Seit 140 Jahren sind in Deutschland Selbsttötung und die Hilfe dazu straffrei. Auch geschäftsmäßige Suizidassistenz ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar wieder möglich. Täglich wenden sich Menschen in ihrer Not an Psychologen, die Telefonseelsorge oder bei uns Patientenschützern. Betroffenen stehen somit zahlreiche Hilfsangebote zur Verfügung – und sie haben keine Scheu, sich Gehör zu verschaffen. Damit soll nicht in Frage gestellt werden, dass es bei psychotherapeutischen Angeboten gerade für Senioren noch großen Nachholbedarf gibt.

In ihrem Urteil haben die Karlsruher Richter ausdrücklich betont, dass der Schutz des Selbstbestimmungsrechts der Suizidwilligen oberste Priorität hat. Alters- und Leidenskriterien verbieten sich damit. Doch genau dieser Autonomie-Anspruch wird vom Hannoverschen Landesbischof Ralf Meister und anderen Stimmen in der ethisch-politischen Diskussion oft ignoriert. Anders als die Verfassungsrichter stellen sie ausschließlich körperlich schwerkranke und sterbende Menschen ins Zentrum der Debatte. Kaum beachtet werden hingegen lebenssatte oder pflegebedürftige Menschen und Suizidwillige mit einer langjährigen psychischen Erkrankung. Sie alle sind nicht todgeweiht.

Hier sind keine Palliativmediziner, sondern Psychologen und Psychotherapeuten gefragt. Wer bei einer Neuregelung der Suizidassistenz nur auf den Ausbau palliativer Therapie und Hospizbegleitung setzt, hat das Thema schlichtweg verfehlt. Auch ist abzulehnen, dass die Rolle des Arztes ins Gegenteil verkehrt wird – vom Heiler und Begleiter zum Tötungshelfer.

Der Gesetzesvorschlag der Deutschen Stiftung Patientenschutz orientiert sich eng am Urteil des Bundesverfassungsgerichts und stellt die Selbstbestimmung in den Mittelpunkt. Klar ist, dass mit der Hilfe zur Selbsttötung kein Geld verdient werden darf. Daher muss gewerbsmäßige Suizidassistenz strafbar werden.

Zudem ist in jedem Fall zu verhindern, dass die Selbsttötung zur selbstverständlichen Therapieoption wird. Deshalb verbietet sich die Einführung einer Beratungspflicht, wie sie Bischof Meister fordert. Denn eine staatlich legitimierte Hilfestellung beim Selbsttöten setzt eine Dynamisierung in Gang. Wer so etwas will, muss in Konsequenz Tausende zusätzlicher Selbstmorde verantworten.