Berlin. Hinter den Angriffen der Rebellen auf westliche Frachtschiffe im Roten Meer steckt ein einfaches Kalkül – und ein alter Feind Israels.

Die Krise im Roten Meer nach den massiven Angriffen von Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe spitzt sich zu: Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, soll die Operation „Prosperity Guardian“ (prosperity guardian, dt.: Wohlstandswächter) die Schiffe besser vor Angriffen der von Israels Erzfeind Iran unterstützten Rebellen schützen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, der sich derzeit in der Region aufhält, teilte mit, es handle sich um eine internationale Herausforderung, die gemeinsames Vorgehen erfordere. Neben europäischen Verbündeten sollen sich auch arabische Staaten mit Kriegsschiffen beteiligen, die Bundesregierung prüft einen Beitrag der Bundeswehr. Doch Austins Reise wird begleitet von Drohungen aus dem Iran, der als Drahtzieher der Huthi-Angriffe gilt.

Jede multinationale Taskforce, die den Schiffsverkehr im Roten Meer zu schützen versuche, werde sich außergewöhnlichen Problemen gegenübersehen, warnt Verteidigungsminister Mohammad-Reza Ashtiani in Teheran. Die USA handelten unvernünftig, in der Region habe der Iran die Vorherrschaft. Die Huthi-Rebellen selbst warnen schon, ihre Operationen würden fortgesetzt, „bis die Aggression Israels gegen unsere tapferen Brüder in Gaza endet“.

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Die Huthi-Angriffe im Gefolge des Gaza-Krieges sind damit doppelt gefährlich: Sie bringen Schaden für den Welthandel – und das Risiko einer militärischen Eskalation, in der die USA und der Iran im schlimmsten Fall in eine direkte Konfrontation geraten. Der Handel ist bereits massiv getroffen: Immer mehr Frachtschiffe meiden die Route durch das Rote Meer und den Suezkanal, durch den normalerweise zehn bis zwölf Prozent des Welthandels abgewickelt werden. Mindestens 55 Schiffe haben bereits ihren Kurs geändert und die viel längere und deutlich teurere Route um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung eingeschlagen.

Angriffe im Roten Meer: Großer Schaden für Welthandel

Und es dürften schnell mehr werden, weil neben der deutschen Reederei Hapag-Lloyd vier weitere, weltweit führende Reedereien den Frachtverkehr durch die nur 20 Kilometer breite Meerenge zwischen Jemen und Dschibuti eingestellt haben. Sie ziehen die Konsequenz aus der Serie von Angriffen, die mit der Entführung der „Galaxy Leader“ begonnen hatte: Das Schiff, das schwer bewaffnete Huthi per Hubschrauber und Schnellbooten kaperten, liegt samt Besatzung noch immer festgesetzt im jemenitischen Hafen Hodeidah. Zuletzt waren mehrere Containerfrachter, darunter die „Al Jasrah“ von Hapag-Lloyd, bei Angriffen beschädigt worden. Ein Zerstörer der US-Marine schoss am Wochenende 14 Drohnen über dem Roten Meer ab.

Eine Militärparade der jemenitischen Huthi in der Hauptstadt Sanaa.
Eine Militärparade der jemenitischen Huthi in der Hauptstadt Sanaa. © Getty Images | Mohammed Hamoud

Angeblich wollen die Huthi mit den Attacken Gütertransporte nach Israel unterbinden, die Auswahl ihrer Ziele geht aber weit darüber hinaus. Die Folge: Versicherungsprämien für Schiffe im Roten Meer haben sich verdoppelt, am Montag legte auch der Ölpreis weltweit deutlich zu, nachdem der britische Energiekonzern BP seine Öllieferungen durch den Suezkanal aussetzte. Plötzlich werden die Huthi-Rebellen zur großen Sicherheitsgefahr im Nahen Osten. Westliche Militärs sind sicher: Der Iran hat die Verbündeten ausgewählt, um Israel an einer neuen Front unter Druck zu setzen. Der Jemen liegt dafür strategisch günstig. Von hier lässt sich leicht der globale Handel stören, doch ist Israel weit genug entfernt, dass Vergeltungsschläge schwer möglich sind.

Huthi: Wer steckt hinter der Miliz – und was will sie?

Die Huthi betrachten sich selbst als Teil der iranischen „Achse des Widerstands“ im Kampf gegen Israel: Ihre Bewegung entstand aus dem schiitischen Islam-Zweig Zaydismus im Nordjemen. Sie geriet in den 1980er-Jahren in Konflikt mit Versuchen der Regierung und Saudi-Arabiens, in der Region die sunnitische Glaubensrichtung in radikaler Form zu etablieren. Der Konflikt eskalierte über die Jahrzehnte. Erste Rebellionen konnte die Regierung niederschlagen, doch die Huthi gewannen an Stärke und besetzten bis 2014 mithilfe des Iran und der Hisbollah-Miliz den bevölkerungsreichen westlichen Jemen und die Hauptstadt Sanaa.

Das Containerschiff „Al Jasrah“ von Hapag-Lloyd. Auch dieses Schiff wurde von Huthi-Rebellen beschossen und beschädigt.
Das Containerschiff „Al Jasrah“ von Hapag-Lloyd. Auch dieses Schiff wurde von Huthi-Rebellen beschossen und beschädigt. © Hapag-Lloyd AG | Hapag-LLoyd AG

Es begann ein Bürgerkrieg, in den eine Koalition unter Führung Saudi-Arabiens eingriff, um die Wiedereinsetzung der international anerkannten Regierung zu erreichen und Irans Machtzuwachs zu verhindern. Daraus wurde ein Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der Region. Die Saudis verkalkulierten sich, gegen die Guerillataktik der Huthi mit ihren bis zu 200.000 Kämpfern konnten ihre modernen Waffen wenig ausrichten. Stattdessen griff die jemenitische Miliz mit iranischen Drohnen den Golfstaat an, ein Anschlag auf Förderanlagen lähmte zeitweise die Ölproduktion.

Iran ist der Drahtzieher hinter den Huthi-Angriffen

Längst hat das Königshaus in Riad sein Engagement im Jemen zurückgefahren. Seit einigen Monaten herrscht eine brüchige Waffenruhe als Folge einer Annäherung von Iran und Saudi-Arabien. Der Einfluss Irans aber wächst: Er hat die Huthi mit Drohnen und Raketen ausgestattet und Soldaten ausgebildet. In der Feindschaft gegenüber Israel, den USA und dem Westen sind sich beide Regime einig. Nun haben US-Geheimdienste offenbar Hinweise darauf, dass die iranische Führung die regionalen Milizen dazu drängt, ihre Angriffe gegen Israel zu intensivieren. Die iranischen Revolutionsgarden versorgen die Huthi demnach mit Geheimdienstinformationen über geeignete Ziele im Roten Meer.

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US-Militärs haben intern Vorbereitungen auf mögliche Vergeltungsschläge gegen Ziele der Huthi im Jemen getroffen, sollte die Lage eskalieren; auch in Tel Aviv soll es solche Pläne geben. Aber noch will Washington das Risiko eines größeren regionalen Krieges nicht eingehen. Schließlich hat bislang auch der Iran eine direkte Konfrontation mit den USA oder Israel vermieden. Die große Sorge in Washington ist aktuell eher, dass die Huthi unbeabsichtigt einen größeren regionalen Krieg anzetteln könnten.

„Es gibt eindeutig ein Risiko für die potenzielle Ausweitung des Konflikts“, sagt John Kirby, der Sprecher für nationale Sicherheit von Präsident Joe Biden. Bidens vorrangiges Ziel ist ein Einlenken Teherans, wie das Weiße Haus betont: Der Iran als Drahtzieher hinter den Attacken müsse jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Angriffe zu stoppen.