Hannover. Die Campingbranche boomt in Niedersachsen – trotz Corona. Experten erläutern, warum das so ist.

Das Vor-Corona-Jahr 2019 war für Niedersachsens Campingbranche ein ziemlich gutes Jahr. Mit mehr als fünf Millionen Übernachtungen zwischen Nordsee und Harz, Lüneburger Heide und Südniedersachsen konnte im Länderranking sogar Mecklenburg-Vorpommern überholt werden. Nach Bayern folgt Niedersachsen nun auf Platz 2. Der Saisonstart 2020 fiel wegen der Corona-Pandemie im April komplett und im Mai teilweise ins Wasser. Doch ausgeschlossen sind fünf Millionen Übernachtungen auch 2020 nicht.

Camping-Branchenverteter ist optimistisch

„Ich möchte Optimismus ausstrahlen. Gezählt wird am Jahresende“, sagt Norbert Kloodt, Präsident des Branchenverbandes BVCD in Niedersachsen, der Deutschen Presse-Agentur. Zwar werde es Einbußen geben. Aber die Campingplätze in Niedersachsen hätten in den vergangenen Jahren viel investiert und an Beliebtheit gewonnen. „Das wird sich fortsetzen.“ Am Montag (8. Juni) wurde die erlaubte Maximalauslastung für Campingplätzen von 60 auf 80 Prozent hochgefahren.

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Mehr als 300 Campingplätze gibt es in Niedersachsen und zu Pfingsten waren die meisten ausgebucht. Das aber hatte nichts mit Corona-Auflagen oder Lockerungen zu tun. „Meine Erfahrung ist, dass die Campingplätze über Pfingsten immer ausgebucht waren. Auch zu 100 Prozent. Jetzt hatten wir 60 Prozent und auch die waren ausgebucht“, so Kloodt. Für die Tourismusbranche sind die Camper - ob mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil - eine wichtige Klientel. Immerhin entfielen 2019 laut Wirtschaftsministerium 11,3 Prozent aller touristischen Übernachtungen (46,2 Millionen) auf die Campingplätze.

„Niedersachsen ist und bleibt Campingland. Trotz Corona-Pandemie und den geltenden Einschränkungen stellen wir fest, dass der Campingtourismus boomt“, sagt Laura Gosciejewicz, stellvertretende Ministeriumssprecherin. Für 2020 werde eine deutliche Steigerung der Übernachtungszahlen im Campingtourismus erwartet, insbesondere von den inländischen Gästen.

Diese Einschätzung passt zu der des Campingverbandes und ist nicht unbegründet. Denn trotz Lockerungen fallen viele internationale Destinationen coronabedingt noch weg. Deutschlandurlaub dürfte 2020 hoch im Kurs stehen. Und die Sommermonate - insbesondere Juli und August - liegen bei den Camping-Übernachtungen traditionell vorne.

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Bundesweit registrierte das Statistische Bundesamt im Vorjahr allein im Juli 8,5 Millionen Übernachtungen - mit 24 Prozent fast ein Viertel aller Übernachtungen des Jahres. „Und auch der Herbst hat noch schöne Tage“, sagt Kloodt. 2019 war nach BVCD-Angaben das sechste Rekordjahr in Folge. Camping habe sich als Urlaubsform nachhaltig etabliert.

Dazu tragen auch die vielen „Reisemobilisten“ bei. „Die Best Ager von 50 plus und die Frührentner sind fit und stabil, haben oft Zeit und Mittel und erkunden mit ihrem kleinen Häuschen auf Rädern die Welt“, nennt die Bremer Freizeit- und Tourismusforscherin an der Universität Bremen, Renate Freericks, einen Trend.

Auch Corona-Auflagen bremsen die Reiselust nicht

Gefördert werde dies natürlich von der Wohnmobilbranche. Camping sei komfortabler geworden. Selbst für die junge Generation muss es bei Musikfestivals nicht mehr unbedingt bei Isomatte und Schlafsack bleiben. Denn: „Es gibt Glamping-Angebote, also eine Kombination von Glamour und Camping“, sagt Freericks mit Blick auf Camping-Angebote für gehobenere Ansprüche.

2020 dürften Großveranstaltungen allerdings weitgehend ausfallen, denn das coronabedingte Verbot gilt bis 31. August. Infektionsschutzauflagen betreffen auch Campingplätze, die Hygiene-Konzepte vorlegen und auf Einhaltung der Mindestabstände achten müssen. In Sanitäranlagen ist auf vielen Plätzen jedes zweite Waschbecken gesperrt, Rezeptionen sind mit Plexiglasscheiben und Desinfektionsmittelspendern ausgestattet, Gemeinschaftsräume reglementiert. All das dürfte den Run auf Camping aber nicht bremsen.

Dabei gab es durchaus Phasen, in denen diese Urlaubsart laut Freericks „total out“ war. Als die Stellplätze mit Vorgärten und Gartenzwergen ausgerüstet waren, mittags der Duft von Rotkohl über den Platz zog und das Klientel eher kleinbürgerlich war. „Das Image war eher spießig“, so Freericks. „Aber Camping hat eine Aufwertung erfahren.“ Die Ansprüche seien gestiegen und mit ihnen die Qualität der Angebote. Und zudem vermittle Camping immer noch ein Gefühl der Freiheit. dpa