Peine. EU legt neue Vorschriften für Hunde und Katzen vor. Tierschützer rügen die neuen Pläne. Sie sehen „erheblichen Nachbesserungsbedarf“.

Die Europäische Union will einheitliche Tierwohl-Standards für Hunde und Katzen. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission Vorschriften für das Wohlergehen und die Rückverfolgbarkeit von Hunden und Katzen vorgelegt. Mit diesen sollen erstmals einheitliche EU-Standards für Zucht, Unterbringung sowie den Umgang mit Katzen und Hunden in Zuchtbetrieben, Zoohandlungen und Tierheimen festgelegt werden. Denn der Handel mit Hunden und Katzen habe in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen und einen „jährlichen Wert von 1,3 Milliarden Euro“.

Illegaler Handel mit Tieren steigt

Kein Wunder also, dass auch der illegale Handel mit den Tieren stark steige. Dies sei auch eine Folge des wachsenden Online-Markts, auf den mittlerweile 60 Prozent aller Hunde- und Katzenverkäufe in der EU entfielen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht folglich auch eine bessere Rückverfolgbarkeit der Haustiere durch eine obligatorische Kennzeichnung und Registrierung in nationalen Datenbanken vor. Ziel sei es, „den illegalen Handel zu bekämpfen und die Tierschutzbedingungen in den Einrichtungen besser zu kontrollieren“, heißt es in einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission. Die Vorschläge werden in einem nächsten Schritt dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt. Zudem wird die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) diese bis März 2025 in einem wissenschaftlichen Gutachten bewerten.

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Die „schlimmsten Kritikpunkte“

Derweil wird erste Kritik an den EU-Plänen laut. So begrüßt die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) zwar „das Vorgehen der EU-Kommission gegen den illegalen Welpenhandel im Interesse des Tierwohls, des Verbraucherschutzes und des Europäischen Marktes“. Die Vereinigung sieht aber auch „an mehreren Stellen erheblichen Nachbesserungsbedarf“. Vorstandsmitglied Ellen Apitz listet die ihrer Meinung nach „schlimmsten Punkte“ der geplanten EU-Verordnung auf: „Der Züchter muss Hunden und Katzen nur vier Quadratmeter Platz bieten, für jedes weitere Tier zwei Quadratmeter. Zehn Hunde oder Katzen dürften demnach auf 22 Quadratmetern gehalten werden; in Räumen ohne Tageslicht – bei 10 Grad Mindesttemperatur für Hunde und 15 Grad für Katzen.“ Das seien keine Bedingungen, um gesunde, verhaltensunauffällige Hunde und Katzen zu züchten, die als tierische Familiengefährten innerhalb der Familie für Freude sorgen sollen. Stattdessen seien diese Tiere oft Sorgenkinder. Die geplanten Zucht-Kriterien rügt Apitz ebenfalls: „Eine Zucht ohne ausreichende Mindeststandards und ohne ausnahmslose Kennzeichnung und Registrierung für eine lückenlose Rückverfolgung wäre möglich, wenn der Züchter nicht mehr als drei Hündinnen oder Zuchtkatzen mit zwei Würfen pro Jahr hat.“

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Illegaler Welpenhandel: Zusammengepferchte Hunde in einem Transporter.
Von Alexandra Ritter

Schlupflöcher müssen geschlossen werden

Der illegale Handel mit den Tieren könne nur eingedämmt werden, wenn der finanzielle Anreiz fehle und Schlupflöcher geschlossen würden; dies sei jedoch nicht der Fall. So lägen die Preise pro Tier auch im Online-Handel selten weit unter 1000 Euro. Apitz rechnet vor: Bei drei Zuchttieren mit zwei Würfen im Jahr und je fünf Hundewelpen oder Rassekatzenkitten bedeute dies 30 Nachkommen im Jahr und einen Umsatz von etwa 30.000 Euro. So genannte Qualzuchten, bei denen Tiere aufgrund ihrer angezüchteten Merkmale ein Leben mit Schmerzen und Schäden führen, würden mit der geplanten EU-Verordnung lediglich minimiert, nicht aber konsequent verboten. Auch blieben die Vorgaben zur Umsetzung der Kontrolle unklar, und Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren seien zu lang. „Sind solche Zucht- und Haltungsbedingungen zulässig, öffnet dies einer Zucht von Hunden und Katzen unter massiv tierschutzwidrigen Voraussetzungen Tür und Tor“, betont Apitz. Die DJGT hat deshalb eine Stellungnahme an die EU verfasst; auch Bürger können ihre Meinung zu der geplanten Verordnung bis 14. März bei der EU-Kommission abgeben.

Die illegale Zucht ist lukrativ.
Die illegale Zucht ist lukrativ. © Tierschutzbund | Andreas Brucker

Welpen auf A2-Parkplätzen bei Peine

Ein Lied vom Tierleid singen können die Tierschützer aus Peine. 35 ausgesetzte Hunde im Landkreis, darunter etwa 20 Welpen, hat das Tierheim 2023 verzeichnet. Eine große Rolle hätten dabei die Parkplätze Röhrse und Zweidorfer Holz an der Autobahn 2, eine der wichtigsten Achsen auf der Route von Ost nach West, gespielt. „Die Tiere werden aus dem Auto geworfen oder in Boxen auf den Parkplätzen abgestellt“, berichtet Tierheimleiterin Heike Brakemeier, die mutmaßt, dass einige der Tiere dem illegalen Welpenhandel zuzuordnen seien. Zudem seien wohl „Restbestände von Züchtern“ vor dem Tierheim entsorgt worden. In Peine bleiben können die Tiere nicht. Sie kommen ins Tierheim Braunschweig, das einzige im Umkreis, das eine Tollwutquarantäne-Station hat. „Auch wir wollen eine Tollwutquarantäne bauen; im Herbst soll sie stehen“, kündigt Brakemeier an.

Tollwutquarantäne-Station in Braunschweig

Das Tierheim Braunschweig hat im vorigen Jahr 32 Hunde (2022: 20) in seiner Tollwutquarantäne-Station aufgenommen. Sechs Räume weist diese auf. Abhängig von der Größe der Tiere können dort zeitgleich ein bis zwei große Hunde oder fünf Welpen in einem Raum unterkommen. Meist handele es sich um Hunde (seltener Katzen), die an den Autobahn-Parkplätzen aufgegriffen würden oder aus gestoppten Fahrzeugen stammten, berichtet Tierheimleiterin Verena Geißler. „Wir bekommen aber auch viele Hunde über Tierärzte, die etwa keinen EU-Heimtierausweis haben oder bei denen etwas mit dem Impfpass nicht stimmt.“ Häufig handele es sich dabei um Tiere, die Bürger aus dem Ausland mitgebracht hätten. Nach der Tollwutquarantäne könnten diese dann wieder zu den neuen Besitzern. Doch auch der illegale Welpenhandel sei so lukrativ, dass es sich für Händler lohne, die Strafe zu zahlen und beschlagnahmte Tiere nach der Quarantäne aus der Obhut des Tierheims auszulösen, um sie zu verkaufen. Denn: „Trotz einer Strafe bleiben sie Eigentum des Händlers“, sagt Geißler. „Die Herausgabe ist für uns bitter und mit das Schwierigste an unserem Job.“

Illegaler Handel in Niedersachsen

2022 wurden laut Tierschutzbund bundesweit 292 Fälle von illegalem Welpenhandel bekannt, mindestens 1230 Tiere waren betroffen; davon 1027 Hunde, 96 Katzen und 107 andere Tiere. In Niedersachsen wurden 2022 drei Fälle verzeichnet (im Vergleich: 149 Fälle in Bayern), einer davon in Braunschweig. „Bei einem der aufgedeckten Transporte in Niedersachsen wurden 37 Tiere beschlagnahmt, transportiert wurden Esel, Kronenkraniche, Schneeeulen, Perlhühner, Wasserschweine, Fasane, Höckerschwäne, ein Stinktier und Enten. Die Tiere wurden unter tierschutzwidrigen Bedingungen eingepfercht in einem Transporter transportiert. Bei den anderen beiden Fällen wurden illegal Hundewelpen transportiert, darunter neun Labradore sowie eine Französische Bulldogge, die zu jung und ohne Papiere eingeführt wurden“, listet Pressereferentin Nadia Wattad auf. Im Oktober 2023 wurde zudem auf der A 2 im Landkreis Peine ein Transport mit zehn Hundewelpen gestoppt. Dabei fanden die Beamten Yorkshire Terrier, Malteser, Shih Tzu und Chihuahua.

Hohe Dunkelziffer

„Die Auswertung der Zahlen zeigt, dass der illegale Welpenhandel auch nach der Pandemie ein lukratives Geschäft geblieben ist“, sagt Wattad. Sie verweist darauf, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher sei. „Wir können immer nur etwas zu den tatsächlich dokumentierten Fällen sagen, die uns von Tierheimen und Tierschutzvereinen gemeldet werden und/oder die durch Presseberichte bekannt werden. Diese Fälle stellen lediglich die Spitze des Eisbergs dar.“ Häufig handele es sich um Zufallsfunde. Die Vermehrerstationen befänden sich meist in Osteuropa. Die Spitzenreiter 2022: Rumänien (24,48 Prozent der Fälle), Bulgarien, Polen und Ungarn.

Hintergrund:

Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) ist eine Vereinigung, deren Mitglieder – vornehmlich Juristen – sich mit dem deutschen, europäischen und internationalen Tierschutzrecht befassen. Die DJGT setzt sich für die Förderung des Tierschutzes ein. Aus der engen Zusammenarbeit der Juristen sollen rechtspolitische Initiativen entstehen, um auf die Öffentlichkeit, politisch Verantwortliche und die Verwaltung einzuwirken. Quelle: DJGT

Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Wohlergehen von Hunden und Katzen und ihre Rückverfolgbarkeit ist einzusehen unter: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/14061-Hunde-und-Katzen-Tierschutz-und-Ruckverfolgbarkeit-neue-Vorschriften-_de
Rückmeldungen zur Verordnung können dort bis 14. März abgegeben werden.

Wer gewerbsmäßig in Deutschland mit Hunden und Katzen handelt oder Hunde und Katzen züchtet, bedarf ebenso einer Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz wie Händler, die Tiere aus dem Ausland nach Deutschland einführen und diese hier verkaufen oder vermitteln. Liegt diese Erlaubnis nicht vor, findet der Handel beziehungsweise die Vermittlung illegal statt und ist strafbar. Die Strafen (Ordnungswidrigkeiten) liegen zwischen 5000 und 25.000 Euro. Im Einzelfall kann bei illegalen Transporten auch eine Straftat nach § 17 Abs. 2b TierSchG vorliegen, wenn den Welpen länger andauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden. Quelle: Polizeil. Kriminalprävention der Länder und des Bundes

Das sollte man beim Hunde- und Katzen-Kauf beachten:
• Vorsicht bei Angeboten bei Onlineportalen, Kleinanzeigen, Tageszeitungen.
• Keine Hunde und Katzen an zwielichtigen Orten wie Autobahnraststätten, Hinterhöfen oder ähnlichen Orten kaufen.
• Verdächtige Autokennzeichen notieren.
• Den Kaufvertrag eingehend prüfen und/oder fachmännisch prüfen lassen.
• Genau auf das Aussehen und Verhalten des Welpen achten und bestenfalls das Muttertier gesehen haben.
• Hunde und Katzen dürfen erst im Alter von mindestens acht Wochen abgegeben werden. Hunde und Katzen, die aus dem EU-Ausland kommen, müssen mindestens 15 Wochen alt sein.
• Vor dem Kauf das Tier einem Tierarzt vorstellen oder sich Kopien tierärztlicher Atteste geben lassen.
• Auf notwendige Gesundheitsmaßnahmen wie Impfungen, EU-Heimtierausweis, Chippen und Voruntersuchungen achten (z.B. Röntgenbilder, ggf. MRT).
• Unseriöse Züchter, illegale Händler oder Vermittler beim Veterinäramt oder der Polizei melden. Quelle: Polizeil. Kriminalprävention der Länder und des Bundes

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