Berlin.

Alle Leserbriefe beziehen sich auf die SPD und die Groko-Verhandlungen:

Nach meinem Verständnis und unserer Verfassung ist der gewählte Abgeordnete in seinem Mandat frei und nur seinem Gewissen unterworfen. Am 24. September haben 46,5 Millionen Bundesbürger gewählt und entschieden, dass 709 Abgeordnete, davon 153 Kandidaten der SPD, in den Deutschen Bundestag gewählt werden. Eine der ersten wichtigen Aufgaben genau dieser 709 Abgeordneten ist es, miteinander zu verhandeln, um eine stabile Regierung zu bilden. Im Ergebnis gibt es eine Regierungskoalition und eine parlamentarische Opposition. Die Legitimation, dies zu tun, ziehen die Abgeordneten aus der Nominierung durch ihre Parteien und der anschließenden Wahl durch die Wähler.

Wo bleibt nun die Mündigkeit des gewählten Abgeordneten und die Freiheit seines Mandats, wenn die Entscheidung, einen Bundeskanzler zu wählen, nun möglicherweise in einigen Wochen der Weisung eines Beschlusses der Mitglieder der SPD unterworfen wird. Damit wird das Mandat des Abgeordneten zu einem imperativen Mandat.

Gleichfalls entscheiden bestenfalls 400 000 Mitglieder der SPD über das Wahlergebnis von 46,5 Millionen Wählerinnen und Wähler. Richtig wäre, die Fraktion entscheiden zu lassen, ihrer Verantwortung nachzukommen, an der Regierungsbildung mitzuwirken oder eben nicht.

Sven Hansmeier, Königslutter

Mitgliederentscheid ist nicht demokratisch

Der Entschluss der SPD, ihre Mitglieder für oder gegen die Groko entscheiden zu lassen, hat nichts mehr mit Demokratie zu tun. Die Bundesrepublik hat circa 61 Millionen Wahlberechtigte, die Wahlbeteiligung lag bei rund 76 Prozent, also etwa 46 Millionen Wählern. Davon gaben 20,5 Prozent, also 9,5 Millionen, ihre Stimme der SPD. Unvorstellbar, dass sich in einem demokratisch regierten Land eine Gruppe von 450 000 Parteimitgliedern (das entspricht einem Anteil von 4,7 Prozent der SPD-Wähler) gegen die gewählten Bundestagsabgeordneten durchsetzen könnte!

Die SPD, die CDU und die CSU haben in der Mitte so viele gemeinsame Interessen und sollten sich schnellstens auf eine in die

Zukunft gerichtete, vernünftige Politik einigen, die für das Wohl der Menschen unseres Landes und Europas nützlich ist. Sie hätten gemeinsam die Macht dazu, dieses durchzusetzen.

Wilhelm Schlüter, Schöningen

Voraussage Herbert Wehners ist hoch aktuell

Zum derzeitigen Chaos in der SPD passt immer noch eine Äußerung des früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Herbert Wehner, auf einer Sitzung des SPD-Parteivorstandes am 15. Februar 1982: „Wenn wir uns weiterhin einer Steuerung des Asylproblems versagen, dann werden wir eines Tages von den Wählern, auch unseren eigenen, weggefegt. Dann werden wir zu Prügelknaben gemacht werden. Ich sage euch, wir sind am Ende mitschuldig, wenn faschistische Organisationen aktiv werden. Es ist nicht genug, vor Ausländerfeindlichkeit zu warnen, wir müssen die Ursachen angehen, weil uns sonst die Bevölkerung die Absicht, den Willen und die Kraft abspricht, das Problem in den Griff zu bekommen.“ (Hamburger Morgenpost 11. November 1992)

Durch politische Passivität und Verharmlosung der Probleme ist die weise Voraussage des Herrn Wehner hoch aktuell.

Arnold Steputat, Wolfsburg

Asylsuchende ansiedeln, wo Wohnraum da ist

Die Verteilung der Asylsuchenden sollte sich nicht an der Einwohnerzahl eines Ortes, sondern an der schrumpfenden Ortsbevölkerung orientieren. Ich komme aus dem Helmstedter Südkreis und glaube, auch im Wolfenbütteler Südkreis wird die Situation ähnlich sein. Hier stehen genug freie Wohnungen zur Verfügung. Unserer Infrastruktur würde ein Zuzug von Menschen guttun. Alle öffentlichen Einrichtungen, die Herr Schulz anspricht, ich setze noch Ärzte, Apotheken, Taxiunternehmen, Kaufläden und so weiter dazu, werden mehr in Anspruch genommen und bleiben für die ältere Bevölkerung erhalten. Dass die finanzielle Hilfe vor Ort ausgegeben wird und so Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden, kann noch nebenbei erwähnt werden.

Kurt-Werner Rückewold, Jerxheim

Eine der größten Krisen der SPD seit 1917

Egal, wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen werden, die SPD befindet sich in einem der größten innerparteilichen Spaltungsprozesse ihrer Geschichte seit 1917.

Die Abstimmung des Sonderparteitages zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen hat bis in die Ortsverbände das Klima vergiftet. Bei Neuwahlen wäre die SPD gezwungen zu erklären, wie sie zu einer Groko steht. Das wird ihr ohne innerparteilichen Konsens sehr schwerfallen. Was Gabriel demokratische Streitkultur nennt, ist letztlich nichts anderes als ein Flügelkampf bis auf das Messer. Die Jusos zeigen es gerade mit der Mitgliedschaft auf Probe.

Manfred Bräuer, Braunschweig