Marrakesch/Marokko. Kurz bevor in Marokko die Erde bebte, war eigenartiges Leuchten am Himmel zu sehen. Das zeigen Videos. Doch woher kommen die Lichter?

Nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko am vergangenen Freitag sorgen jetzt Bilder von außergewöhnlichen Lichtern am Himmel für große Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken. Die Blitze erinnern an Wetterleuchten, jedoch scheinen sie aus dem Boden zu kommen. Bei diesem bizarren Ereignis handelt es sich wahrscheinlich um ein Phänomen, das als Erdbebenlichter (kurz: EQL) bekannt ist. Über die Auslöser der Lichter wird spekuliert. Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit dem Erdbeben.

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Diese Ausbrüche von hellem, tanzendem Licht in verschiedenen Farben gaben lange Zeit Rätsel auf.Noch immer gibt es keinen Konsens darüber, was sie verursacht. Aber sie sind "definitiv real", sagte John Derr dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNN. Der pensionierter Geophysiker arbeitete früher bei der Erdbebenwarte US Geological Survey und ist Mitautor mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten über EQL. "EQL zu sehen, hängt von der Dunkelheit und anderen günstigen Faktoren ab", erklärte er.

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Untersuchungen der Erbebenlichter sind kompliziert

Es ist nicht das erste Mal, dass solche Lichter wie in Marokko gesichtet wurden. Erst Anfang des Jahres wurden sie während der schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien sowie 2017 über Mexiko nach einem starken Erdbeben der Stärke 7 beobachtet.

Die Untersuchung dieser kurz vor Erdbeben am Himmel aufblitzenden Lichter war bislang vor allem aufgrund der schweren Vorhersehbarkeit von Beben schwierig. Juan Antonio Lira Cacho, Physikprofessor an der Universidad Nacional Mayor de San Marcos in Peru und der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru, hat das Phänomen untersucht.

Er sagte gegenüber CNN, dass Handyvideos und der weit verbreitete Einsatz von Überwachungskameras die Untersuchung von Erdbebenlichtern erleichtert haben. "Vor vierzig Jahren war das noch unmöglich. Wenn du sie gesehen hast, hat dir das schlicht niemand geglaubt."

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Verschiedene Therorien für die Erdbebenlichter

Um Erdbebenlichter besser zu verstehen, sammelte John Derr zusammen mit seinen Kollegen Informationen über 65 amerikanische und europäische Erdbeben. Dabei haben sie eine Theorie zur Entstehung der Erdbebenlichter entwickelt: Demnach würden bestimmte Defekte oder Verunreinigungen in Kristallen im Gestein Strom erzeugen, wenn sie mechanischer Belastung ausgesetzt werden und dabei zerbrechen. Dies sei etwa beim Aufbau tektonischer Spannungen vor oder während eines großen Erdbebens der Fall.

Laut dem Professor Friedemann Freund ist Gestein ein Isolator, der bei mechanischer Belastung zu einem Halbleiter werde. "Vor Erdbeben werden riesige Gesteinsmengen – Hunderttausende Kubikkilometer Gestein in der Erdkruste – großer Belastung ausgesetzt, und die Spannungen verursachen eine Verschiebung des Korns, der Mineralkörner relativ zueinander", sagt er.

"Es ist, als würde man eine Batterie einschalten und elektrische Ladungen erzeugen, die aus dem belasteten Gestein in und durch unbelastetes Gestein fließen können." Die Ladungen bewegten sich schnell, mit bis zu etwa 200 Metern pro Sekunde.

Doch derzeit gibt es unter den Erdbebenforschern keinen Konsens über den Mechanismus, der Erdbebenlichter verursacht. Noch immer versuchen Wissenschaftler die Geheimnisse dieser Ausbrüche zu entschlüsseln.

Eine andere Theorie besagt, dass es sich bei EQL um Lichtbögen handelt. Diese könnten bei Stromleitungen entstehen, die durch das Erdbeben geschüttelt werden. Weitere Theorien umfassen unter anderem statische Elektrizität, die durch das Aufbrechen von Gestein und dem Austreten von Radon entsteht. Einige Forscher glauben hingegen, dass die Lichter überhaupt nur zufällig in zeitlicher Nähe zu Erdbeben gesichtet werden.

Weitere Ergebnisse von Derr und seinem Team:

  • In den meisten Fällen wurden die Lichter kurz vor oder während des Erdbebens beobachtet und waren bis zu 600 Kilometer (372,8 Meilen) vom Epizentrum des Bebens entfernt noch zu sehen.
  • Erdbeben, besonders starke, treten am wahrscheinlichsten entlang oder in der Nähe der Gebiete auf, in denen tektonische Platten aufeinandertreffen. Die große Mehrheit der Erdbeben aber, bei denen EQL beobachtet wurden, traten innerhalb tektonischer Platten und nicht an deren Grenzen auf.
  • Es ist wahrscheinlicher, dass Erdbebenlichter auf oder in der Nähe von sogeannter Grabenbrüche auftreten. Das sind Orte, an denen in der Vergangenheit die Erdkruste auseinandergezogen wurde, wodurch eine langgestreckte Tieflandregion entstand, die zwischen zwei höher gelegenen Landblöcken liegt.

Freund hofft, dass es eines Tages möglich sein wird, Erdbebenlichter oder die elektrische Ladung, die sie verursacht, in Kombination mit anderen Faktoren zu verwenden, um das Herannahen eines großen Bebens vorherzusagen.

In Marokko war es in der letzten Woche zu einem schweren Erdbeben gekommen. In vielen Bergdörfern des Landes mangelt es auch Tage danach noch an notwendigen Dingen zum Überleben. Zu manchen Orten ist acht Tage nach dem Erdbeben noch keine Hilfe vorgedrungen. Derzeit werfen Rettungskräfte mit Flugzeugen Hilfspakete ab, um die betroffenen Menschen zu versorgen. Die Zahl der Todesopfer stieg nach Angaben des Innenministeriums inzwischen auf fast 2900.