Norden. Die Strände im Inland sind in diesem Corona-Sommer gefragt. Doch weil Abstand die Maßgabe ist, wurde mancherorts aufgerüstet.

Über Strandkörbe wandert der Blick von Wachmann Anton Siemers hin zur Promenade und aufs Watt. Der 53-Jährige ist auf Kontrollgang am Strand der ostfriesischen Stadt Norden (Landkreis Aurich). Seit April sorgen dort mindestens zwei Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes am Tag für die Einhaltung der Corona-Regeln. „Dort drüben sehe ich gleich, das ist eine Familie. Da ist alles in Ordnung, die spreche ich nicht an“, sagt er. Bei anderen Besuchern ist die Lage nicht so klar - Siemers will ihre Zahl im Auge behalten.

„Das ist nicht Mindestabstand“, wendet sich eine Frau an ihn. Für ihr Empfinden haben sich die Urlauber im Strandkorb nebenan zu nahe herangewagt. Siemers beschwichtigt: „Doch, das ist ausreichend.“ Augenmaß reicht ihm. Um die vorgeschriebenen zwei Meter abzuschätzen, nimmt er keinen Zollstock. Einen Schrittzähler braucht es aber, um die Strecke abzumessen, die er und sein Kollege Georg Ulrichs jeden Tag bei Wind und Wetter zurücklegen: 15 bis 20 Kilometer.

Nicht nur für die Corona-Regeln zuständig

„Moin“, spricht Ulrichs eine Urlauberin an. „Mit dem Hund dürfen sie leider nicht hier sitzen. Am Hundestrand kann er sich austoben.“ Nicht nur für die Corona-Regeln sind er und sein Kollege zuständig, am Strand gibt es zahlreiche andere: Kein Fahrradfahren auf der Promenade! Hunde anleinen! Möwen füttern verboten!

Ulrichs Worte zeigen Wirkung, die Urlauberin zieht direkt zum Hundestrand. „Freundlich ansprechen klappt immer.“ Sicherheitsdienstmitarbeiter haben keine polizeilichen Befugnisse. Für sie gelten die sogenannten Jedermannrechte wie Notwehr. Auch an anderen Stränden in Cuxhaven oder Butjadingen(Kreis Wesermarsch) achten Wachpersonen derzeit auf die Einhaltung der Corona-Regeln.

Zahlreiche neue Einsatzorte wegen der Corona-Pandemie

Mit 50 bis 100 Menschen redet Ulrichs an einem Arbeitstag. Viele kämen auf ihn zu: „Wo bekomme ich einen Strandkorb? Wo ist das Klo? Wo ist das Meer?“ Das Prinzip Ebbe und Flut muss Touristen häufiger erklärt werden. Die beiden Männer haben schon unentspanntere Arbeitsplätze erlebt. „Im Supermarkt waren die Leute am Anfang sehr freundlich. Irgendwann hat man dann den Corona-Überdruss gemerkt“, erzählt Siemers. „Das war viel Arbeit für Sicherheitsdienste“, hakt der Kollege ein. „Aber gelobt wird man nicht, so wie Verkäuferinnen oder Pfleger. Dabei sind wir auch an vorderster Front.“

Wegen der Corona-Pandemie sind zahlreiche neue Einsatzorte dazugekommen, dennoch blickt der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft pessimistisch auf das Jahr. „Schutz von Veranstaltungen wie Rock am Ring ist ja weggebrochen. Die ganzen Fußballspiele auch und Fluggastkontrollen“, zählt Hauptgeschäftsführer Harald Olschok auf. Einen Boom wie zur Flüchtlingskrise 2015 gebe es nicht. „2015 und 2016 haben wir die Umsätze in zwei Jahren um 40 Prozent gesteigert. Das war völlig ungesund, das hat dazu geführt, dass neue Unternehmen in die Branche gekommen sind mit Goldgräberstimmung.“ Es folgten Skandale, etwa um misshandelte Flüchtlinge in Unterkünften. Seither wurden die Regeln für das Bewachungsgewerbe verschärft.

„Unser Image ist: Unterbezahlt, nicht ausgebildet, unfreundlich“

„Unser Image ist: Unterbezahlt, nicht ausgebildet, unfreundlich“, fasst es Siemers zusammen. „Da versuche ich immer das Gegenteil zu beweisen.“ Zweieinhalb Jahre hat sich der frühere Masseur zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit ausbilden lassen. Auf die nächste Situation wurde er da aber nicht vorbereitet: Eine Schar Möwen stürzt sich auf einen Jungen – genauer auf die Pommes in dessen Hand. „Abdecken!“, ruft Siemers helfend von der Seite. Doch das Kind hält dem Angriff nicht stand. Im hohen Bogen wirft es die Pommes von sich. Tränen fließen. „Aus dem Grund sage ich immer: Füttern verboten“, erklärt Siemers. „Die Möwen werden zutraulich.“ dpa

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