Kiew. Im Verteidigungsministerium soll Umerow aufräumen – doch noch größeren Nutzen verspricht sich Kiew von seinen Kontakten zu Despoten.

Den Krimtataren Rustem Umerow hat auch in der Ukraine bis vor kurzem kaum jemand gekannt. Der 41-Jährige stammt aus einer in der Stalin-Zeit nach Zentralasien deportierten Familie und ist gläubiger Moslem. Am Mittwochnachmittag wurde er vom Parlament als vierter Verteidigungsminister innerhalb der Amtszeit von Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigt. Umerow ist trotz seiner Jugend ein politisches Schwergewicht. Sein vorheriger Job ließ das nicht unbedingt vermuten.

Doch Umerows Leistung nach einem Jahr als Leiter des Fonds für Staatsvermögen gehörte zu den ausschlaggebenden Gründen, warum sich Selenskyj für den aus der Privatwirtschaft stammenden Ökonomen entschieden hat. Das Amt des Verteidigungsministers übernimmt in der Ukraine traditionell kein Militär, sondern eine zivile Person, die sich mit Fragen der Beschaffung und Logistik für die Armee beschäftigt. Nach einigen Skandalen bei irregulären Einkäufen der Streitkräfte gab es in Kiew den Wunsch nach einer Person, die innerhalb des Ministeriums für mehr Transparenz und Ordnung sorgt.

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Umerow, der von seinen Kollegen oft als „Manager der westlichen Art“ bezeichnet wird, galt als perfekte Besetzung. Beim Fonds für Staatsvermögen oblag ihm die Aufsicht über das gesamte staatliche Eigenturm. Die Behörde ist auch für Privatisierungen zuständig – und gilt als eine der korruptionsanfälligen Strukturen der Ukraine. Doch in Umerows Amtszeit blieben die üblichen Skandale aus, während die von Selenskyj angepeilte Großprivatisierung trotz des Krieges an Tempo gewann.

Umerow mit bestem Draht zu Präsident Erdogan

Umerows Vorgänger als Verteidigungsminister, Oleksij Resnikow, war bei internationalen Verhandlungen über Waffenlieferungen sehr erfolgreich gewesen. Die schwer zu bekommenen Zusagen – etwa für Leopard-Kampfpanzer oder F16-Kampfjets – tragen allesamt seine Handschrift. Auf dieser Spur werde Umerow weitermachen, ist man im Büro von Selenskyj überzeugt.

Der 41-Jährige spricht wie Resnikow hervorragend Englisch. Er hat gute Kontakten in die USA, wo er zeitweise studierte – aber auch Richtung globaler Osten und Süden. Der neue ukrainische Verteidigungsminister kennt den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan persönlich – und hält direkte Rücksprache mit dessen engen Beratern. In Kiewer politischen Kreisen gibt es Gerüchte, dass Erdogan über Umerow oft schneller zu erreichen war als über direkte offizielle Kanäle.

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Auf Nachfrage, ob das wirklich der Fall sei, stapelte Umerow tief. „Das stimmt so nicht“, erklärte er. „Der Präsident hat genug Kanäle und Möglichkeiten. Wir Krimtataren sind schon eine Art Freundschaftsbrücke zwischen der Türkei und Kiew. Aber es geht dabei mehr um kulturelle oder religiöse Themen. Wenn es sich um Staatsangelegenheiten handelt, wird direkt miteinander gesprochen.“

Krimtatarische Herkunft verbindet ihn mit Türkei

Einen guten Draht in der Türkei hat Umerow spätestens seit 2007, als er Berater von Mustafa Dschemilew wurde – einem Dissidenten in der Sowjetzeit, der die krimtatarische Dachorganisation Medschlis leitete. Dschemilew gilt als Ikone des krimtatarischen Volkes. Obwohl Umerow 2019 für die Oppositionspartei „Stimme“ im Parlament saß, nahm Selenskyjs außenpolitischer Berater und zukünftiger Stabschef Andrij Jermak schnell Kontakt zu ihm auf, um den Staatsbesuch von Selenskyj in der Türkei zu organisieren.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) schüttelt die Hand von Wolodymyr Selenskyj.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) schüttelt die Hand von Wolodymyr Selenskyj. © AFP | BANDAR AL-JALOUD

Daneben soll Umerow auch beste Verbindungen nach Saudi-Arabien pflegen. Den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman kennt der neue Minister ebenfalls persönlich. Noch während der Corona-Pandemie wirkte Umerow, damals formell noch einfacher Parlamentsabgeordneter, bei Verhandlungen über die Wiederherstellung der Flugverbindungen zwischen der Ukraine und der arabischen Welt mit. In der Ukraine galten etwas lockerere Corona-Maßnahmen als in den meisten EU-Ländern. Umerows Vorarbeit sorgte letztlich dafür, dass viele Touristen – gerade aus Saudi-Arabien – ins Land kamen.

Umerow war bei russisch-ukrainischen Verhandlungen dabei

Im vergangenen Herbst spielten Saudi-Arabien und bin Salman dann eine Schlüsselrolle bei dem heiklen Gefangenenaustausch, bei dem unter anderem Kommandeure des Asow-Regiments gegen den Putin-nahen prorussischen ukrainischen Politiker Wiktor Medwedtschuk ausgetauscht wurden. Zudem war Umerow bei den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen kurz nach Kriegsausbruch dabei – und hatte nach einer der Runden über Vergiftungssymptome geklagt.

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Einen Giftanschlag hatte er zunächst bestritten, auf Facebook sprach er von „unbestätigten Informationen“, denen man nicht trauen dürfe. Später bestätigte er einen Anschlagsversuch indirekt aber doch. Auch am Getreide-Deal mit Russland war Umerow dank seiner Türkei-Verbindungen stark beteiligt. Er begleitete sowohl Selenskyj als auch dessen Frau bei Reisen in die arabische Welt.

Geht es um westliche Waffenlieferungen, will Umerow genau dort weitermachen, wo sein Vorgänger Resnikow aufgehört hat. In Kiew hofft man, dass die Kontakte des neuen Ministers bei Gesprächen für eine Rückkehr zum Getreideabkommen und bei weiteren Gefangenenaustauschen hilfreich sein werden. Ob er aber die großen Erwartungen von Selenskyj erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt.

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