Hannover. Ein Experte des Landesgesundheitsamtes gibt im Interview Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen für Kunden und Geschäftsbetreiber zum Schutz vor Corona.

Geschäfte und Restaurants in der Region haben zu einem Großteil wieder geöffnet. Wir haben uns bei Patrick Ziech vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt erkundigt, welche Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus für Kunden und Geschäftsbetreiber notwendig und sinnvoll sind. Ziech (38) ist studierter Gesundheitswissenschaftler und seit 2016 beim Landesgesundheitsamt für den Bereich der Hygienenetzwerk-Koordination zuständig.

Patrick Ziech arbeitet beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt in Hannover im Bereich Hygienenetzwerk-Koordination.
Patrick Ziech arbeitet beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt in Hannover im Bereich Hygienenetzwerk-Koordination. © Niedersächsisches Landesgesundheitsamt

Herr Ziech, die meisten Geschäfte und Restaurants in Niedersachsen haben jetzt wieder geöffnet. Worauf sollten die Kunden Ihrer Einschätzung nach zu ihrem Schutz achten?

Grundsätzlich ist das Wichtigste, weiterhin die Abstände einzuhalten. Eine weitere Möglichkeit, sich gut zu schützen, ist, sich viel im Freien aufzuhalten. Beispielsweise in Restaurants sollte man bevorzugt draußen sitzen und nach Möglichkeit die geschlossenen Räume meiden.

Weil Sie die Abstände angesprochen haben: Reichen denn die 1,5 Meter Abstand zwischen den Kunden oder wäre ein größerer Abstand noch besser?

Nach den derzeitigen Erkenntnissen reicht dieser Abstand im Normalfall aus, um sich vor Tröpfcheninfektionen zu schützen. Denn die meisten Tröpfchen fallen in einem Radius von 1,5 Metern auf den Boden.

Im Moment ist besonders im Gespräch, dass in Kneipen und Restaurants zwar die Abstände von 1,5 Metern eingehalten werden, beim Sprechen aber Aerosole frei werden. Wie lange halten sich diese in der Luft?

Man muss zwischen Tröpfchen und Tröpfchenkernen, sogenannten Aerosolen, unterscheiden. Die Aerosole sind kleinste Tröpfchen mit Viruspartikeln, die sich noch länger in der Luft halten können. Die etwas größeren Tröpfchen sinken zu Boden und können dann auch nicht mehr eingeatmet werden. Einige Studien gehen davon aus, dass Aerosole nach etwa drei Stunden noch in der Luft schweben und auch noch infektiös sein könnten. Ob es dadurch auch zu Infektionen mit SARS-CoV-2 kommen kann, ist aber noch nicht durch ausreichende Studien gesichert. In geschlossenen Räumen könnten Aerosole bei der Übertragung eine besondere Rolle spielen, wegen dem geringen Luftaustausch. Da ist es wichtig, dass Restaurants usw. einen ausreichenden Luftaustausch gewährleisten. Eine ausreichende Luftbewegung kann dafür sorgen, dass die Konzentration der Viruspartikel verdünnt und diese mit der Abluft nach draußen getragen werden. So kann das Risiko einer Übertragung in Innenräumen verringert werden. Eine Klimaanlage, die in einem Raum die Raumluft nur umwälzt, könnte möglicherweise im Raum vorhandene Viruspartikel mit verwirbeln und so in einem größeren Radius/Umkreis im Raum verteilen. Regelmäßiges gründliches Lüften (ohne Klimaanlage) kann das Risiko einer Übertragung genauso vermindern.

Welchen Rat haben Sie für die Restaurantbesucher?

Wenn möglich, sollte man sich nicht zu lange in geschlossenen Räumen aufhalten. Zudem sollten sich Menschen, bei denen ein Risiko für schwere Krankheitsverläufe bestehen könnte, grundsätzlich gut überlegen, ob sie sich diesem Risiko aussetzen wollen.

Ist es für die Mitarbeiter von Geschäften sinnvoll, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, da diese länger den Aerosolen ausgesetzt sind?

Es wird immer wieder diskutiert, ob Mitarbeiter eine solche Bedeckung tragen sollten. Allerdings muss man sich vorstellen, dass es unangenehm ist, acht Stunden eine Mund-Nasen-Bedeckung im Gesicht zu tragen. Zudem kann diese einen auch bei der Arbeit einschränken. Deshalb hat man als Alternative die Variante gewählt, dass alle Kunden zum Fremdschutz eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Somit werden auch die Mitarbeiter geschützt.

Ist der Fremdschutz auch der Grund, weshalb man beim Einkaufen einen Mund-Nasen-Schutz tragen soll?

Genau. Damit trägt man auch zum Schutz der Kunden bei, die aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können, wie beispielsweise lungenerkrankte Menschen. Man beobachtet im Moment sehr häufig, dass sich die Bevölkerung mit professionellen Schutzmasken mit Ausatemventil ausgestattet hat. Dadurch wird die Luft des Trägers ungefiltert in die Umgebung abgegeben. Das ist aber kontraproduktiv, weil es sich dann nicht mehr um einen Fremdschutz handelt, sondern um einen Eigenschutz. Der Fremdschutz wird ja praktiziert, da das Virus schon freigesetzt wird, bevor man selbst überhaupt Symptome bei sich feststellt.

Wenn ich nach dem Einkaufen oder von draußen nach Hause komme, muss ich mir dann die Hände direkt desinfizieren oder reicht es aus, sich die Hände mit Seife zu waschen?

Im normalen Alltag reicht es vollkommen aus, sich die Hände zu waschen. Dies sollte auch bevorzugt werden. Denn ein Handdesinfektionsmittel ist nach EU-Recht ein Biozid, also ein chemisches Mittel, das Lebewesen abtöten kann. Desinfektionsmittel können aber eine praktische Alternative sein, wenn beispielsweise kein Handwaschbecken in der Nähe ist. Im medizinischen Alltag sieht das anders aus, da man hier keinen Schmutz von den Händen waschen möchte. Dort steht die Keimabtötung auf den Händen im Vordergrund.

Wie oft sollte in Geschäften und Restaurants in Corona-Zeiten gereinigt beziehungsweise desinfiziert werden?

Grundsätzlich reicht eine normale Reinigung völlig aus. Dabei sollte der Fokus vor allem auf Flächen liegen, mit denen die Kunden direkten Kontakt haben. Das sind beispielsweise Türgriffe, Kassenbereiche, Selbstbedienungstheken oder Ähnliches. Der Fußboden wäre etwa eine Fläche, die eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Welche weiteren Schutzmaßnahmen sollten Geschäfte zusätzlich zu den Abstandsregeln und dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung umsetzen?

Eigentlich das, was schon getan wird: die Begrenzung der Anzahl der Kunden im Geschäft, der Schutz der Mitarbeiter. Hier könnte man beispielsweise die Mitarbeiter schulen, auf die Abstände zum Kunden zu achten. Oder aber an der Kasse mit Abtrennungen arbeiten.

Auch das Lüften der Räume ist wichtig. Bei kleineren Läden kann man dafür Fenster und Türen öffnen. Viele Geschäfte bieten zudem am Eingang auch eine Handdesinfektion an. So kann jeder Kunde selbst entscheiden, ob er dieses Angebot annimmt.

Also sind die bisher ergriffenen Maßnahmen ausreichend und sinnvoll?

Seit der Lockerung und der entsprechenden Hygienemaßnahmen ist mir kein Ausbruch bekannt, bei dem es zu Infektionen innerhalb von Geschäften gekommen ist. In den Geschäften scheinen diese Maßnahmen also zu helfen.