr als ein Dutzend weitere Organisationen an.

„Vaterschaftsurlaub“: SAP zieht Plan von sechs Wochen Freistellung zurück

Neben der bezahlten Freistellung für Partner nach der Geburt seien auch andere zentrale Vorhaben zur gerechteren Verteilung von Sorgearbeit bisher nicht umgesetzt, etwa der Ausbau von nicht übertragbaren Elterngeldmonaten oder die Lohnersatzleistung für Pflegezeiten. „Die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 dürfen nicht zur Folge haben, dass gleichstellungspolitische Ziele über den Haufen geworfen werden“, warnt das Bündnis.

Hoffnungen, dass Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte einer gesetzlichen Regelung zuvorkommen könnten, scheinen sich unterdessen nicht zu bestätigen. Nur ein sehr geringer Anteil von Firmen bietet Angestellten mehr als ein oder zwei Tage Freistellung nach einer Geburt. Der Softwarekonzern SAP, der im vergangenen Jahr angekündigt hatte, Vätern sechs bezahlte freie Wochen zu ermöglichen, ruderte am Dienstag wieder zurück, unter Verweis auf die fehlende Umsetzung der Bundesregierung: „Wir nehmen dies zum Anlass, unsere eigenen Pläne in diesem Bereich ebenfalls zu überprüfen“, sagte ein Sprecher.