Celle. Der Ton im deutschlandweit wohl größten IS-Verfahren wird schärfer: Die Verteidiger des Hildesheimer Predigers bemängeln, dass Fragerechte übergangen werden.

Es ist schon Abend, am Ende eines langen Prozesstages, als die Verteidigung schwere Geschütze auffährt: Die Richter im Verfahren gegen den mutmaßlichen Terror-Prediger Abu Walaa und vier weitere Angeklagte am Oberlandesgericht Celle seien befangen, wettern die Anwälte des Hildesheimer Predigers. Fragerechte der Angeklagten seien nicht eingeräumt worden. Mehr noch: Sie würden nur noch als lästig empfunden werden, weil sich die Richter längst eine abschließende Meinung gebildet hätten, die möglichst zügig in ein Urteil umgesetzt werden soll. „Das Vertrauen geht flöten“, sagt Rechtsanwalt Peter Krieger gestern am Telefon. Sein Mandant lehne den Senat wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Tatsächlich ist die Atmosphäre im Gerichtssaal seit Wochen gereizt. Seit nun mehr als 70 Prozesstagen geht das Gericht unter anderem der Frage nach, ob Abu Walaa als Kopf eines bundesweiten Netzwerks junge Gläubige für die Terrormiliz Islamischer Staat rekrutiert hat. Die fünf Männer müssen sich wegen Unterstützung und Mitgliedschaft im IS verantworten. Doch der Wahrheit auf die Spur zu kommen, erweist sich als äußerst schwierig: Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben eines Kronzeugen, eines ehemaligen IS-Anhängers und Syrien-Rückkehrers, den die Verteidiger für wenig glaubhaft halten und eines V-Mannes des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Weitere Zeugen belasten die Angeklagten in Vernehmungen mit der Polizei mitunter schwer, wollen sich aber vor Gericht plötzlich nicht mehr äußern. Immer wieder kritisieren die Anwälte, dass die Aussagen von Zeugen nicht kritisch hinterfragt würden oder dass die Ermittler entlastenden Aspekten nicht nachgegangen seien.