Berlin. Eine Entdeckung in Sachsen-Anhalt gibt einen Einblick in frühere Lebensweisen – und verblüfft Archäologen aus mehreren Gründen.

Wer heutzutage einen Ausflug macht, kann Lebensmittel unkompliziert in einer Brotdose mitnehmen. Doch unsere Vorfahren hatten es nicht so leicht – und griffen deshalb zu einem Trick: Sie nutzen den Panzer von Schildkröten, um Fleisch zu transportieren und konservieren. Die Überreste solcher frühen „Konserven“ haben Archäologen nun in einer Kiesgrube in Sachsen-Anhalt gefunden.

Im Kieswerk Barleben-Adamsee (Landkreis Börde) bargen Forscher fünf Schildkrötenpanzerfragmente der europäischen Sumpfschildkröte. Das teilte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) am Donnerstag in Halle mit. Durch Untersuchungen mit der Radiocarbon-Methode, bei der der Zerfallsstatus von Kohlenstoff gemessen wird, habe man für die Schildkrötenpanzer ein Alter zwischen 42.000 und 50.000 Jahren ermittelt. Die Tiere hätten somit während der jüngsten Eiszeit gelebt, der sogenannten Weichselkaltzeit.

Forscher überrascht: Schildkrötenpanzer dienten als „steinzeitliche Konserven“

Ethnografische und historische Vergleiche zeigen, dass Menschen Schildkröten häufig als Proviant auf Reisen mitnahmen. Die Tiere waren demnach leicht zu transportieren und boten auch bei ausbleibendem Jagderfolg eine Versorgung mit frischem Fleisch. Die Funde dürften aufgrund der damals herrschenden tiefen Temperaturen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets der europäischen Sumpfschildkröten liegen, hieß es. Es sei möglich, dass eiszeitliche Jäger, etwa Neandertaler, die Schildkröten in nördliche, kühle Gefilde mitgebracht hätten.

Susanne Friederich, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, zeigt das Fragment eines Schildkrötenpanzers der europäischen Sumpfschildkröte.
Susanne Friederich, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, zeigt das Fragment eines Schildkrötenpanzers der europäischen Sumpfschildkröte. © DPA Images | Hendrik Schmidt

Zudem wurden zahlreiche Feuersteingeräte entdeckt. „Die Schildkrötenpanzerfragmente geben wahrscheinlich einen Einblick in die Lebensweise unserer frühen Vorfahren: Es könnte sich um leicht transportable Frischfleischvorräte, quasi steinzeitliche Konserven, gehandelt haben“, sagte die Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege beim LDA Sachsen-Anhalt, Susanne Friederich. „Durch jahrelange Beobachtung des durch Schwimmbagger zutage geförderten Materials ist es gelungen, einzigartige Belege zur frühen Anwesenheit des Menschen in Mitteldeutschland zu sichern.“

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Kiesabbau mit archäologischem Triumph: Diese Funde werden in Adamsee zutage gebracht

Aufgefallen sind die Stücke im Rüttelsieb des Baggers dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Uwe Beye. „Die Funde aus dem Kieswerk Barleben-Adamsee zeigen in hervorragender Weise den Beitrag, den ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in unserem Land leisten“, sagte Friederich.

Durch den Kiesabbau im Adamsee seien dort immer wieder archäologische Funde entdeckt worden. Bereits 1998/99 habe man eine knapp 42 Zentimeter lange, aus der Rippe eines Boviden (Ur oder Wisent) angefertigte Spitze gefunden. Sie stammt den Angaben zufolge vermutlich aus dem 33. Jahrhundert vor Christus. Das mache den Fund zu einem der ältesten geschliffenen Knochengeräte Mitteldeutschlands, hieß es. Auch seien bereits gut 180 Feuersteinartefakte wie Faustkeile, Kerne und Abschläge entdeckt worden.

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