Berlin. Der Springer-Verlag klagt gegen Julian Reichelt und fordert unter anderem dessen Abfindung zurück. Doch der Ex-„Bild“-Chef wehrt sich.

Vom streitbaren Shooting-Star der „Bild“-Zeitung zum gefallenen Schmuddelkind des Springer-Verlags. Kaum ein Medien-Skandal hat Deutschland zuletzt so in Atem gehalten wie der Abstieg des schillernden Boulevardjournalisten Julian Reichelt vom Chefredakteur der nach wie vor Auflagenstärksten deutschen Tageszeitung zum Betreiber eines teils als rechtspopulistisch eingestuften YouTube-Kanals mit 345.000 Abonnenten.

Am Freitag nun ging das juristische Nachspiel der Causa Reichelt in die nächste Runde: Zwischen Reichelt, dem während seiner Zeit als „Bild“-Chef mehrere sexuelle Beziehungen zu jungen Mitarbeiterinnen und Auszubildenden vorgeworfen werden, und dem gegen ihn klagenden Springer-Verlag kam es vor dem Arbeitsgericht Berlin nicht zu einer einvernehmlichen Einigung. Am 15. November wurde nun vielmehr ein Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt.

Springer fordert Millionen-Abfindung von Reichelt zurück

In dem Prozess geht es allerdings nicht um die viel diskutierten Anschuldigungen in Bezug auf Machtmissbrauch und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, sondern um einen Millionen-Streit mit Reichelts ehemaligen Arbeitgeber. Konkret bedeutet das: Springer will sein Geld zurück. Im Abwicklungsvertrag von Reichelt seien neben der Abfindung in Höhe von zwei Millionen Euro auch diverse Pflichten für den Ex-Chefredakteur festgelegt worden, hieß es – an die der sich nach Springer-Meinung aber nicht gehalten habe. Der Verlag fordert deswegen den vollen Abfindungsbetrag zurück sowie 192.000 Euro an Vertragsstrafen. Zur Erinnerung: Im Herbst 2021 war Reichelt nach einem Compliance-Verfahren wegen Verstößen gegen Verlags-Regeln und nach zahlreichen Vorwürfen von weiblichen Mitarbeiterinnen wegen übergriffigen Verhaltens geschasst worden.

Zwar gab es kurz darauf zwei Millionen Euro als Abfindung vom Konzern, dafür verpflichtete Reichelt sich aber im Gegenzug etwa dazu, Vertraulichkeit bei bestimmten Interna und beim Umgang mit internen Daten zu wahren. So soll der Verleger der „Berliner Zeitung“, Holger Friedrich, Informationen von Reichelt erhalten haben, die dieser nach Auffassung von Springer hätte löschen müssen. Außerdem soll es ein Abwerbungsverbot gegeben haben. An ein solches hätte Reichelt sich nicht gehalten, denn mehrere ehemalige „Bild“-Mitarbeitende sind mittlerweile bei seinem Medien-Start-up „Rome Medien GmbH“ angestellt.

Ehemaliger „Bild“-Chef dementiert alle Vorwürfe

Reichelt selbst war im Gerichtssaal nicht anwesend und ließ sich von seinem Rechtsanwalt vertreten. Der bestritt, dass Friedrich Springer-Interna oder vertrauliche Dokumente übermittelt worden wären. Vielmehr habe es sich unter anderem um rein private Chatverläufe mit einer der Hauptbelastungszeuginnen gehandelt, der nach den Vertragsregeln nicht gelöscht hätten werden müssen. Auch eine gezielte Abwerbung habe es nicht gegeben.

Für Reichelt und Springer heißt es möglicherweise ohnehin: Nach dem Prozess ist vor dem Prozess. Im April hat der Medienkonzern zusätzlich zur Klage vor dem Arbeitsgericht eine Strafanzeige gegen Reichelt wegen Betrugs bei der Berliner Staatsanwaltschaft eingereicht. Reichelt wird darin beschuldigt, er habe bei Vertragsschluss nur vorgetäuscht, dass er sich an die Verpflichtungen halten will, um damit die Abfindung zu erhalten. Dies könnte strafrechtliche Konsequenzen haben. Reichelt bestreitet derweil bis heute alle Vorwürfe um Affären mit Untergebenen und Machtmissbrauch und sieht sich als Opfer einer erlogenen „Schmutzkampagne“. In einer Widerklage fordert er deswegen nun die Herausgabe von Datensätzen über Aussagen und Zeugen des Compliance-Verfahrens und mindestens 1000 Euro Schmerzensgeld aufgrund des entstandenen Schadens für sein Ansehen.