Doha. Der frühere Woltorfer Wolff-Christian Peters sieht im Stadion die deutsche Auftaktniederlage und sammelt überraschend viele positive Eindrücke.

Der frühere Woltorfer Wolff-Christian Peters ist bei der Fußball-WM in Katar. Er erlebte auch die Auftaktniederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan (1:2) mit – und erhielt erneute weitere Eindrücke. Hier sein nächster Bericht:

Eigentlich hatte ich ja gedacht, meine Berichte über die WM-Spiele mit einer gewissen Euphorie beginnen zu können. Die kuriose Niederlage gegen Japan im ersten Gruppenspiel (Japan traf bei 3 oder 4 Chancen zweimal, Deutschland bei mehr als 10 erstklassigen Chancen nur einmal per Elfmeter) dämpfte die Stimmung zumindest vorübergehend. Jetzt stehen für Deutschland bereits ab dem zweiten Spiel nur noch K.o.-Spiele an.

Vor und besonders nach dem Spiel guter Laune: Fans von Japan.
Vor und besonders nach dem Spiel guter Laune: Fans von Japan. © Wolff-Christian Peters

So richtig mag in unserer kleinen Fan-Gruppe niemand mehr an ein Weiterkommen glauben. Also ein Russland-Deja vu?

Fans von Japan in der Überzahl

Im Khalifa-Stadion beherrschten am Mittwoch die japanischen Fans die Szenerie: Trommelgruppen, permanente Anfeuerungsrufe für „Nippon“ und Tausende japanische Flaggen (die gab es umsonst vor den Stadion-Toren für beide Teams) schwenkender Fans – auch nicht-japanischer Herkunft – dominierten das Bild. Die Unterstützung für Deutschland hielt sich in Grenzen.

Kritik an der Kritik

Während wir als deutsche Fans den vergebenen Chancen in beiden Halbzeiten nachtrauerten, feierten die Japaner umso ausgiebiger nach dem Schlusspfiff. Die „öffentliche“ Meinung unter den einheimischen und internationalen Fans tendierte nicht nur wegen des Außenseiter-Status zu Japan, sondern wohl auch die anhaltendende und hier vor Ort als unberechtigt empfundene Kritik der deutschen Politik und Öffentlichkeit trug dazu bei.

Eine „arabische WM“

Die viel beschworene Stimmung in Katar ist nämlich durchweg positiv und gut. Die WM wird in der arabischen Region nicht als katarische Veranstaltung wahrgenommen, sondern als eine „arabische WM“, die aus welchen Gründen auch immer in Katar stattfindet. Die Fans aus Saudi-Arabien, Dubai oder selbst Ägypten sind stolz darauf, dass ein arabisches Land die WM organisiert und in einem prächtigen Rahmen ausrichtet. Die vornehmlich europäische Miesepetrigkeit erzeugt hier vor allem Unverständnis.

Lob für die Organisation, Züge ohne Lokführer

Wolff-Christian Peters mit seiner Fan-Gruppe.
Wolff-Christian Peters mit seiner Fan-Gruppe. © Wolff-Christian Peters

Und ich muss einfach zugeben, dass Organisation und Willkommensstimmung in Katar wirklich gut sind. Die in der letzten Dekade aus dem Boden gestampfte Infrastruktur in der Stadt und rund um die Stadien ist erstklassig. Katar hat neben sieben neuen (das noch aus den 70er Jahren stammende Khalifa-Stadion wurde zusätzlich modernisiert) Stadien auch drei U-Bahn-Linien gebaut (hier „Metro“ genannt), die sechs der acht Stadien direkt anbinden. Die Züge verkehren alle drei Minuten und werden automatisch – also ohne Zugführer – gesteuert.

Entgegen den Befürchtungen in der europäischen Presse (und auch von mir), dass die Transportsysteme die Fan-Massen nicht bewältigen können, ist der Transport von den Stadien zu den Metro-Stationen hochgradig effizient auf gut ausgeschilderten und wegweisendem Personal organisiert. Es dauert zwar mitunter etwas, ehe man in die Züge kommt, aber selbst in den Warteschlangen herrscht gute Stimmung. Arabische Trommel- und Tanzgruppen, wunderliche Stelzengänger und Musiker sorgen für Unterhaltung.

Nach dem fußballerisch eher überschaubaren Spiel Schweiz gegen Kamerun (1:0) waren wir überwältigt von der unglaublich hohen Effizienz in der Organisation und Lenkung der Zuschauermassen. Die aus dem Stadion strömenden Zuschauer wurden in sich verengende (Serpentinen-) Gassen – begrenzt von Bauch-hohen Barrieren – bis zu einem Bus-Terminal geführt. Dort warteten rund 200 moderne Busse, die uns zur nächsten Metro-Station brachten. Von dort ging es dann in 20 Minuten in die Innenstadt und vorn dort wiederum per Bus in die Nähe unserer Wohnung.

Viele 8-spurige Straßen

Vor dem Spiel Schweiz gegen Kamerun (1:0).
Vor dem Spiel Schweiz gegen Kamerun (1:0). © Wolff-Christian Peters

Das (neu gebaute) Stadion al-Janoub liegt im Süden Dohas, in der ebenfalls völlig weitgehend errichteten Satelliten-Stadt al-Wakra. Dabei handelt es sich nicht um ein paar Straßenzüge von Neubauten, sondern um eine eigene kleine Stadt mit sehr guter Verkehrsanbindung (ich habe noch nie so viele 8-spurige Straßen wie in Katar gesehen) inklusive Metro-Station, eigenen Shopping Malls und Geschäftsviertel.

Alle Gebäude sind in einem hellen sandfarbigen Ton gehalten und verschmelzen damit gut mit der staubigen, momentan eher pastellfarbigen Wüstenlandschaft, in der nicht nur al-Wakra, sondern eigentlich ganz Katar liegt. Vegetation, wo sie denn existiert, ist immer künstlich angelegt.

„Der ökologische Fußabdruck der WM ist natürlich weiterhin unakzeptabel“

Unser Eindruck der WM in Katar nach den ersten beiden Spieltagen ist um Vieles positiver als nach den z. T. extrem kritischen Vorab-Kommentaren zu erwarten gewesen ist. Der ökologische Fußabdruck der WM ist natürlich weiterhin unakzeptabel hoch (an die Existenz von ausreichenden Kompensationsprojekte glaube ich nicht so ganz), Menschenrechtslage und politische Partizipation in Katar sind ebenfalls nicht mit der Situation in Deutschland zu vergleichen und die Arbeitsbedingungen für die rund drei Millionen Gastarbeiter könnte sicherlich auch weiter verbessert werden.

Die Fanmassen werden laut Wolff-Christian Peters sehr gut organisiert gelenkt.
Die Fanmassen werden laut Wolff-Christian Peters sehr gut organisiert gelenkt. © Wolff-Christian Peters

Doch es ist keine chaotische WM mit einem überforderten Gastgeber, fehlender Stimmung und uninteressierter Bevölkerung. Die WM hat trotz deutscher Auftaktniederlage begonnen Spaß zu machen. Sportlich war dies sowieso niemals eine Frage.