Berlin. Zwischenzeitlich war sogar ein Panzerfahrzeug im Einsatz: Zwei Tage lang suchte Berlin nach einer Löwin – die dann ein Wildschwein war.

Es war allenfalls die Stille, die in Kleinmachnow am Freitagmorgen darauf hindeutete, dass die Sache mit dem entflohenen Löwen vielleicht doch nicht ganz so war, wie alle gedacht hatten. In der Fußgängerzone der kleinen brandenburgischen Stadt im Süden Berlins trafen sich die Anwohner wie immer zum Einkaufen, tauschten ein paar Worte – aber eher belustigt als wirklich besorgt. Die aufsehenerregende Suche nach einer mutmaßlichen Löwin rund um Kleinmachnow hielt da bereits seit 24 Stunden gefühlt ganz Deutschland in Atem.

In der Nacht sei der Helikopter der Polizei direkt über ihrem Haus gekreist, berichtete Anwohnerin Astrid K. Seit Donnerstagfrüh war die Polizei mit mehr als 100 Beamten, Hubschraubern, sogar einem gepanzerten Fahrzeug in dem kleinen Ort angerückt. Bei der Suche halfen Jäger und Veterinäre. "So viel Polizei habe ich seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen", sagt sie.

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Video mit "Löwengebrüll" stellte ich als Scherz heraus

Das Tier war an einem Straßenrand in Kleinmachnow gefilmt und auch von der Polizei gesichtet worden. Das Video selbst hatten Experten schnell als echt eingeschätzt. Aber das Tier? Sie glaube schon, dass da ein Raubtier unterwegs sei, versicherte die Anwohnerin am Morgen, Angst habe sie aber keine. Allerdings hoffe sie, dass die Situation bald ein Ende habe.

Am Freitagmorgen blieb die Warnung der Brandenburger Polizei für den Bereich um Kleinmachnow bestehen. "Wir bitten die Bevölkerung, mit entsprechender Umsicht zu handeln und einen Aufenthalt in den angrenzenden Waldgebieten zu vermeiden", hieß es. Wer das Raubtier sehe, solle unverzüglich Schutz suchen und die 110 wählen. Wiederum wurden Wälder durchkämmt, auch im Süden Berlins, nachdem es immer wieder Hinweise aus der Bevölkerung gegeben hatte. Die Polizei twitterte am Donnerstagabend sogar von "Löwengebrüll", was sich jedoch als Scherz herausstellte.

Vermeintliche Löwin in Berlin: Wildexperten von Anfang an skeptisch

Doch auch am Freitag fehlte von der mutmaßlichen Raubkatze jede Spur. Die Gemeinde Kleinmachnow bat in einem Aufruf noch professionelle Tierspurensucher um Hilfe. Doch immer mehr Experten äußerten Zweifel. Etwa der Veterinärmediziner Achim Gruber von der Freien Universität. Da weder Blut noch Kot oder Pfotenabdrücke gefunden worden waren, sei zweifelhaft, ob es sich bei dem Tier tatsächlich um eine Löwin handelte.

Rainer Altenkamp, Wildtierexperte und Vorsitzender des Nabu Berlin war sich sicher, dass das Video in Wahrheit ein Wildschwein zeige: "Schon der kurze, herabhängende Schwanz mit etwa zehn Zentimeter langer, locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus. "Auch zum Beispiel der runde Rücken und der längliche Kopf passen sehr gut zu einem Wildschwein und sprechen gegen ein Raubtier." Ebenso der Berliner Wildtierexperte Derk Ehlert: Auf dem Video sehe er lediglich zwei Wildschweine von links nach rechts laufen, sagte er dem RBB-Inforadio.

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Raubtier-Suche: Polizei gab am Freitagmittag Entwarnung

Auch auf eine weitere Frage hatten die Ermittler keine Antwort gefunden: Wenn es doch eine Löwin war – woher kam sie? Laut Landesumweltamt sind im Tierbestandsverzeichnis von Brandenburg 23 Löwen in drei Zirkussen erfasst, zwei Zoos und einer privaten Haltung. Laut Polizei wurde zudem auch ein privater Tierhalter überprüft. Dessen Tier sei aber da, wo es sein sollte, so ein Sprecher der Polizei Brandenburg am Freitag. In Berlin ist die Haltung von Raubkatzen wie etwa Löwen verboten.

Während sich die im Internet die Löwen-Scherze häuften – unter anderem hatte ein Witzbold bei Google das "Hundeauslaufgebiet" im Düppel für kurze Zeit zum "Löwenauslaufgebiet" gemacht – kam am Mittag die Entwarnung der Polizei. Es gebe keine Gefährdungslage mehr, sagte der Bürgermeister von Kleinmachnow, Michael Grubert (SPD), bei einer Pressekonferenz. Die Polizei bestätigte diese Einschätzung. Sämtliche Suchmaßnahmen hätten keine Hinweise ergeben. Auch eine Analyse des Videos habe ergeben, dass darauf wohl keine Löwin zu sehen sei, sondern wahrscheinlich ein Wildschwein. "Nach allem menschlichen Ermessen gehen wir davon aus, dass es keine Löwin ist", sagte Grubert.

Was bleibt, sind die Forderungen der Tierschützer. Sie weisen auf die uneinheitliche Gesetzeslage hin: So ist in manchen Bundesländern die Haltung von Raubkatzen wie etwa Löwen verboten, in anderen, wie etwa Brandenburg, muss sie lediglich angezeigt werden. Tierschutzverbände fordern strengere Regeln für die Haltung von Wildtieren in Privathaushalten. (mit dpa)