Berlin. Die Corona-Dunkelziffer dürfte hoch sein. Zahlen aus Rheinland-Pfalz geben Anlass, den Schutz für eine bestimmte Gruppe hochzufahren.

Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) aktuell an einer Atemwegserkrankung. 1,4 Millionen Männer, Frauen und Kinder mussten deswegen in den vergangenen Tagen zu einem Arzt oder einer Ärztin. Kurzum: Deutschland schnieft und hustet.

Der Anteil der Corona-Infektionen an der Krankheitslast ist beträchtlich, berichtet das RKI. Zwar weist das Institut eine niedrige Sieben-Tage-Inzidenz von 19 Infektionen pro 100.000 Einwohner aus, die Aussagekraft dieser Zahl tendiert aber gegen null. Seit Monaten wird nicht mehr flächendeckend getestet.

Hilfreich zur Bewertung der Dunkelziffer ist ein Blick nach Rheinland-Pfalz. Dort wird die Corona-Lage mittels einer Studie der Universitätsmedizin Mainz weiter beobachtet. Etwa 14.000 Menschen ab 18 Jahren schicken dafür zunächst bis Ende des Jahres zwei Mal pro Woche einen Covid-19-Test zur Auswertung ein.

Corona: Hohe Inzidenz bei Erwachsenen in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz liegt die Sieben-Tage-Inzidenz den Angaben zufolge bei Erwachsenen bei etwa 1500. Seit Ende August steigen die Zahlen, seit etwa zwei Wochen flacht der Anstieg ab. Wären diese Daten repräsentativ fürs Bundesgebiet, wären derzeit etwa 1,2 Millionen Erwachsene mit Sars-CoV-2 infiziert.

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Was aber bedeuten die Zahlen? Welche Schlüsse sollten daraus gezogen werden?

Erstens: Es ist eingetreten, was viele Experten vorhergesagt haben. Die durch die Corona-Schutzmaßnahmen entstandene Immunitätslücke, ausgelöst durch fehlende Kontakte mit Erregern, ist nicht geschlossen. Die Menschen holen, wie erwartet, viele Infekte nach. Normal ist auch in diesem Jahr wenig.

Kai Wiedermann, Redakteur im Ressort Ratgeber/Wissen.
Kai Wiedermann, Redakteur im Ressort Ratgeber/Wissen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Infektion ist nicht für jeden nur ein Schnupfen

Und zweitens: Auch Corona ist tatsächlich nicht wie von Geisterhand verschwunden. Eine Situation, die aufgrund der durch Millionen von Infektionen und Impfungen vorhandenen Basisimmunität in der Gesamtschau vertretbar ist, ist für ältere und vorerkrankte Menschen weiter gefährlich. Denn für sie ist eine Infektion alles andere als ein Schnupfen.

Die Zahl der Krankenhauseinweisungen in der Altersgruppe der über 80-Jährigen steigt. Etwa 4000 pro Woche sind es derzeit. Mit und an dem Virus sind laut RKI zuletzt auch wieder 227 Menschen pro Woche gestorben, 168 davon waren über 80. Alter ist das größte Risiko für schwere Corona-Verläufe. Etwa 80 Prozent der seit Beginn der Pandemie gemeldeten Verstorbenen waren älter als 70.

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Die Studie in Rheinland-Pfalz zeigt, dass dort in der Gruppe der über über 75-Jährigen die Sieben-Tage-Inzidenz bei etwa 1600 liegt. Sie ist damit höher als im Durchschnitt aller Erwachsenen und höher als etwa bei den 35- bis 44-Jährigen. In anderen Teilen Deutschlands dürfte das nicht anders sein.

Corona-Maßnahmen: Niemand will mehr eine Isolation

Eine hohe Inzidenz bedeutet, dass ein Erreger zirkuliert und es dadurch viele Gelegenheiten gibt, sich damit zu infizieren. Das sollte Konsequenzen haben für den Kontakt mit älteren und kranken Menschen. Denn auch ohne staatliche Anordnung gibt es für den Kampf gegen Corona wirksame Mittel, die uns womöglich in unserer Freiheit etwas einschränken, die aber niemanden überfordern und weit davon entfernt sind Menschen zu isolieren: Maske tragen, bei Erkältungssymptomen Abstand halten oder Besuche verschieben, bis Krankheiten abgeklungen sind.

Jede Familie, jeder und jede Angehörige, aber auch Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte sollten jetzt, in der Hochsaison für Infekte, noch einmal innehalten und sich vergegenwärtigen, was das Leben mit Corona bedeutet und wer unseren besonderen Schutz verdient. Für Alarmismus oder Panik gibt es keinen Anlass, für ein hohes Maß an Rücksicht aber schon.