Berlin. Heiß, heißer, Hitze-Kollaps: Die Temperaturen machten vielen Menschen zu schaffen. Tödliche Badeunfälle häufen sich. Neue Unwetter drohen.

Hoch «Annelie» hat Deutschland mit fast 40 Grad das heißeste Wochenende des Jahres beschert. Strände und Seen waren überfüllt, doch häuften sich die tödlichen Badeunfälle. Mindestens zwölf Menschen starben in Gewässern, weitere wurden am Sonntag noch vermisst. Auch an Land hatte die Hitze gefährliche Folgen. So kollabierten viele Menschen beim Arbeiten auf dem Feld. Auf die Tropen-Hitze folgten Unwetter. Zwei Menschen wurden durch Blitze verletzt. Bäume krachten auf Straßen, Starkregen flutete Keller.

Freibäder, Eisdielen und Biergärten erlebten einen riesigen Ansturm, Brunnen und Planschbecken waren heiß begehrt. Der Temperaturrekord wurde jedoch am Wochenende nicht geknackt. Am heißesten war es am Samstag im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim mit 39,2 Grad, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach mitteilte. Die bisher höchste jemals gemessene Temperatur in Deutschland beträgt 40,2 Grad.

An diesem Montag soll eine Kaltfront für etwas Abkühlung sorgen, bevor am Dienstag die Temperaturen wieder auf mehr als 30 Grad klettern. Der DWD rechnete mit schweren Unwettern in Westdeutschland. Auch einzelne Tornados hielten die Meteorologen für möglich.

Unter den Badetoten waren Kinder und Jugendliche: In Bayern ertrank ein Vierjähriger in einem Baggersee. Am Rheinufer in Köln kam ein Sechsjähriger beim Spielen ums Leben, nachdem er von der Strömung erfasst worden war. In einem Naturfreibad in Siegen ertrank ein Jugendlicher. Badetote meldeten auch Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Brandenburg.

Die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) rief dazu auf, nur in bewachten Gewässern zu schwimmen. Bei Badeunfällen spiele oft Leichtsinn eine Rolle. Im vergangenen Jahr starben laut DLRG 392 Menschen beim Schwimmen in Deutschland, meist in Flüssen und Seen.

Die Sahara-Temperaturen brachten in einigen Regionen Unwetter. In Hattingen am Rande des Ruhrgebiets wurden zwei Menschen vom Blitz getroffen und schwer verletzt. In Thüringen kippte eine heftige Windböe auf der Autobahn 4 nahe Mellingen einen Lastwagen um. Das Führerhaus hing über einer Brücke und drohte in die Tiefe zu stürzen. Der Fahrer wurde gerettet.

Wegen Verdachts auf Hitzekollaps wurden mindestens sechs Teilnehmer des Deutschen Chorfestivals in Trier ins Krankenhaus gebracht. In Schwagstorf bei Osnabrück kollabierten 25 Erntehelfer auf einem Erdbeerfeld. In Berlin musste am Wochenende die Kuppel des Reichstagsgebäudes gesperrt werden - einige Menschen hatten zuvor bei 44 Grad Innentemperatur dort Kreislaufprobleme bekommen.

Die Polizei bekam auch Notrufe, weil Eltern ihre Kinder beim Einkauf in geparkten Autos zurückgelassen hatten. Auch Hunde mussten aus Fahrzeugen befreit werden. «Das ist unfassbar», sagte ein Beamter in Thüringen. Die Fahrzeughalter seien mit Megafonen ausgerufen worden.

Die hohen Temperaturen ließen zudem vielerorts die Ozonbelastung steigen. Erhöhte Konzentrationen können die Atemwege reizen. Wer an die Strände der Nord- und Ostsee wollte, musste sich in Geduld üben: Blechkarawanen schoben sich zu den Küsten. Ein Hitze-Brand löste einen stundenlangen Komplettausfall der Sendungen des deutsch-französischen Fernsehsenders Arte aus. Hitzeschäden bremsten den Verkehr auf einigen Autobahnen und regionalen Bahnstrecken aus.

Bei den Tagestemperaturen in Europa treten doppelt so oft Hitzerekorde auf wie Kälterekorde, berichtete Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im dpa-Interview. Für längere Zeiträume sei das Verhältnis noch wesentlich krasser: «Bei den Monatswerten haben wir heute schon fünfmal so viele Hitzerekorde wie es in einem stabilen Klima der Fall wäre», sagte der Wissenschaftler. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, da das Klima durch die Treibhausgase immer weiter aufgeheizt werde.

Über die Temperaturen in Deutschland können viele Iraker nur lächeln - am Sonntag kletterte die Temperatur in Bagdad auf weit über 40 Grad. Wegen des Fastenmonats Ramadan ist das für die Muslime derzeit besonders hart, da sie zwischen Auf- und Untergang der Sonne weder essen noch trinken dürfen. Um Abkühlung in diesen heißen Wochen zu schaffen, haben viele Geschäftsinhaber zu einer besonderen Maßnahme gegriffen: Sie haben vor ihren Läden öffentliche Duschen aufgestellt. dpa