Braunschweig. Paketzusteller haben nicht nur mit teils niedrigen Löhnen zu kämpfen. Das zeigt eine Auswertung der Linken für Niedersachsen.

Paketzusteller verdienen nicht nur oft wenig, sondern haben auch häufig befristete Arbeitsverträge. Das zeigt eine Auswertung der linken Bundestagsfraktion für Niedersachsen, die unserer Zeitung exklusiv vorliegt. Der Anteil der sogenannten Aufstocker ist in der Branche der Post-, Kurier- und Expressdienste demnach mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft.

Die Linken hatten eine kleine Anfrage zu den Arbeitsbedingungen in der Branche gestellt. In Niedersachsen bezogen laut der Antwort der Bundesregierung im vergangenen Jahr 5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Branche aufstockende Leistungen, die das Gehalt ergänzen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Das waren 0,8 Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt. In der Gesamtwirtschaft lag der Anteil der Aufstocker in Niedersachsen nur bei 1,8 Prozent, ebenso bundesweit.

427.000 Beschäftigte in der Branche

Die Branche boomt, dem Online-Handel sei Dank. Die Zahl der Beschäftigten stieg der Auswertung zufolge in den vergangenen zehn Jahren deutlich: in Niedersachsen um etwa 36 Prozent auf 39.000, bundesweit um rund 24 Prozent auf 427.000. „Während die Branche weiter wächst, kommt bei den meisten Beschäftigten nichts an“, kritisiert Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion. „20 Jahre nach der Post-Privatisierung führen die Unternehmen einen erbitterten Wettbewerb über die schlechtesten Arbeitsbedingungen.“

Paketzusteller und Co. sind deutlich öfter befristet beschäftigt als der Schnitt der Gesamtwirtschaft. Bundesweit knapp 53 Prozent der Neueinstellungen in der Branche waren im ersten Halbjahr 2018 befristet, in Niedersachsen sogar gut 56 Prozent. Über alle Branchen hinweg lag der Schnitt bei knapp 42 Prozent in ganz Deutschland und knapp 41 Prozent in Niedersachsen.

Der durchschnittliche Monatslohn von Vollzeitbeschäftigten der Zustellbranche stieg von 2007 bis 2017 um 4,7 Prozent auf 3121 Euro, wie die Parlamentarier ausführen. Dabei zeigen sich jedoch große Unterschiede: In tarifgebundenen Unternehmen verdienten die Beschäftigten zuletzt 3244 Euro – in nicht tarifgebundenen nur 2582 Euro, ein Rückgang um 6 Prozent seit 2007. Das Durchschnittsgehalt der Gesamtwirtschaft lag demnach zuletzt bei 4149 Euro. Krellmann fordert allgemeinverbindliche Tarifverträge: „Die Bundesregierung darf nicht länger zusehen, wie Briefträger und Paketzusteller für ihre harte Arbeit mit Niedriglöhnen abgespeist werden“, findet die linke Abgeordnete. „Tarifflucht darf sich nicht auszahlen.“

Teilzeit weit verbreitet

12 Prozent der abhängig Beschäftigten der Branche arbeiteten regelmäßig nachts, gut 9 Prozent regelmäßig im Schichtbetrieb und 3,3 Prozent 49 oder mehr Stunden pro Woche. Quelle dieser Zahlen ist der Mikrozensus für 2017. Teilzeit ist in der Branche demnach weit verbreitet: In Niedersachsen arbeiteten knapp 27 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit, bundesweit gut 22 Prozent. In der niedersächsischen Gesamtwirtschaft lag die Teilzeitquote nur bei knapp 15 Prozent.

Manche Unternehmen bezahlen darüber hinaus nicht genügend Sozialbeiträge und unterlaufen den Mindestlohn. Die Fahrer, etliche aus Osteuropa, sind nach Gewerkschaftsangaben oft mit eigenen Kleintransportern als Scheinselbstständige für die Logistik-Riesen unterwegs. Von den fünf Branchenführern bedienen sich laut Verdi vor allem Hermes, DPD und GLS sogenannter Sub-Modelle.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nun per Gesetz gegen Missstände in der hart umkämpften Paketbranche vorgehen. „Ich bin nicht bereit, die Entwicklung in Teilen der Paketbranche länger zu akzeptieren“, hatte er im März gesagt. Die großen Zustelldienste sollen bei Verstößen ihrer Subunternehmer gegen die Sozialversicherungspflicht selber einstehen und die Beiträge zahlen. Die niedersächsische Landesregierung hatte zuvor eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen.

20 Jahre nach der Post-Privatisierung führen die Unternehmen einen erbitterten Wettbewerb über die schlechtesten Arbeitsbedingungen.
Jutta Krellmann