Brüssel. CSU stellt sich gegen Pläne des EU-Parlaments: Europawahl soll nicht über die Spitze der EU-Kommission entscheiden, meint Dobrindt.

Es sollte ein großer Schritt zu mehr Demokratie in der Europäischen Union werden. Wenn es nach dem EU-Parlament geht, kann künftig nur Chef der EU-Kommission werden, wer vorher als Spitzenkandidat einer Parteienfamilie bei der Europawahl angetreten ist. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätte mit dieser Regelung ihren Job nie antreten dürfen.

Doch ein Jahr vor den nächsten Europawahlen ist das Spitzenkandidaten-Prinzip noch immer nicht verankert. Stattdessen gibt es Bedenken in einer Reihe von EU-Staaten – und kritische Stimmen auch in Deutschland. Aus der CSU kommt jetzt sogar die Forderung nach einem formellen Ende des Spitzenkandidaten-Prinzips: Die Europawahl solle allein über die Zusammensetzung des EU-Parlaments entscheiden und nicht mit der Frage verbunden werden, wer Präsident der EU-Kommission werde, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Redaktion.

CSU: Europawahl soll nicht über EU-Kommissions-Spitze entscheiden

„Das Spitzenkandidaten-Konzept führt nicht zum Erfolg, sondern zu Irritationen wie beim letzten Mal, als Manfred Weber Spitzenkandidat war und Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin geworden ist“, sagte Dobrindt. Zum Tragen kam diese Verknüpfung bislang nur 2014, als die EU-Staats- und Regierungschefs den Wahlsieger Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsidenten vorschlugen und dieser anschließend vom EU-Parlament gewählt wurde.

Nach den Europawahlen 2019 wollte das Parlament dieses Verfahren eigentlich wiederholen: Doch scheiterte der erfolgreiche Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) am Widerstand unter anderem von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – stattdessen wurde nach langem Ringen von der Leyen Kommissionschefin, obwohl sie nicht für das Parlament kandidiert hatte.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, bei einer Rede Bundestag.
Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, bei einer Rede Bundestag. © dpa | Kay Nietfeld

Europawahl: Dobrindt setzt Spitze gegen Parteifreund Weber

Dobrindt sagte: „Man sollte die Europawahl zu dem machen, was sie ist: eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, aber keine Entscheidung über die Führung der Europäischen Kommission.“ Wahlen brauchten natürlich Listenführer, insofern werde es diese auch bei der Europawahl geben.

„Aber damit sollte kein Führungsanspruch in der Kommission verbunden sein“, fügte der CSU-Politiker hinzu. Dobrindts Forderung ist wohl auch eine Spitze gegen CSU-Vize Manfred Weber, der als EVP-Fraktionschef im EU-Parlament ein entschiedener Verfechter der Neuregelung ist. Auch eine Mehrheit des EU-Parlaments fordert, das Spitzenkandidaten-Prinzip verbindlich festzuschreiben.

Zuvor hatte sich aber bereits der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz skeptisch geäußert: „Wir können das Spitzenkandidaten-Prinzip nur machen, wenn es nicht wie 2019 nach der Europawahl Enttäuschungen gibt.“ Merz fordert dazu verbindliche Absprachen zwischen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen.

Von der Leyen hält sich alle Optionen offen

In dieser Gemengelage hält sich nun auch von der Leyen alle Optionen offen. Sollte sie sich für eine zweite Amtszeit bewerben, dürfte sie zwar in Deutschland für das EU-Parlament kandidieren und voraussichtlich auch Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie EVP werden.

Aber von der Leyen lässt jetzt offen, ob sie die umstrittene Bedingung unterstützt. Hier komme es in erster Linie auf die Mitgliedstaaten und das Europaparlament an, sagt sie. „Das wird zu gegebener Zeit entschieden werden“. Dabei hatte von Leyen vor ihrer knappen Wahl zur Präsidentin im Juli 2019 dem EU-Parlament klare Zusagen gemacht: Zu dem Programm, das sie vorstellte, gehörte auch eine deutliche Stärkung des Spitzenkandidaten-Prinzips.