Zu „Wenn Kirchen zur Bank oder Bierkneipe werden“ vom 24 September:.

Mit großem Interesse habe ich den Artikel von Herrn Schimpf über die Umwidmung der Kirchen gelesen. Nur eines wundert mich doch sehr: die unzutreffenden Besucherzahlen in manchen Gottesdiensten. Ich bin aktives Mitglied der Pauli-Matthäus-Gemeinde und stelle immer wieder fest, dass die Pauli-Kirche sich nicht über schwindende Zahlen im Gottesdienst beklagen kann. Im Gegenteil: Es gibt eine deutliche Zuwanderung jüngerer Leute. Vielleicht sollte Herr Schimpf, statt vorbeizuradeln, doch mal absteigen und den Gottesdienst besuchen. Er hätte dann auch Gelegenheit, Persönlichkeiten auf der Kanzel kennenzulernen.

Helga Greger, Braunschweig

Wir haben deutlichmehr Gottesdienst-Besucher

Ebenfalls dazu:

Lieber Herr Schimpf, wie gern lese ich Ihre Kolumnen, wenn Sie mich teilhaben lassen an Ihrem reichen Erfahrungsschatz an Anekdoten und Wissenswertem zur Braunschweiger Geschichte und zu Ihrer eigenen Motorsportkarriere. Aber Ihre Kolumne vom Samstag zur Umwidmung von Kirchengebäuden verschlug mir die Sprache.

Dort unterstellen Sie, quasi im Vorbeigehen, dass die Gottesdienste der Kirchen in der Weststadt, im Siegfriedviertel und am Lindenberg eher wenig besucht sind. Im Falle der Weststadt: Welche Gottesdienste meinen Sie? In unserer evangelischen Emmauskirche haben wir jeden Sonntag deutlich mehr Gottesdienst-Besucher als „ein paar Versprengte“ – am vergangenen Sonntag waren es über 160. In der katholischen St.-Cyriakus-Gemeinde sind es gar so viele Besucher, dass eine einzelne Messe am Sonntag nicht ausreicht.

Hans Engel, Kirchenvorstandsvorsitzender Weststadt, Braunschweig

Die Zahl der Teilnehmer ist gar nicht so wichtig

Ebenfalls dazu:

Lieber Eckhard Schimpf! Ihre Sorge um die leeren Kirchen kann ich gut verstehen. Besonders wegen der großen mittelalterlichen Stadtkirchen. Aber Ihre Sorge ist eigentlich unbegründet, denn die werden bestimmt nicht umgerüstet, auch nicht zu Billigwohnungen, die wir so nötig brauchen. Sie wissen ja, dass diese herrlichen Bauwerke zu den alten Stadtteilen gehörten.

Die Menschen wollten damit ihren Glauben an Gott zum Ausdruck bringen. Die Türme sind für das Stadtbild auch heute noch unverzichtbar. Aber leer waren die Kirchen immer. Es waren Abendmahlskirchen, also Priesterkirchen, die offen waren für das Volk. St.Aegidien und Riddagshausen waren Klosterkirchen und so erst recht leere Kirchen, nur im Chorgestühl waren die Mönche fünfmal am Tag zum Gebet, feierten Eucharistie an vielen Altären, aber sonst war das große Gotteshaus leer. Unnützer Raum, würden wir heute sagen. Aber diese Denkweise ist ja gerade unsere Angst – es muss alles seinen Zweck, seinen Nutzen haben.

Nun sind aber in Braunschweig noch andere Kirchen entstanden. Warum wohl? Bürgerstolz im Wetteifer der Gottesverehrung in einer Zeit, als die Idee der bürgerlichen Gesellschaft entstand. Das war die Zeit nach der Französischen Revolution. Diese Idee ist ausgeträumt. Die Menschen orientieren sich ganz neu, und so ist es auch in den Kirchen. Vieles, was einmal Volkskirche hieß, hat sich gewandelt. Wer heute (noch) zum Gottesdienst in die Kirche kommt, tut das zur Ehre Gottes und aus Überzeugung, dass der Sonntag noch der Herrentag ist, der sich vom Arbeitstag unterscheidet.

Gibt es eigentlich noch eine Sonntagskultur oder nur ein Wochenende, das schon am Freitag beginnt? Es werden noch viele Kirchen zugemacht, umgewidmet und verkauft. Aber immer noch haben die katholischen Kirchen an jedem Sonntag Gottesdienste, die von mehreren Hundert Gläubigen aufgesucht werden. Die Zahl der Teilnehmer ist eigentlich gar nicht so wichtig. Unsere Gesellschaft braucht keine vollen Kirchen, sondern Menschen, die wieder aufwachen aus dem Schlaf der Wohlstands- und Freizeitkultur. Die Globalisierung holt uns alle ein. Die Frage nach einer sicheren Zukunft ist ja nicht an der Vergangenheit orientiert, dann wäre es keine Zukunft. Wir hoffen auf Gottes Hilfe, dem wir an jedem Sonntag Dank sagen und ihn genau so feiern, wie es in aller Welt christliche Gemeinden tun.

Claus Kilian, Diakon an St. Aegidien, Braunschweig

Qualität der Predigt ist entscheidend

Ebenfalls dazu:

Es gibt, zum Glück, nicht nur Kirchen, in denen der Gottesdienstbesuch weniger wird. Es gibt auch Kirchen, in denen die Gottesdienste proppenvoll sind. In den Freien Kirchen zum Beispiel. Am Beispiel der Friedenskirche in der Kälberwiese kann man sehen, dass alle drei Gottesdienst am Sonntag gut besucht sind. Es gibt auch Gemeinden in der Landeskirche, die gut besucht sind, nicht nur der Dom. Die Menschen haben nicht Gott verlassen, sie sind in die Gemeinde gewechselt, in der sie sich besser aufgehoben und angesprochen fühlen. Die inhaltliche Qualität der Predigt und die Authentizität des Personals sind entscheidend. Dies ist eine Erkenntnis, die auch für unsere alten Kirchengebäude hoffen lässt. Es in den festen Strukturen einer Landeskirche aber offensichtlich schwer. Zu viel Bürokratie, zu wenig Jesus.

H.-Rüdiger Schmidt, Rethen