Alle Leserbriefe beziehen sich auf „Diess: Bei VW sind 100 000 Jobs in Gefahr“ vom 11. Oktober:

Kaum haben sich die EU-Umweltminister auf den „dürftigen“ Grenzwert für den Kohlendioxid-Ausstoß von Autos in den kommenden Jahren geeinigt, da malt VW-Chef Diess das Gespenst vom Verlust von 100 000 Arbeitsplätzen bei VW an die Wand! Einen Tag vorher hatte der Weltklimarat zum Stopp der Erderwärmung bei 1,5 Grad und damit verbundenen entscheidenden Verringerungen des weltweiten Schadstoffausstoßes aufgerufen, um die Erderwärmung überhaupt noch stoppen zu können. Die Autokonzerne erinnern mit ihrem Verhalten an die Energiekonzerne, die viele Jahre den Umstieg auf erneuerbare Energien ausgebremst und boykottiert haben.

Wir blicken zurück: Als der Umstieg auf bleifreies Benzin gefordert wurde schrien die Autokonzerne: „Unmöglich, da gehen die Motoren kaputt!“ Wie wir wissen, ist Benzin seit vielen Jahren bleifrei...

Verbrennungsmotoren sind ganz offensichtlich Auslaufmodelle, so wie früher FCKW-haltige Kühlschränke. Anstatt andere Antriebsarten voranzutreiben, „weint“ Herr Diess den Verlust von 100 000 Arbeitsplätzen herbei und schürt damit die Angst der Beschäftigten bei Volkswagen vor Arbeitsplatzverlusten.

Ein Beispiel für zukünftige Antriebsarten: Zwei mit Wasserstoff betriebene Züge von Alstom fahren bereits in Niedersachsen und könnten eine Alternative zum Verbrennungsmotor sein.

In China geht man andere Wege: Dort wird staatlicherseits der Elektroantrieb für PKW gefördert und Produktionszahlen vorgegeben, so können sich alle darauf einstellen.

Um wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt zu sein müssen die Autokonzerne Alternativen zum Verbrennungsmotor entwickeln und anbieten, ansonsten sind wirklich Hunderttausende von Arbeitsplätzen bei VW, BMW, Daimler und Co. in Gefahr! Da Deutschland so gute Ingenieure hat, sollten diese verstärkt neue Antriebsarten entwickeln, anstatt – wie bei den Autobauern geschehen – Betrugssoftware für Diesel-PKW zu schreiben.

Andreas Schattka, Braunschweig

Zurück in die Zeit des Tante-Emma-Ladens

Wenn es um Geld und/oder Macht geht, dann denkt die Mehrheit der in Verantwortung stehenden Politiker und Industriemanager offenbar nur bis zum voraussichtlichen Ende ihrer Karriere oder ihrer Lebenszeit. Wie anders sollte man sonst das kleinkarierte Gefeilsche um Prozente bei der Reduktion von CO2 durch den Straßenverkehr verstehen? So droht Herr Diess nun wieder mit Jobverlusten und versucht so den langfristig nötigen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik zu verhindern. Tatsächlich ergeben Gewichts- und Geschwindigkeitsbeschränkungen eine gewisse Abgasreduktion, aber die nötige Größenordnung der CO2-Reduktion kann im „Flottenmix“ einzelner Hersteller ohne die viel beschworene Elektromobilität (egal ob nun Batterie oder Wasserstoff) nicht erreicht werden.

Global gesehen ist das Elektroauto aber kein Problemlöser, sondern kurzsichtige Augenwischerei, zumindest solange nicht CO2-neutral erzeugter Strom in ausreichender Menge weltweit verfügbar ist. Es ist doch klar, dass wir – die Industriestaaten – den Milliarden Afrikanern, Indern und auch noch Chinesen das Autofahren über kurz oder lang nicht werden verwehren können, und damit ist offensichtlich, was unsere Erde an CO2-Emission noch wird verkraften müssen. Daher wäre es dringend Zeit, dass die Politiker den Mut fassen der Bevölkerung zu offenbaren, dass das Ende des unbeschränkten Individualverkehrs in absehbarer Zeit gekommen ist. Genauso ist die KFZ-Industrie gut beraten, sich auf diese neue Situation frühzeitig einzustellen, anstatt zu jammern und (wie gesagt) um Abgasprozente zu feilschen. Wenn in einem Industriestandort wie Deutschland sehr viele Arbeitsplätze an der KFZ-Produktion hängen, führt das natürlich zu erheblichen Verwerfungen. Aber „Kopf in den Sand und abwarten“ wird nicht funktionieren!

Dabei war bis hierher nur die Rede von CO2. Nicht zu vergessen sind aber die Umweltbelastungen durch die Lithiumgewinnung (Wasserverbrauch), die bestialische Ausbeutung der Menschen (Kinder) im Kongo bei der Kobaltgewinnung zur Batteriefertigung für unsere Elektromobilität. Oder die weiterhin steigende Verseuchung unserer Erde mit Feinplastik aus Reifenabrieb.

Das, was wohl keiner hören will, ist die Lösung dieser Probleme: Zurück in die Zeit um 1950 mit dem Tante-Emma-Laden um die Ecke und vielfältigen kleinen Einzelhandelsgeschäften in den Innenstädten. Dann wird ein privates KFZ zum Leben nicht mehr zwingend benötigt. Für die Wege zur Arbeit muss flankierend ein öffentlicher Nahverkehr aufgebaut werden, der eben nicht (wie heute häufig der Fall) die Fahrzeiten zur Arbeitsstelle verfünffacht. Für die Mobilität im ländlichen Raum sind dann allerdings auch kreative Verkehrskonzepte zu entwickeln.

Das alles kostet auch Geld (und ist vielleicht manchmal unbequem). Aber was nichts kostet, ist ja auch nichts wert – hab ich mal gelernt.

Dr.-Ing. Werner Dobrzynski, Wolfenbüttel

VW hat aus dem Diesel-Desaster nichts gelernt

Eines vorweg: Ich bin auf einem nahezu ÖPNV-losen Dorf mit dem Auto groß geworden und fahre auch heute noch sehr gerne Auto. Doch bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass sich der motorisierte Individualverkehr in der heutigen Form nicht auf Dauer mehr durchhalten lässt. Sei es aufgrund der schieren Masse an Fahrzeugen in Ballungsräumen oder sei es aufgrund der Klimavorgaben. Dass in Sachen Klimaschutz Eile geboten ist, lässt sich wohl kaum mehr ernsthaft widerlegen. Wenn nun aber der VW-Chef beim Vorstoß der EU-Umweltminister zur Reduktion der CO2-Emissionen das Wort „Jobverlust“ in die Medien bringt, klingt das nach Kapitalisten-Tourette – und ich frage mich, ob in Wolfsburg wirklich aus dem Diesel-Desaster gelernt wurde oder man nur nach außen hin so tut. Gerade VW, mit seiner beeindruckenden Personalstärke, den entsprechenden Menschen in den Zulieferketten sowie der immer noch immensen Finanzkraft, hätte doch die Möglichkeiten, die individuelle Mobilität von morgen zu gestalten. Schließlich ist man am Reputationsverlust des Verbrennungsmotor getriebenen PKW nicht ganz unschuldig. Und mit frischen Ideen für eine emissionsarme oder gar CO2-emissionslose individuelle Mobilität und dem entsprechenden Umsetzungswillen muss sich auch niemand um Jobverlust Gedanken machen.

Benjamin Weiberg, Vechelde

Aufschrei der Ertappten

Die Drohung vom Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess ist der übliche Aufschrei der „Ertappten“. Hätte Volkswagen die Milliarden-Bußgeldzahlungen für Betrügereien bei den Diesel-Fahrzeugen in die Entwicklung oder Weiterentwicklung sauberer Abgassysteme gesteckt, brauchte man heute keine Horror-Szenarien in den Raum stellen, um Druck aufzubauen. Das betrifft natürlich nicht nur VW, sondern wahrscheinlich die gesamte Automobilbranche!

Manfred Krüger, Baddeckenstedt

Diesmal reicht kein Software-Update

Ein Konzern, der sich durch einen selbstverschuldeten Dieselskandal enorm schwächt, milliardenschwere Strafen zahlen muss, Fahrzeuge zurückkauft und das alles NICHT im eigenen Land, lässt jetzt durch seinen Konzernchef Diess mit dem Abbau von weltweit 100 000 Arbeitsplätzen drohen, wenn die EU-Politik bei den CO2-Grenzwerten nicht mitspielt. Auf welcher Diesselwolke schweben Sie, welche Luft muss man Atmen, um solche Drohungen auszusprechen? Sechs, setzen und schleunigst die Hausaufgaben für die 35 Prozent beginnen, aber ohne Software-Update!

Uwe Reker, Braunschweig