Eine Leserin fragt, warum die Nationalität eines Verdächtigen in der Überschrift eines Beitrags Erwähnung fand.

Leserin Johanna Weber fragt zum Beitrag „Syrer aus Salzgitter soll Partner der Schwester erschossen haben“ auf der Titelseite vom 29. Januar:

Weshalb schreiben Sie nicht „Tatverdächtiger nach tödlichen Schüssen in Salzgitter festgenommen“, was soll die Nennung der Herkunft? Es reicht völlig, wenn Details im Artikel genannt werden. Welchen Wert hat dies in der Schlagzeile, außer Vorurteile vertiefen?

Deskchef Harald Likus nimmt folgendermaßen Stellung:

Die Frage, ob die Herkunft eines Tatverdächtigen als Information in einen Bericht gehört, ist notorisch umstritten. Zwar würden wohl die meisten Menschen den allgemeinen Appell unterschreiben, der in der Richtlinie 12.1 des Deutschen Presserats so formuliert ist: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.“ Doch schon der folgende Satz lässt erheblichen Interpretationsspielraum zu: „Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“

An unserem Nachrichtentisch gilt als wesentliches Kriterium, wie wichtig die Herkunftsbezeichnung für das Verständnis der Geschichte ist, die hinter der Meldung oder dem Gerichtsbericht steckt. Bei dem vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass für den Täter die andere Religion des Freundes seiner Schwester (sei es als Vorwand oder ernsthaft empfunden) ein entscheidendes Problem dargestellt hat. Nicht zu erwähnen, woher die beteiligten Personen stammen, würde mir lückenhaft und schräg vorkommen.

Der Ombudsrat schreibt:

Die Erwähnung der Religionszugehörigkeit von Tatverdächtigem und Opfer im Artikel ist nicht zu beanstanden. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand besteht zwischen der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit und der Tötung ein unmittelbarer Zusammenhang. Auch die Erwähnung der unterschiedlichen Nationalitäten im Fließtext ist nicht zu kritisieren: Sie ermöglicht dem Leser die Einordnung, in welchem Umfeld es zu der Tat gekommen ist. Die Religionszugehörigkeit hat in den Gesellschaften Syriens und des Iraks eine andere Bedeutung als bei uns.

Zu beanstanden hingegen ist die Erwähnung der Nationalität ausschließlich des Tatverdächtigen in der Überschrift („Syrer aus Salzgitter soll Partner der Schwester erschossen haben“), während die Nationalität des Opfers nicht genannt wird. In dieser Form isoliert hat die Nationalität des Verdächtigen keine Bedeutung für das Tatgeschehen, dessen wesentliche Ursache offenbar in der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit – der Tatverdächtige ist Muslim, das Opfer Christ – liegt. Beim flüchtigen Lesen der Überschrift kann der Eindruck entstehen, den die Redaktion durch Anwendung der Richtlinie 12.1 des Pressekodex wohl vermeiden wollte: die „diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens“. Allerdings wird dieser Eindruck durch die direkt anschließende Unterzeile entkräftet. Hier wird erläutert, dass viel auf einen religiös-kulturellen Hintergrund hinweist.