Hannover. Niedersachsens neue Corona-Verordnung schafft vorsichtige Lockerungen. Grundlage sind die Bund-Länder-Vereinbarungen.

Etliches ist Präzisierung und Rechtstechnik, doch Neuigkeiten gibt es auch: Mit einer neuen „Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus“ setzt Niedersachsen um, was die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin am Mittwoch verabredet hatten.

Für Heime, für deren Bewohner die Folgen einer Infektion tendenziell schwer und auch tödlich sein können, sieht die neue Verordnung Spielraum für Lockerungen vor. Und für die Schüler wird das Verbot des „Präsenzunterrichts“ – zunächst für Abschlussklassen der Sekundarstufe II (13. Jahrgang) sowie I (Klassen 9/10) – schrittweise aufgehoben. Dies hatte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) bereits am Donnerstag erläutert. Demonstrationen sollen nun ebenfalls unter Auflagen möglich sein.

Von einer „ersten vorsichtigen Öffnungsoption“ sprach die stellvertretende Leiterin des niedersächsischen Corona-Krisenstabs, Claudia Schröder, mit Blick auf die Heime für Ältere und Pflegebedürftige. Bisher gilt ein striktes Besuchsverbot.

„Die zuständige Behörde kann Ausnahmen vom Verbot (….) zulassen, wenn die Leitung der Einrichtung auf der Grundlage eines Hygienekonzepts nachweist, dass ein geschützter Kontakt zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Besucherinnen und Besuchern sichergestellt ist“, heißt es nun in der Verordnung.

Wie Schröder am Freitag auf Nachfrage sagte, gehe es dabei beispielsweise um ausgewiesene Wege und Bereiche in den Heimen, aber auch um ausreichenden Schutz. „Viele Heime arbeiten schon daran“, betonte Schröder. Zentrale Regelungen des Landes seien wegen der unterschiedlichen Bedingungen nicht sinnvoll.

Man wolle dem Bedarf in den Heimen an persönlicher Schutzausrüstung nachkommen, indem man größere Anteile für die Heime reserviere. Diese sollen dann über Amtshilfeersuchen der Kreise und Städte an die Heime gelangen.

„Wir haben kein Besuchsverbot für Menschen, die im Sterben liegen“, betonte Schröder – auch nicht in Krankenhäusern. Inwieweit im Geltungszeitraum dieser Verordnung, bis zum 6. Mai, bereits Besuche wieder möglich seien, ließ Schröder aber offen. Auch die Heimbeiräte würden sich sicher einbringen, hieß es.

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Im öffentlichen Raum bleibt es bei den Kontaktverboten, auch Friseure und andere Dienstleister mit eher engerem Körperkontakt müssen bis zum Neustart noch warten. Beim Versammlungsverbot unter freiem Himmel soll aber geschaut werden, ob Auflagen wie etwa ein Beschränken der Teilnehmer nicht doch das mildere und verhältnismäßigere Mittel sind.

Dem „Pflegebündnis Emsland“ etwa war nach eigenen Angaben eine für den 14. April geplante 2-Personen-Protestaktion in Hannover verboten worden. Stattfinden sollte sie vor dem Sozialministerium. Während der Spielraum für Demonstrationen also grundsätzlich steigt, bleiben Großveranstaltungen sogar mindestens bis zum 31. August verboten. Dies solle den Veranstaltern Planbarkeit geben, sagte Schröder.

Pflegekammer Niedersachsen warnte vor uneingeschränkten Lockerungen

Das Thema Heime ist umstritten. Die Pflegekammer Niedersachsen etwa hatte vor einer uneingeschränkten Lockerung des Besuchsverbots in Heimen gewarnt. „Eine uneingeschränkte Öffnung der stationären Einrichtungen für Besucher zum aktuellen Zeitpunkt könnte fatale Folgen für die Bewohnerinnen und Bewohner haben“, sagte Pflegekammer-Präsidentin Nadya Klarmann.

Die Vorstände der in Gifhorn beheimateten Dachstiftung Diakonie, Jens Rannenberg und Hans-Peter Daub, hatten dagegen gefordert, die Isolierung der Pflegeheimbewohner wieder zurückzunehmen.

Hans-Heinrich Wolf, der Leiter des Seniorenzentrums Cremlingen, ist allerdings gar nicht einverstanden mit der Sichtweise der Dachstiftung Diakonie, derzufolge es – wie berichtet – „keine Katastrophe“ sei, „am Ende eines langen Lebens an einer Infektion zu sterben“. „Dann könnten wir uns das ganze Medizinische ja sparen“, so Wolf. Er sagt, es sei keinesfalls so, dass die Pflegebedürftigen ohne den Kontakt zu ihren Angehörigen auch gleich sozial isoliert seien. „Sie sitzen nicht allein in ihren Zimmern, sondern in den Heimen findet auch weiterhin das Leben statt.“ Es gebe – unter strengen hygienischen Maßnahmen und Abstandsregeln – auch Beschäftigungs- und Bewegungsaktivitäten sowie Essen in Kleingruppen.

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