Göttingen. Die Reinigungsarbeiten auf der A7 bei Göttingen sind beendet. Nach tagelanger Sperrung ist die Strecke nun wieder vollständig freigegeben.

Die Autobahn 7 in Südniedersachsen ist wieder durchgängig befahrbar. Am Samstag wurde - früher als geplant - die gesamte Strecke wieder freigegeben. Damit ist die vielbefahrene Autobahn bei Göttingen nach der Fahrbahnverschmutzung einen Tag früher als geplant wieder frei. Alle Reinigungsarbeiten sind beendet, alle Fahrstreifen geöffnet, wie die Autobahn GmbH des Bundes am Samstag mitteilte. Ein bisher unbekanntes Fahrzeug hatte Pflanzenfett verloren, so dass die A7 in Richtung Kassel seit der Nacht zum Montag ursprünglich auf 60 Kilometern Länge gesperrt war.

Bis zuletzt war der Abschnitt von der Anschlussstelle (AS) Nörten-Hardenberg bis zur AS Göttingen-Nord noch gesperrt und in Bearbeitung, weil dort die Verschmutzung am größten war. Der Abschnitt von der AS Göttingen-Nord bis zur AS Göttingen war seit Freitag einstreifig befahrbar. Die Kosten für die Reinigungsarbeiten waren zunächst nicht bekannt. Sie belaufen sich aber voraussichtlich auf einen hohen sechsstelligen Betrag, wie es in der Mitteilung hieß.

Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) teilte unserer Zeitung am Mittwoch dazu mit, der volkswirtschaftliche Schaden der Sperrung und Reinigung sei an jedem Tag auf einen Millionenbetrag zu taxieren.

Lies‘ Zwischenbilanz: „Der Schaden für die Wirtschaft und Pendler wie Reisende ist groß, die Belastung für die Anwohnerinnen und Anwohner der Ausweichstrecken ist beträchtlich, für die Verkehrssicherheit ist das eine äußerst ungenügende Situation.“

Fragen und Antworten zu einer beispiellosen Geschichte.

Was ist auf der A7 in Richtung Kassel passiert?

Ein bisher unbekanntes Fahrzeug hat zwischen den Anschlussstellen Northeim-Nord und Staufenberg an der Grenze zu Hessen eine wachsartige Substanz verloren. Durch die entstandene Glätte auf der Fahrbahn kamen einige Fahrzeuge in der Nacht zu Montag ins Rutschen. Unfälle gab es nicht. Die Strecke wurde gesperrt.

Spezialfahrzeuge haben die Fahrbahn der Autobahn 7 gereinigt.
Spezialfahrzeuge haben die Fahrbahn der Autobahn 7 gereinigt. © dpa | Swen Pförtner

Die Polizei und die Autobahngesellschaft des Bundes gingen davon aus, dass die problematische Substanz Paraffin ist, beziehungsweise, wie es am Mittwoch hieß, „paraffinartige Substanz, die Ähnlichkeit zu Palm- oder Kokosfett hat“. Inzwischen ist klar, dass es sich bei der Substanz um Pflanzenfett handelt, wie die Autobahngesellschaft des Bundes am Donnerstag auf einer Pressekonferenz bekanntgab.

Wer ist für die Verschmutzung auf der A7 verantwortlich?

Das ist noch unklar. Die Polizei hat Zeugenhinweise erhalten. Demnach hat vermutlich ein heller Tanklaster die Substanz verloren. Möglicherweise liege eine Ordnungswidrigkeit wegen mangelnder Ladungssicherung vor, die dann mit einem Bußgeld geahndet würde.

Hat der Fahrer das Malheur bemerkt?

Wahrscheinlich schon – aber nicht unbedingt. Die Vorstellung, dass irgendwo (jedenfalls südlich von Kassel) nun seit Tagen jemand auf heißen Kohlen sitzt, weil er nämlich am besten weiß, wie die Substanz auf die Fahrbahn gelangt ist, und sich fragt, wann bei ihm die Polizei anruft, ist nicht die einzig mögliche.

Der erfahrene Spediteur Mathias Krage, Chef des Gesamtverbands Verkehrsgewerbe Niedersachsen, sagte unserer Zeitung, der sukzessive Verlust von zwei oder drei Tonnen etwa durch ein offenes oder undichtes Ablassventil, müsse dem Fahrer nicht zwangsläufig auffallen. Dass die Verunreinigung nach sechzig Kilometern dann aber aufgehört hat, scheint hingegen wieder dafür zu sprechen, dass entweder der Tank leer war oder das Problem während der Fahrt bemerkt wurde. „Es ist alles rätselhaft“, sagte Krage, „und mich wundert sowieso, dass der Verursacher noch nicht ermittelt werden konnte.“

Wie läuft die Reinigung der Autobahn – wann ist die A7 wieder komplett frei?

Spezialfirmen haben sprühen mit ihren Fahrzeugen heißes Wasser mit Hochdruck auf die Fahrbahn gesprüht, um die Substanz abzulösen, seit Mittwochmorgen mit einem Reinigungszusatz auf alkoholischer Basis. „Regen und die geringe Temperatur erschweren die Arbeiten“, teilte die Autobahngesellschaft mit. Der Fall sei auf jeden Fall technisch anspruchsvoll gewesen.

Nach Informationen der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ sei schon bei einer Krisensitzung am Dienstag die Idee aufgekommen, die Fahrbahn auf dem kompletten 60-Kilometer-Teilstück abzufräsen und zu erneuern, was eine wochenlange Sperrung der wichtigen Nord-Süd-Verbindung nach sich ziehen würde. Beziehungsweise: gezogen hätte, denn am Mittwoch war von der Idee nicht mehr die Rede.

Spezialfahrzeuge haben die Fahrbahn der Autobahn 7 gereinigt. Die Autobahn 7 in Südniedersachsen war in Richtung Kassel auf rund 60 Kilometern gesperrt. Am Sonntagabend, 8. Januar,  war aus einem Fahrzeug eine weiße, pulvrige Substanz entwichen. Dadurch sei die Fahrbahn zwischen den Abfahrten Northeim-Nord und Lutterberg extrem glatt geworden.
Spezialfahrzeuge haben die Fahrbahn der Autobahn 7 gereinigt. Die Autobahn 7 in Südniedersachsen war in Richtung Kassel auf rund 60 Kilometern gesperrt. Am Sonntagabend, 8. Januar, war aus einem Fahrzeug eine weiße, pulvrige Substanz entwichen. Dadurch sei die Fahrbahn zwischen den Abfahrten Northeim-Nord und Lutterberg extrem glatt geworden. © dpa | Swen Pförtner

Die Autobahn wurde wegen des verlorenen Pflanzenfettes in der Nacht auf Montag zwischen den Anschlussstellen Northeim-Nord und Staufenberg auf einer Länge von etwa 60 Kilometern gesperrt. Nach Reinigungsarbeiten wurde das erste Teilstücke zwischen Hedemünden und Staufenberg am Mittwoch wieder freigegeben, sagte der Leiter der Göttinger Außenstelle der Autobahngesellschaft, Sebstian Post. Am Donnerstagabend folgte der Abschnitt vom Dreieck Drammetal bis Hedemünden.

Die Abschnitte Göttingen-Nord bis Dreieck Drammetal und Northeim-Nord bis Nörten-Hardenberg wurden am Freitag freigegeben werden, zunächst teilweise einspurig. Über den letzten Abschnitt zwischen Nörten-Hardenberg und Göttingen-Nord können, früher als geplant, seit Samstagwieder Autos rollen können. Auf allen freigegebenen Teilstücken gilt zunächst Tempo 80.

Wie war die Lage auf den Nebenstrecken?

Mit einem Wort: miserabel. Auf den Nebenstrecken im Kreis Göttingen war die Hölle los. Vor allem zu den Stoßzeiten kam es auf den Umleitungsstrecken zu Staus, etwa in Hann. Münden. Dort laufen viele Bundesstraßen zusammen. Nur zwei Brücken über die Flüsse Fulda und Weser bilden dort ein Nadelöhr.

Weitere wichtige Umleitungsstraßen waren wegen „zwingend notwendiger“ Forstarbeiten zudem zeitweisegesperrt oder ohnehin nicht für den Schwerlastverkehr freigegeben, wie ein Stadtsprecher am Mittwoch mitteilte.

Mittlerweile ist klar: Pflanzenfett war das Problem auf der A7.
Mittlerweile ist klar: Pflanzenfett war das Problem auf der A7. © dpa | Swen Pförtner

Verkehrsminister Lies wies gegenüber unserer Zeitung darauf hin, dass Südniedersachsen ohnehin „ein besonderer Engpass“ sei. „Straßen, die leistungsfähig genug für eine langanhaltende Autobahnumleitung sind, gibt es nicht“, meinte der Minister. „In dieser Region führt eine Sperrung der A7 das Straßennetz an den Rand eines Infarkts“, so Lies. Dazu tragen vielfach auch Lkw bei, trotz aller Warnungen vor der für sie ungeeigneten kurvenreichen Strecke mit vielen Steigungen.

Der Spediteursvertreter Mathias Krage sagte unserer Zeitung dazu: „Der Lkw-Fahrer ist auch nur ein Mensch.“ Krage geht davon aus, dass viele Fahrer bis zuletzt die Hoffnung hätten, sie würden irgendwie klarkommen, obwohl sie sich den 100-Kilometer-Umweg über Bielefeld ersparten. Viele Autofahrer verhielten sich in vergleichbaren Situationen ähnlich. Bezüglich des Paraffin-Malheurs wird allen Fahrern empfohlen, Südniedersachsen weiträumig zu umfahren – über Bielefeld und Paderborn.

Diese Substanz bewirkte die Sperrung der Autobahn.
Diese Substanz bewirkte die Sperrung der Autobahn. © Polizei Göttingen

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