Hannover. Mit der „Nachunternehmerhaftung“ sollen Zusteller für Subunternehmer haften.

Stundenlöhne von 4,50 Euro, Arbeitszeiten von zwölf, manchmal sogar 16 Stunden am Tag: In der boomenden Branche der Paketzusteller herrschen für viele Beschäftige unwürdige Zustände. „Mafiöse Strukturen“ beklagte Verdi-Chef Frank Bsirske erst am Samstag in einem Interview mit unserer Zeitung. Niedersachsens SPD/CDU-Regierung reagiert jetzt. Das Kabinett in Hannover beschloss am Dienstag eine Bundesratsinitiative, um die Rechte der Paketboten zu stärken. Ziel ist die gesetzliche Einführung der sogenannten Nachunternehmerhaftung. Die großen Zustelldienste müssten dann bei Verstößen ihrer Subunternehmer gegen die Sozialversicherungspflicht selber einstehen und die Beiträge zahlen.

„In der Paketbranche wird allzu oft der Mindestlohn unterlaufen, Sozialbeiträge werden in zu geringem Umfang abgeführt“, beklagte Sozialministerin Carola Reimann (SPD). „Davor müssen Beschäftigte in Zukunft besser geschützt werden.“ Die Fahrer, davon etliche aus osteuropäischen Ländern, sind nach Gewerkschaftsangaben oft mit eigenen Kleintransportern als Scheinselbstständige für die Logistik-Riesen unterwegs, manche gar mit gefälschten Pässen. Von den fünf Branchenführern bedienen laut Verdi vor allem Hermes, DPD und GLS sich sogenannter Sub-Modelle. Der von den großen Versandhändlern ausgeübte Preisdruck sei schuld, heißt es in der Branche. Nur DHL und UPS gelten in Gewerkschaftskreisen dank hoher Quoten festangestellter Fahrer als „weiße Schafe“.

Bei diesen Nachunternehmer-Ketten hat der ursprüngliche Auftraggeber mitunter keine Kenntnis mehr, wer als letztes Glied die Ware tatsächlich ausliefert und unter welchen Bedingungen dies geschieht. Wenn der Paket-Auslieferer keine Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung entrichtet, kann sich sein großes Logistik-Unternehmen bisher bequem rausreden. Und sich beim Bekanntwerden von Rechtsverstößen durch Kündigung des Subunternehmers einfach aus der Verantwortung ziehen.

Damit soll nun Schluss sein. Niedersachsen will den Vorstoß am 15. März in die Länderkammer einbringen. Die Bundesratsinitiative sieht außerdem umfangreiche Dokumentationspflichten etwa über Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Dauer der täglichen Arbeitszeit vor.

Verdi-Landeschef Detlef Ahting begrüßte den Vorstoß gegen die „untragbaren und unmenschlichen Zustände“ in der Paketbranche. Gleichzeitig forderte er „regelmäßige und flächendeckende Kontrollen“ und dafür mehr Personal bei Steuerbehörden, Zoll und Polizei.