“Der Beifall, den die Mächtigen den jungen Demonstranten spendieren, ist ebenso billig wie die Krokodilstränen über verfehlte Klimaziele.“

Na prima! Dann sind sich ja mal wieder alle einig: Klimaschutz ist wichtig und richtig! Die Schülerproteste sind toll! Alles, was Rang und Namen hat, schmückt sich mittlerweile damit, die „Zukunftsfreitage“ gutzuheißen und sich im Glanz der jungen Engagierten zu sonnen. Im Gedächtnis bleiben Bilder wie das vom Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sich Christine Lagarde, die mächtige Chefin des Weltwährungsfonds mit Aktivistin Greta Thunberg ablichten ließ – so als wollte sie gönnerhaft sagen: „Seht her: Sogar bei uns darf sie protestieren.“ Und nun, mal wieder reichlich spät, stellt sich auch noch die Bundeskanzlerin auf die richtige Seite. Wenn’s nichts kostet, klickt man doch doppelt gern auf „Like“.

Nicht, dass man mich falsch versteht: Ich finde den Protest richtig. Nur scheint mir die Sache so nicht zu funktionieren. „Politik“ findet für meine Begriffe leider immer stärker nur noch als Beziehen von wohlfeilen Standpunkten statt – in Talkshows, sozialen Netzwerken, leider auch auf der Straße. Gleichzeitig bewegt sich: nichts. Wenn eine einzelne Schülerin, wie es Greta Thunberg tat, freitags die Schule schwänzt, um für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren, ist das mutig, weil sie ein Risiko einging. Aber das allgemeine Schulterklopfen, das nun stattfindet, ist das Gegenteil. Und eine Großdemo ist an einem Samstag nicht weniger beeindruckend als an einem Freitagvormittag.

Der Beifall, den die Mächtigen den jungen Demonstranten spendieren,ist ebenso billig wie die Krokodilstränen über verfehlte Klimaziele. Dagegen müssen sich die Demonstranten verwehren. Ich habe mittlerweile fast den Eindruck, die härteste Drohung, die sie angesichts der Vereinnahmungsversuche aussprechen könnten, wäre es, freitags wieder zur Schule zu gehen.

Im Ernst: Wenn die Bewegung etwas erreichen will, muss sie jetzt den zweiten Schritt gehen und konkrete Forderungen aufstellen, damit nicht mehr jeder Politiker so billig auf den Sympathiezug aufspringen kann. Das geht auch in der Schule. Die Schüler sollten Politiker, Wirtschaftsvertreter und Gewerkschafter in den Unterricht einladen und diskutieren. So kann man sein Gegenüber stellen. Und man muss sich fragen lassen: Geht es mir um mehr als schöne Standpunkte?