Lengede. Der Staat sei gefordert. Nach sieben Sprengungen von Geldautomaten im Kreis Peine in 2022 kehrte Ruhe ein. Nun knallt es in Lengede, und das mehrfach.

Der Notruf bei der Leitstelle in Braunschweig ging in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gegen 2.14 Uhr ein – und er war im wahrsten Sinne des Wortes explosiv: In der Volksbank-Filiale in Lengede ist in der Nacht zu Mittwoch ein Geldautomat gesprengt worden. Es war längst nicht der erste Vorfall im Kreis Peine und bundesweit.

Deswegen betont Jürgen Brinkmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Brawo, in der Pressemitteilung zum jüngsten Vorfall in Lengede: „Unsere Sicherheitsmaßnahmen entsprechen dem aktuellen Stand der Technik. Allerdings sind wir gegen die massive Gewaltanwendung der Täter machtlos. Hier ist für uns ganz klar der Staat gefordert, den Täterbanden das Handwerk zu legen und die Banken und vor allem die Bevölkerung zu schützen.“

Seitens der Polizei, und teilweise auch aus der Politik, hatte es mit der Serie der Sprengungen von Geldautomaten bundesweit zuvor wiederum Kritik an den Banken gegeben. Diese täten nicht genug, um die Täter – vorwiegend wohl Banden aus den Niederlanden – durch technische Sicherungsmaßnahmen abzuschrecken.

Dazu heißt es in der Pressemitteilung der Volksbank: „Wie in allen Geschäftsstellen der Volksbank Brawo sind die Geldautomaten auch in Lengede durch ein modernes Banknotenfärbesystem gesichert, welches auch ausgelöst hat. Dennoch konnten auch die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen die Täter nicht an dem Anschlag auf die Geschäftsstelle hindern.“ Man sei seit vielen Jahren in engem Austausch mit den zuständigen Stellen der Polizei für den Schutz der Geldautomaten.

Kollateralschäden werden bei den Sprengungen in Kauf genommen

Die Täter gingen bei den Sprengungen mit außerordentlich brachialer Gewalt vor und nähmen dabei Kollateralschäden mutwillig in Kauf. Jürgen Brinkmann: „Was wir erleben, ist Terror. Was ich vermisse, sind Reaktionen staatlicher oder internationaler Stellen, wie sie sonst bei Terror erfolgen.“

Zündung in Lengede mit einem rund 20 Meter langen Kabel

Zum Ablauf in Lengede teilte die Polizei am Mittwochnachmittag folgendes mit: „Durch Delaborierer kann festgestellt werden, dass zwei Geldautomaten mittels Sprengsatz präpariert worden sind. Die Betätigung erfolgte mit einem circa 20 Meter langem Kabel außerhalb des Gebäudes. Nach der ersten Explosion konnten erneut Sprengmittel gesetzt werden, um an die verbauten Geldkassetten zu gelangen.“

Insgesamt habe es vier Sprengungen gegeben. „Die Sicherungsmaßnahmen der Geldautomaten haben gegriffen, sodass das entwendete Geld, sowie das übrige Geld in den Automaten unbrauchbar geworden ist“, so die Polizei weiter. Genaue Angaben zu der Höhe des entwendeten Geldes könnten noch nicht gemacht werden. Der Alarm sei durch die Bankfiliale ausgelöst worden.

Geldautomat in Lengede gesprengt – Statik des Gebäudes muss geprüft werden

Das Technische Hilfswerk (THW), prüfte in Lengede durch einen Baufachberater erst einmal die Statik des Gebäudes. Darf es betreten werden, geht zunächst die Spurensicherung hinein. „Erst dann dürfen wir selbst rein“, berichtete Stefan Honrath von der Volksbank im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Polizei teilte mit: „Eine umfangreiche Spurensicherung wurde durchgeführt und entsprechende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Die weiteren Ermittlungen werden durch die Zentrale Kriminalinspektion und die Staatsanwaltschaft Osnabrück geführt.“

Wieder erhebliche Zerstörungen nach der Sprengung, eventuell keine Beute

Honrath bezeichnete die Situation in Lengede vormittags erneut als „erhebliche Zerstörungen, in der gesamten Geschäftsstelle“ nach der Auslösung des Sprengmaterials, das die Täter inzwischen nutzen, um an die Scheine in den Geldautomaten zu kommen. Das Wichtigste: „Es gibt keine Personenschäden.“ Und am Mittwochnachmittag ergänzte die Bank: „Nach dem jetzigen Erkenntnisstand haben die Täter keine Beute erzielt.“

Stefan Honrath betonte zum heiß diskutierten Thema Sicherheitsmaßnahmen: „Alle möglichen Techniken waren in Lengede da.“ Das gelte auch für die „Verfärbetechnik“. Die sorgt dafür, dass nach einer Sprengung die Geldscheine in dem Automaten mit Farbe besprüht werden. Die soll die Geldscheine unbrauchbar machen und im Idealfall Täter überführen.

Das Verfärbesystem sei bei dem Anschlag nach Angaben der Bank ausgelöst worden. Die sieht deswegen kein Motiv mehr „für solche Taten, obgleich die Beute durch das Färbesystem nahezu unbrauchbar wird“, bezeichnet die Sprengungen als „völlig unverständlich.“

Automatisches Einfärben der Scheine schreckt die Täter auch in Lengede nicht ab

In vorherigen Gesprächen unserer Zeitung machte die Polizei deutlich, dass das Einfärben der Geldscheine die Täter nicht von weiteren Sprengungen abzuhalten scheint. Womöglich gebe es in irgendeiner Form einen illegalen Markt auch für eingefärbte Geldscheine. Daher gelte meistens nach einer Sprengung: „Die nehmen alles mit.“

Sprengung von Geldautomat in Lengede: Zeugen sehen Fahrzeug davonrasen

Um die Gefahrenlage in der Volksbank-Filiale zu sondieren, seien Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts im Gebäude gewesen, so die Polizei auf Nachfrage in einer ersten Stellungnahme.

Zeugen hätten kurz nach der Explosion ein schnelles Fahrzeug in dunkler Farbe in Richtung Norden Klein Lafferde/Ilsede wegfahren sehen, in dem offenbar mehrere Personen saßen. „Es ist davon auszugehen, dass das genutzte Fluchtfahrzeug durch die Täter mit einem entwendeten Kennzeichen, vermutlich ein Hannoveraner Kennzeichen, für die Tat vorbereitet wurde“, so die Polizei.

Mitarbeiter aus Lengede arbeiten „vorläufig“ in der Filiale in Lebenstedt

Stefan Honrath, der sich wie immer selbst ein Bild vor Ort machte, teilte noch mit, dass die fünf Lengeder Mitarbeiter der Volksbank „vorläufig“ in der Geschäftsstelle in Lebenstedt mitarbeiten (Albert-Schweitzer-Straße 1). Nach der erneuten Sprengung eines Geldautomaten laufe nun ein Einsatzplan der Bank ab.

Die Sprengung in Lengede ist die erste im Jahr 2023. Im vorherigen Jahr gab es im Kreis Peine insgesamt sieben Sprengungen von Geldautomaten, nicht nur die der Volksbank. Die Folge sind immer Schließungen von Filialen, einige sind immer noch nicht wieder geöffnet, bleiben geschlossen oder haben andere Öffnungszeiten bekommen.

Unmut in der Gemeinde Ilsede: Zum Bargeldabheben nach Peine – „das ändert sich“

Die Volksbanken in Gadenstedt und Groß Ilsede sind aktuell geschlossen. Oberg als „Notfiliale“ hat keinen eigenen Geldautomaten. Zum Geldabheben müssen die Kunden nach Peine. Das sorgt nach Informationen unserer Zeitung zunehmend für Unmut.

Stefan Honrath sagt dazu auf Nachfrage: „Das ändert sich.“ Es ist die „unverrückbare Absicht der Volksbank“ in der Gemeinde Ilsede wieder normalen Betrieb, mit Geldautomaten, anzubieten. Doch der Wunsch habe sich zuletzt nicht realisieren lassen. Details würden möglichst aber in Kürze bekannt gegeben.